Neuromancer von William Gibson

323 Seiten konnte mir der Roman Neuromancer von William Gibson einbringen und ich fand, es war mal wieder Zeit für etwas „Science Fiction“.
Gibson hat mit seinem Buch entscheiden zu einer neuen Körperlichkeit in der Literatur beigetragen. Zu der virtuellen. In seinem Roman zeigt sich in einem der ersten der sogenannte Cyberspace als wirklicher Raum, durch den der Protagonist dank besonderer Fähigkeiten gehen kann. Das wirkliche, fleischliche Leben dagegen ist ihm geradezu zuwider geworden, musste er doch einige Jahre auf die geliebte Matrix verzichten.
Case, der Protagonist des Romans, ist auf der Suche nach etwas. Was genau, ist ihm noch unklar, doch der Auftrag bringt ihn immer näher an eine unglaubliche Wahrheit und tiefer in die Matrix, als er je zuvor war. Mehr unfreiwillig als mit eigenem Einsatz kommt Case in diese Situation. Der einzige, der ihn wieder vernetzten kann, ist nur bereit, dies zu tun, wenn Case im Gegenzug eben jene Aufträge ausführt. Die wahre Frage dahinter (nein, nicht die nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest) bleibt aber verborgen. Je mehr Case wühlt, umso mehr erfährt er, umso tiefer dringt er vor.
Künstliche Intelligenz ist das Stichwort. Und keine kindliche wie in AI, die unbedingt menschlich werden will. Uralte Intelligenzen sind es, die in jenem Raum, teilweise ohne eigenen Körper, existieren. Ihr Wunsch? Der Tod. Und ist das nicht das menschlichste aller Übel? Nur wie etwas „löschen“, das so tief in der Matrix verwurzelt ist, ja selbst künstliche Räume erzeugen kann? Keine leichte Aufgaben, die sich Case im Laufe der Handlung stellen.
Und weder er noch der Leser kommen so wirklich dahinter. Selbst am Ende bleibt einiges offen, muss rekonstruiert werden. Anspruchsvoll als Adjektiv passt zu diesem Roman. Gibsons Buch ist nicht leicht zu lesen, nicht leicht zu verstehen (noch dazu im Original, doch die Fehler einer Übersetzung wollte ich mir nicht antun). Doch er beweist, wie konstruiert Räume und Körper sind. Alles ist Ansichtssache und in den Möglichkeiten der Matrix aus Vorstellungssache. Menschen können ihren Abbildern gegenüberstehen, die nichts als Programme sind, Hüllen, ohne tieferen Inhalt. Und Programme können so differenziert werden, dass sie alle Menschen durchschauen. Kopien von Menschen werden mögliche, auf die eine oder andere Weise. Eine interessante Zukunft, die gleichermaßen erschreckt wie fasziniert. Für Freunde von Science Fiction (nein, mir fällt einfach keine deutsche Bezeichnung ein), ein gelungener Fund, der den Auftakt zu einer Reihe bildet. Leichte Lektüre aber ist Neuromancer auf keinen Fall. Muss es auch nicht sein.

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