Der Zufall kann mich mal von Martin Gülich

Bei Blogg dein Buch sprang mir Martin Gülichs Der Zufall kann mich mal, erschienen bei Thienemann, als Urlaubslektüre sofort ins Auge. Schon der Plot in Kurzform verspricht Witz, leichte Lektüre und dennoch den nötigen Ernst, um ein Buch nicht platt erscheinen zu lassen. Zudem erlauben die 192 Seiten es mir gerade noch so, den Roman für meine August-Liste anrechnen zu lassen.
Tim ist 14 und hat seit einem Fahrradunfall, bei dem er lesen und gleichzeitig fahren wollte (Ironie des Buches an sich: Lesen ist gefährlich), ein steifes Bein. In der Schule bringt ihm das den Spitznamen Ahab ein. Prompt wird Moby Dick zur Hintergrundhandlung, zum sogenannten Leitmotiv der Geschichte. Wer ist der Wal, wer ist Ahab und welcher Kampf macht einen Unterschied? Denn nicht nur, dass Tim sich in das gleiche Mädchen verguckt hat, wie sein bester Freund. Auch ein alter Bekannter wird plötzlich aktiv, bittet Tim und Hilfe. Wenn Heranwachsende einem Elternteil die Alkoholsucht austreiben wollen, schwankt die Thematik zwischen naiver Heiterkeit und todbitterem Ernst.
Doch trotz dieser Doppelthematik schafft das Buch es, erstaunlich zielstrebig zu sein. Intuitiv findet Tim seinen Weg und alles wird gut. Fast zu gut, um wahr zu sein. Naja, fast alles. Aber die wichtigen Dinge sind es doch, die zählen. Wer im Hinterkopf den weißen Wal nicht vergisst, denkt auch über den Schluss hinaus. Daran, dass wenige mit einem Holzbein davon kommen und Sucht Menschen immer wieder einholen kann. Tim fehlt die Reife dafür, Gott sei Dank. Er feiert kleine Erfolge, und übersteht die Niederlagen. Selbstsicher beweist er, dass ein steifes Bein kein Grund für einen Makel ist, selbst wenn es eine körperliche Beeinträchtigung ist. Er ist eigentlich gar nicht anders, nur eben er selbst.
Der Zufall kann mich mal ist kein Adoleszensbuch. Tim wird nicht über den Prüfungen, die das Leben bereit hält, erwachsen. Doch er lernt dazu, seine Figur entwickelt sich, und auch die Nebenfiguren kommen weiter. Etwas passiert in diesem Buch, und selbst wenn es nicht ganz so rosig wird, wie gehofft, bleibt der Leser mit dem Eindruck des Sieges zurück. Vom weißen Wal wurde abgelassen, es gibt noch Hoffnung.
Das Buch ist herzlich amüsant geschrieben, der Stil leicht und flüssig, mit interessanten Vergleichen und Metaphern, die individuell für Tim gemacht zu sein scheinen und sich wunderbar in die Welt des Buches einpassen. Selbst der Erwachsene kommt ins Grübeln, kann die Welt mit anderen, vielleicht naiveren, vor allem aber frischeren Augen sehen. Eine Wohltat. Die grausame Realität des Alkoholismus ist dann auch nicht verharmlost dargestellt, es geht zur Sache. Der Antrieb aber, etwa zu ändern, er ist jugendlich energisch und der Erfolg vielleicht etwas zu viel Erfolg. Das Resümee am Ende wirkt für mich dagegen etwas fahl, der Abschluss eines Buches, dass keine Zusammenfassung gebraucht hätte. Bücher können auch einfach enden, ohne dass jede Figur eine Zukunftsvision bekommt. Zu oberen, leichten Thema der Jugend passt es aber.
Ein gut zu lesendes Buch, das es schafft, sich einem ernsten Thema ungewöhnlich locker zu nähern und die Augen schärft, dabei den satirischen Blick auf die Welt aber nicht vermissen lässt, der zu einem erholsamen Lesegenuss dazu gehört.

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