Mit anderen Worten: Ich – Tamara Ireland Stone und der Halt von Gedicht

Das Cover von Mit anderen Worten: Ich zeigt eine Schreibmaschine, aus der ein Streifen Papier steigt. Das Buch liegt auf einem Notizbuch, in das ein Gedicht geschrieben wurde, auf einem Holztisch, oben sieht man Tannenzweige

Ehrlich, der Magellan Verlag hat mich noch nie getäuscht. Ich könnte mich tagelang in deren Programm verkriechen, mich in die Bilderbücher verlieben und die Jugendbücher, eines nach dem anderen, in die Hand nehmen, ohne mich entscheiden zu können, welches ich lieber mag. Mit anderen Worten: Ich von Tamara Ireland Stone ist wieder einmal der Beweis dafür, dass wer besondere Jugendliteratur sucht bei Magellan auf jeden Fall fündig wird. Danke für mein Rezensionsexemplar. Als Jugendroman übrigens ein typisches „Frauengenre“ und damit perfekt für #WirlesenFrauen.

Sams Angst vor den Worten

Sams Gedanken sind ihre Feinde. Sie sind mächtig und zwingen sich ihr auf. Sam entwickelt Obsessionen und kann ohne Medikamente nicht schlafen. Aber obwohl sie bereits seit Jahren wegen ihrer Zwangsstörungen in Behandlung ist, wissen ihre besten Freundinnen nichts davon. Dort herrscht ein toxisches Machtgefüge aus Druck, Erwartungen und Oberflächlichkeiten, aber auch eine gemeinsame Vergangenheit und Halt. Als Sam Caroline trifft, ändert sich vieles in ihrem Leben, denn Caroline führt sie in die Dichterecke, wo Sam sich ihren eigenen Dämonen stellen muss. Den Worten in ihrem Kopf und den Fehlern, die sie begangen hat.

Das Cover von Mit anderen Worten: Ich zeigt eine Schreibmaschine, aus der ein Streifen Papier steigt. Das Buch liegt auf einem Notizbuch, in das ein Gedicht geschrieben wurde, auf einem Holztisch, oben sieht man Tannenzweige
Mit anderen Worten: Ich ist eine Liebeserklärung ans Dichten

Die Autorin hat eng mit Betroffenen zusammen gearbeitet, das wird schnell klar. Einfühlsam und authentisch zeigt sie, wie Sam ihren eigenen Gedanken misstraut und welche Kraft sie dennoch haben. Aber auch die Dynamik von Beziehungen im Teenageralter ist glaubhaft und intensiv in ihrer Darstellung. Sam liebt ihre Freundinnen, die Gruppe verbindet so viel. Gleichzeitig weiß sie, dass es Probleme gibt, Machtspielchen und Elemente, die ihr schaden. Im Laufe der Entwicklung stellt sie sich diesen Hürden, ohne dass der Roman hier unglaubwürdige Wendungen produziert.

Zwischen Zeilen und direkt am Text

Ich lese Sam als bisexuell. Vor allem die Nähe zu Caroline, die im Buch nochmal anders aufgelöst wird, ist da für mich entscheidend. Es gibt zwei Szenen, die sich sehr ähneln. In der einen besucht Caroline Sam, in der anderen Sam den Schlüsselwart der Dichterecke. An beiden Stellen geht es um Nähe und Vertrauen, um die Sehnsucht nach der anderen Person. Nach beiden Besuchen werden emotional aufgeladene Gedichte geschrieben. Auch die Art, wie Sam Caroline beschreibt ist sehr intensiv. Gleichzeitig ist diese Interpretation insofern vage, dass es nie thematisiert wird, was ich hier auch gut finde, weil es so viele andere Baustellen für Sam und die anderen Figuren gibt.

Die Dichterecke ist der Gegenentwurf zu ihrer Clique. Auch dort hält sie ihre Probleme geheim, gibt aber trotzdem durch ihre Gedichte sehr viel von sich preis. Sie stellt sich dort einer Schuld, die sie lange begleitet hat, und kann sie überwinden. Ja, dort gibt es auch einen romantischen Part, der für Sam auch wichtig ist, der Kernhandlung aber weder im Weg steht noch sie dominiert. Im Zentrum stehen immer Sam und die Worte, die sie innerlich so sehr belasten und in den Gedichten einen Weg nach außen finden.

Liebeserklärung ans Dichten

Nicht zuletzt nämlich ist der Roman auch eine Liebeserklärung ans Dichten und Schreiben. Die fantastische Welt der Worte und wie Sprache auf sich selbst Bezug nehmen kann, wird eingewoben. Auch die Vielfältigkeit dabei und die unterschiedlichen Inspirationsquellen treten immer wieder auf. Für mich, als Mensch, der Sprache liebt und die Großartigkeit von Literatur gleich mit, ein wahres Fest.

Die große Überraschung im Roman ist eine, die ich erst kurz vor der tatsächlichen Enttarnung erkannt habe. Sie ist inhaltlich wie für Sams Entwicklung so umfassend und erzählt gleichzeitig eine ganz andere Geschichte mit, was Mit anderen Worte: Ich noch eine weitere Komponente schenkt. Nicht zuletzt wird im Roman, in dem es auch um depressive Zustände, Sich-selbst-verstellen und Ausgrenzung geht, nichts romantisiert. Trotzdem umfasst der Roman auch Momente der Vergebung und des Glücks. Ein großartiges Buch, nicht nur für Jugendliche.

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