02 – Nika Sachs, Frankreichliebe und Authentizität

Der #WirlesenFrauen-Neujahrskalender präsentiert euch vom 1.12.2019 bis zum 6.1.2020 63 Autorinnen und ihre Werke. Lernt neue Schriftstellerinnen kennen und findet großartigen Lesestoff! Heute bei mir: Nika Sachs, deren Schneepoet nach Frankreich führt.

Was ist schon Geschlecht?

Schreibtrieb: Liebe Nika, ich finde ja, du bist eine Ausnahmeerscheinung unter den Autori:innen, danke, dass du heute hier bist. Glaubst du, Frauen schreiben anders als Männer und andere?

Nika Sachs, lange Haare, lächelt
Nika Sachs kennt die Probleme des MArkts

Nika Sachs: Ich glaube, es ist schwer zu verallgemeinern, was ein bestimmtes Geschlecht in seiner Denk- und Arbeitsweise auszeichnet. Zumal sich biologisches Geschlecht und Identität nicht so klar darstellen, dass man sie verallgemeinern und statistisch überschaubar darstellen könnte. Sozialisation und persönliche Entwicklung dessen, was uns genetisch als Basis zugrunde liegt, sind meines Erachtens viel effizienter, um zu beurteilen, wie Unterschiede in der Art, mit Sprache und konstruierter Welten umzugehen, entstehen. Wer sagt uns (bezogen auf die Extremdifferenzierung feminin und maskulin), dass es nicht genauso viele Männer gibt, die tiefgängig, emotional authentisch schreiben, wie es Frauen gibt, die das tun oder anders herum Frauen, die analytisch, strukturiert und klischeehaft oder flach schreiben? Sind Frauen, die flach, kitschig und gefährlich nah an der Prostitution und Unmündigkeit ihrer ProtagonistInnen schreiben unreflektiert und einfältig oder genial und kalkulativ? Außerdem kann niemand sagen, wie hoch der Anteil der Ghostwriter in der Branche wirklich ist. Vielleicht werden diese, vom gängigen Rollenklischee abweichenden Autoren und Autorinnen, einfach nur aus wirtschaftlichen Gründen nicht gefördert und vermarktet? Das, was der Markt bietet ist noch immer überwiegend die Meinung einiger weniger in einer gewachsenen Branche mit spezifischen, konservativen Ansichten, die sich bewährt haben. Wirtschaftliche Effizienz reguliert ihre eigene Innovation großflächig nach unten – Das Geschäft mit dem Buch ist ein Geschäft mit der Berechenbarkeit des Käufers und der Abhängigkeit von dessen finanzieller Mittel.

Zwei Empfehlungen

Schreibtrieb: Kannst du uns bitte das Buch einer Autorin empfehlen?
Nika Sachs: Ich würde gerne zwei empfehlen, weil ich sie aktuell gelesen habe und sehr gut finde. Zum einen wäre das Komisch, alles chemisch von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim und zum anderen Jeder kann Mathe lernen von Anne Lene Johnsen und Elin Natås. Diese Bücher begleiten mich beruflich und ich finde, es sollte viel mehr darüber gesprochen werden, dass Frauen gar nicht so selten erfolgreich im Bereich Naturwissenschaften arbeiten oder ihre Kenntnisse daraus verständlich aufbereitet haben.



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Schreibtrieb: Wurdest du als Frau schon einmal diskriminiert?
Nika Sachs: Definitiv. Als genderfluider Mensch wurde sowohl der weibliche als auch der männliche Teil in mir bereits vorverurteilt und auf sexualisierte Weise herabwürdigend attackiert. Das ist eine hässliche und zutiefst bedrückende Erfahrung, die jedes Mal aufs Neue Abgründe in die eigene Identität reißt.

Einfach authentisch

Schreibtrieb: Das kann ich gut nachvollziehen, mir geht es ähnlich und es ist echt ätzend. Welche Autorin bewunderst du?
Nika Sachs: Da gibt es einige, aber über die Bestsellerautorin Nicole Neubauer denke ich häufig nach. Sie hat ihr Anwältinnendasein aufgegeben und sich mit Disziplin und Blick für die Verantwortung sich selbst und ihrer Familie gegenüber als Autorin einen Namen gemacht. Ich finde sie mutig und lustig, innovativ und clever. Einfach authentisch.

Schreibtrieb: Was ist dein Patentrezept für Weihnachtsstimmung?
Nika Sachs: Weihnachten geht für mich das ganze Jahr über, am besten mit Marmelade gefüllten mährischen Plätzchen meiner Oma, der Harfenmusik von Michael David und dem Geruch von Styrax und Zirbe.

Schreibtrieb: Woran schreibst du gerade?
Nika Sachs: An zwei Kinderbüchern und dem letzten Band der Tagebücher der Familie Fauchet, also die Geschichten über Lukas.

