Auf Twitter wurde es bereits angekündigt: Wir starten in eine zweite Runde #DiverserLesen. Etwas später, als geplant, aber nicht weniger enthusiastisch. Dafür haben wir ( Nora Bendzko, Katherina Ushachov, skalabyrinth und ich) neue Aufgaben zusammengetragen. Zwölf Aufgaben, die Vielfalt zeigen, nicht nur inhaltlich, sondern auch in Format und Leseart. Literatur ist vielfältig. Als Schreibende wie Lesende passen wir nicht in Schubladen, auch unsere Bücher tun das nicht.
Aktuell verfolgen wir, wie diskriminierende Handlungen marginalisierte Menschen verunglimpfen und auf psychischer wie physischer Ebene bedrohen. Die unfassbare Kritik am Selbstbestimmungsgesetz, das IPReG, das Zwangseinweisungen behinderter Menschen erlaubt, die Triage in Krankenhäusern während der extremen Belastungszeiten in der Pandemie, die entsetzlichen anti-trans Gesetze in Texas und anderen amerikanischen Staaten, die furchtbaren Berichte von BI_PoC-Geflüchteten, die grauenhaften Berichte vom Krieg in der Ukraine und die erschütternde Tatsache, dass auch hier Marginalisierte zusätzlichen Gefahren gegenüber stehen … Mir fehlen die Worte angesichts der Entwicklungen, die für so viele marginalisierte Menschen noch entmenschlichendere Diskriminierungen bedeuten und ihr Leben massiv beeinträchtigen und gefährden. Gleichzeitig helfen so viele aktuell ihnen fremden Menschen, die Unaussprechliches erleben.
Danke an alle, die gestern, heute und morgen anderen helfen.
Viele Diskriminierungen sind Teil unseres Alltags. Wir haben sie internalisiert und sehen aus privilegierten Perspektiven die Problematik gar nicht oder wir sind als Teil einer marginalisierten Gruppe tagtäglich mit ihr konfrontiert. Oft ist es ein bisschen von beidem.
#DiverserLesen, als Aktion für die Sichtbarkeit marginalisierter Menschen, will nicht nur zeigen, wie vielfältig Literatur, Schreibende und Lesende sind. Durch Lesen kann der eigene Erfahrungshorizont erweitert werden, Einblicke, Verständnis und Anerkennung sind dann die Folge. #DiverserLesen motiviert, die eigene Wirklichkeit nicht nur um das Wissen eigener Privilegien zu ergänzen, sondern auch, Marginalisierungen zu erkennen. Dabei können sowohl eigene Erlebnisse als Folgen von Marginalisierungen erkannt werden, als auch Marginalisierungen generell im Kontext und bei anderen. Erst wenn Probleme sichtbar sind, können wir sie lösen. Marginalisierte Autor*innen sowie Figuren kennen zu lernen, kann uns helfen, ihre Marginalisierungen zu verstehen, und dieses Verständnis und die Sichtbarkeit helfen dabei, die diskriminierenden Strukturen zu durchbrechen. Wir sind sehr dankbar, dass Illi Anna Hegers Logo für #DiverserLesen uns auch dieses Mal wieder begleitet!
Darum haben wir uns dieses Jahr für folgende Aufgaben entschieden:
1) Fanfiction
Fanfiction ist Literatur. Oft wird sie aber nicht als solche wahrgenommen. Fanfiction verbindet Menschen mit gleichen Interessen, ist kreativ und vielseitig und zeigt vieles, was es im Mainstream nicht gibt. Zwei Punkte dafür.
Resa zum Beispiel schreibt Fanfiction, genauso wie Britta Redweik und Alex Prum.
2) SP
Lies ein Selfpup-Buch einer schreibenden Person, die im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion, Glaubens-, Kultur-, Traditions- oder Schicksalsgemeinschaften marginalisiert wird. Auch hier gibt es zwei Punkte.
Schau doch beispielsweise mal nach Aşkın-Hayat Doğan und Sameena Jehanzeb.
3) Heimat zwischen Zeilen
Lies eine*n Autor*in mit Fluchterfahrung und sammle einen Punkt
Das Kinderbuch Das Lila Mädchen von Ibtisam Barakat eignet sich hier zum Beispiel, ein Roman von Saša Stanišić oder Der gierige Barbar des ugandischen Schriftstellers Kakwenza Rukirabashaija.
4) Jung und Alt
Lies ein Debüt einer schreibenden Person, die bei Erscheinen unter 20 oder über 70 war. Dafür gibt es einen Punkt.
Melanie Vogltanz und Jacqueline Mayerhofer beispielsweise waren beide jünger als 20 bei ihrem Debüt.
5) Joker
Lies ein Wunschbuch einer marginalisierten Person, deren Marginalisierung nicht schon durch eine der anderen Aufgaben explizit abgedeckt ist. Warum? Weil du weißt, was dir gefällt. Finde eine Person, die das schreibt, und nimm dir einen Punkt.
6) Magazinzeit
Magazine bieten unbekannten Autor*innen mit frischen Themen Chancen und manche spezialisieren sich sogar auf marginalisierte Schreibende und Themen. Lest ein Exemplar einer Literaturzeitschrift zu einer marginalisierten Gruppe und bekommt zwei Punkte.
