304 Seiten hat Ein unmoralisches Sonderangebot von Kerstin Gier. Und das sind etwa 300 zu viele, auch wenn ich sie für Einmal durchs Regal anrechnen kann. Das zugeben zu müssen, schmerzt schon etwas, denn bisher haben mir ihre Bücher immer gut gefallen, wie ihr auch schon lesen konntet. Doch dieses hier hat mich zutiefst enttäuscht.
Olivia ist eigentlich glücklich verheiratet, da macht ihr Schwiegervater seinen Söhnen das Angebot, die Frauen zu tauschen, für 6 Monate – und für eine Millionen Euro. Die erste Skepsis verfliegt schnell und die beiden Frauen tauschen Wohnung und Mann. Dass nach den sechs Monaten keine der Beziehungen mehr funktioniert und Olivia ausgerechnet bei Oliver landet (echt jetzt? Olli und Olli?) ist irgendwie bereits am Anfang klar. Und auch das Wie reist den Bogen nicht raus.
Sauer aufgestoßen ist mir das Frauenbild. Ja, Olivia arbeitet, sie gärtnert. Die Buchhaltung aber übernimmt ihr Mann. Und auch als sie ihn in die Wüste schickt, kommt nicht raus, dass sie plötzlich den Durchblick bei Zahlen hat. Vielmehr tauscht sie einen Mann gegen den anderen und zwar noch am gleichen Abend. Dass sie mit dem zweiten nun auch seinen Traum verwirklichen kann, setzt dem irgendwie die Krone auf, auch wenn sie dabei wirklich Spaß hat und glücklich ist. So als könnte ihr der eigene Traum und dessen Verwirklichung nicht reichen. Am schlimmsten fand ich aber wirklich, dass sie am Ende die glückliche (Bald)Mutter wird, wo sie zuvor 300 Seiten lang betont hat, nie ein Kind zu wollen.
Dem Bild, dass eine Frau nur an der Seite eines Mannes und mit Kind glücklich sein kann, wird zwar die erfolgreiche Evelyn entgegen gestellt und Olivias Freundin, die ohne Mann, aber mit Kind ganz zufrieden ist, aber so wirklich bleibt das nicht ideal. So wird der Freundin stets unterstellt, sofort einen guten Mann zu behalten, wenn sie einen fände. Und Evelyn wird durch ihre kontrollierende und verändernde Art durchaus mit weniger weiblichen Attributen belegt. Sie ist es, die eine gute Karriere dem Muttersein und dem Mann vorzieht, die sich selbst treu bleibt, wo hingegen die Heldin Olivia plötzlich Mutter wird und den ihr geradezu aufgedrängten Stil annimmt.
Der Plot, ihr seht es, hat mich schwer enttäuscht. Am Anfang zu wissen, wer mit wem und warum und was dann noch passiert – so macht lesen keinen Spaß. Dafür gesorgt, dass mir die 304 Seiten nicht zur Qual wurden hat aber Giers genialer Stil. Ironisch und frech, medial angehaucht und schlagfertig, so kenne und mag ich ihre Bücher. Und zumindest das konnte ich auch hier finden, konnte schmunzeln und kichern, selbst wenn ich die Handlung langweilig fand.
Wer nicht so genau hinschaut und etwas schnelles für zwischendurch sucht ist mit Ein unmoralisches Sonderangebot ganz gut bedient. Es ist locker und flüssig zu lesen und macht selbst Spaß, wenn der Plot uninteressant wird. Alle, die auch nur feministisch angehaucht sind, sollten einen Bogen um diesen Roman machen und lieber zu einem anderen greifen. Ich wollte wirklich, ich hätte es getan, trotz gutem Stil.