Respekt

Schreibtrieb: Oh, auf das Finale freue ich mich sehr, ich liebe die Reihe. Wie wichtig ist dir Vielfalt in deinen Geschichten?
Nika Sachs: Sehr wichtig. Generell befasse ich mich literarisch gerne mit Tabus, Normabweichungen und Philosophie bzw. Gesellschaftskritik. Aber auch mein Repertoire an Ideen, die ich authentisch darstellen kann, ist begrenzt. Ich kann recherchieren, mich intensiv mit etwas auseinandersetzen, aber ich werde mich beim Schreiben bestimmter Positionen wahrscheinlich immer wieder auch enthalten, weil ich ihre Zusammensetzung einfach nicht „erfühlen“ kann. Es ist für mich selbstverständlich, dass meine fiktive Gesellschaft nicht nur aus weißen, heterosexuellen Cis-Protagonistinnen bestehen kann und darf. Aber ich fühle mich unwohl dabei, aus einer unausgesprochenen Verpflichtung heraus, in jeder meiner Geschichten eine Quote an Diversität erfüllen zu müssen. Ich selbst bringe eine Sozialisation und schreibe, was in mir ist, was ich selbst begreife. Dabei versuche ich beim Schreiben reflektiert, offen für Neues, aber auch „echt“ zu bleiben, also mir selbst treu. Da ich selbst nicht neurotypisch bin und auch der Zwang, kein Klischee zu erfüllen eines sein kann, versuche ich mich literarisch primär allgemein an Respekt und der konstruktiven Auseinandersetzung mit Vorurteilen.

Dies Sache mit dem Eifelturm

Schreibtrieb: Was ist das Kurioseste, das du je recherchiert hast?
Nika Sachs: Das Beerdigungsrecht in Frankreich. Außerdem habe ich mal über einen befreundeten französischen Anwalt den Betreiber des Eiffelturms kontaktiert, um zu erfragen, ob ich aus dem Eiffelturm für mein Cover per Photoshop einen Strommast machen darf. Am Ende habe ich den Eiffelturm aber einfach selbst gezeichnet und das Problem war bereits vor der Antwort gelöst (die war übrigens ja).

Schreibtrieb: Das ist vielleicht noch mal gut zu wissen. Welches ist deine liebste Figur aus deinen Büchern?
Nika Sachs: Da sie alle ein Teil von mir sind, ist das eine Frage, die ich nur damit beantworten kann, dass sie mir in Phasen mehr oder weniger nahestehen. Die längsten Phasen, in denen ich eins bin mit dem Denken einer Rolle, gehören wahrscheinlich aber zu Lukas. Er ist der hochsensitive Chaot in destruktiv-konstruktiven Lebensphasen, der ich selbst auch meist bin.

Schreibtrieb: Was ist dir beim Schreiben das Wichtigste?
Nika Sachs: Dass es kein finanzieller Überlebenskampf wird und ich den emotionalen Rückzugsort, den das Schreiben mir bietet, verliere. Es gibt meiner Meinung nach genug Bücher, die aus einem rein finanziellen Hintergrund geschrieben und gegen die innere Überzeugung der Schreibenden vermarktet wurden.

Schreibtrieb: Ein sehr wichtiger Punkt! Auch ich möchte vom Schreiben am Ende mehr als Geld, sondern in erster Linie die Leidenschaft daran ausleben. Liebe Nika, wir sind leider schon am Ende, ich fand es großartig mit dir. Kommen wir noch schnell zu den Assoziationsfragen.

Sofa oder Sessel: Sofa
Märchen oder Thriller: Thriller
Mond oder Stern: Mond

Lust auf Frankreich?

Schneepoet von Nika Sachs

Dann macht doch einen Abstecher mit Nika Sachs‘ Schneepoet. Den ersten Band der Tagebücher der Familie Fauchet könnt ihr heute gewinnen, wenn ihr mir verratet, ob ihr schon einmal in Frankreich gewesen seid und wie es euch dort gefallen hat.

Ich bin Lukas.
Neunundzwanzig, manisch depressiv und Vollidiot mit Hang zum Exzess, der Schizo-Gespräche mit seinem Karma führt und Tagebuch schreibt. Bisher bestand mein Leben aus zwei Ländern, zwei Namen, einer Menge kreativer Inkompetenz und zu vielen Fehlentscheidungen. Eine davon war, mich von Inga zu trennen. Danach habe ich erfolglos versucht, zu kompensieren, es in achtzehn Jahren nicht geschafft zu haben, ihr zu erzählen, dass ich nicht nur ein paar psychische Probleme, sondern auch noch einen Zwillingsbruder habe …

Meine Rezension zu Schneepoet findet ihr übrigens auch auf dem Blog.

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