Queerulant*in, QueerWelten oder Literarische Diverse sind Beispiele für diese Kategorie.
7) Sachlage
Schnappt euch ein Sachbuch einer behinderten, chronisch kranken oder neurodivergenten Person. Wissen ist mehr, in dem Fall auch zwei Punkte.
Hier können wir euch Unter 3 Augen von Britta Redweik, Ableismus von Tanja Kollodzieyski und Was wird es denn, ein Kind von Ravna Marin Siever empfehlen, außerdem Julia Niederstraßers Und zwischen uns die Welt und Dennis Freys Agung.
8) Teamwork
Lies ein Buch, das eine marginalisierte Person geschrieben hat, und das auch Sensitivity Reading im Entstehungsprozess hatte. Zwei Punkte dabei für dich.
Keine Idee? Schau mal nach Der Feuervogel von Istradar und Die Rückkehr der Rusalkas von Ria Winter, nach Anarchie Déco von J. C. Vogt und With You I Dream von Justine Pust.
9) Neu entdeckt
Lies das Buch einer schreibenden BI_PoC, die du bisher noch nicht kanntest. Einen Punkt hierfür.
Kennt ihr Jasmina Kuhnke, Jade S. Kye oder Cho Nam-Joo? Was ist mit Akram El-Bahay und Mo Schneyder? Wenn nicht, ist das doch die ideale Gelegenheit, eines ihrer Bücher zu lesen.
10) Verschwindende Sprachen
Sprache ist mehr als der Duden. Lies ein Buch, das in einem Dialekt/ einer Sprache, die keine Amtssprache ist von einer marginalisierten Person geschrieben wurde. Zwei Punkte.
Hier passt Lyrik von Franz Michael Felder oder Anni Mathes, aber zum Beispiel auch Irmgard Keun – Das kunstseidene Mädchen.
11) Literatur ist mehr
Mehr als Schrift. Hörbücher etwa, Comics, Mangas und Graphic Novels sind ebenfalls Literatur. Doch diese Formen werden oft schlecht geredet. Darum gibt es hier einen Punkt für ein Hörbuch/Manga/Comic/Graphic Novel.
Wie wäre es mit dem Webcomic Go Get A Roomie? Oder die Bücher von Fuchskind. Auch die deutsche Übersetzung des Mangas Houseki no Kuni, vorgenommen von Verena Maser ist eine tolle Idee. Genießt ein Hörbuch oder lest die Graphic Novel zum Tagebuch der Anne Frank. Hier habt ihr viele Möglichkeiten, euch auszutoben.
12) Regenbögen für alle
Lies die Geschichte einer schreibenden LSBATIQQP+ Person und bekomme einen Punkt.
Hier gibt es so viele zu nennen. Roxane Bicker, Judith Vogt, Linus Giese, Noah Stoffers, Marius Schäfers, Isabella von Neissenau, Evelyne Aschwanden, Martin Gancarzcyk, Eleonora Bardilac, Anna Zabini und Laurie Penny, …
Da wir vier Organisierende selbst auch schreiben, laden wir euch herzlich ein, bei uns zu stöbern. Wir freuen uns über jede Person, die unsere Texte liest. Bei #DiverserLesen geht es um Sichtbarkeit für marginalisierte Menschen und wir vier sind aus unterschiedlichen Gründen marginalisiert. Gleichzeitig soll die Aktion aber kein Scheinwerfer für uns selbst sein, sondern Probleme in unserer Gesellschaft und der Literaturwelt aufzeigen. Probleme, die wir durch Sichtbarkeit, durch das Reden über Literatur mit lösen können.
Bilder und Sichtbarkeit
Zusätzlich zur Lesechallenge haben wir diesmal auch an Aufgaben für eine Foto-Challenge zu #DiverserLesen gedacht. Manchmal fehlt uns die Zeit zum Lesen, ich kenne das selbst sehr gut. Für die Foto-Challenge müssen Bücher darum nicht gelesen werden. Zeigt, was in euren Regalen steht, auf eurem SuB schlummert oder aus der Bibliothek zu euch gefunden hat. Schafft mit unseren Aufgaben hier Reichweite, nennt Schreibende und ihre Titel. Die Fotos könnt ihr innerhalb eines Monats auf einem Social Media Kanal eurer Wahl teilen (dann ist das im Schnitt ein Bild alle zwei Tage), oder innerhalb der 12 Challenge-Monate, wenn euch ein passender Titel über den Weg läuft. Denkt bitte immer daran, eine passende Bildbeschreibung einzufügen (da gibt es von uns bald noch einen Artikel zu). Es geht um Sichtbarkeit, um das Gesehenwerden, das Lautsein.
Wir haben bereits letztes Jahr ein Leitfädchen erstellt, schaut es euch gerne an. Das Logo und auch die Grafik zur Foto-Challenge dürfen gerne im Rahmen der Challenge mit entsprechendem Verweis auf Illi Anna Heger für die Urheberschaft des Logos genutzt werden.