Als ich gesehen habe, das der liebe Knaus Verlag eine Grafik Novel übers Studieren herausbringt, war ich ganz aus dem Häuschen. Einer meiner Lieblingsverlage und ein Thema, dass mich als Doktorandin unmittelbar betrifft. Studiers du noch oder lebst du schon? von Tiphaine Rivière, die ihre eigene Promotion zugunsten des Zeichnens abgebrochen hat. Übersetzt hat die 184 Seiten, die praktisch noch druckfrisch sind, Mathilde Ramadier.
Von der Schule an die Uni
Jeanne Dargan ist unzufrieden mit ihrem Leben als Lehrerin. Da kommt es ihr gerade recht, dass sie als Doktorandin zugelassen wurde. Enthusiastisch stürzt sie sich zurück in die Uni, ohne Stipendium und Job. Ihr berühmter Doktorvater stellt sich als Egomane heraus, die Institutssekretärin lebt nach dem Motto, wer arbeitet verliert und auch das Unterrichten an der Uni läuft nicht so, wie Jeanne sich das erträumt hat. Außerdem liegt ihr ihre Familie schnell damit in den Ohren, wie lange so eine Promotion denn braucht und was danach eigentlich kommt. Fragen, auf die auch Jeanne keine Antwort weiß.
Die Inhaltsangabe zeigt es deutlich, es geht hier weniger um ein Studium, als eine Promotion. Jeanne geht selbst nicht in Seminare, sondern gibt welche. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Gleichzeitig schlittert Jeanne aber gerade darum in die Lethargie des eigenverantwortlichen Lernens und Schreibens. Niemand sagt ihr, was sie zu tun hat, das muss sie schön alleine herausfinden. Und schnell zeigt sich, dass so eine Arbeit gar nicht so einfach zu organisieren ist. Von wegen einfach nur schreiben.
Verständnisprobleme
Immer wieder gibt es in der Grafik Novel Zeitsprünge von mehreren Jahren. Dadurch geht durchaus etwas verloren. Jeanne wird von der euphorischen Neudoktorandin zur lethargischen Dauerpromovierenden. Überall sieht sie sich darum angegriffen. Beziehungen, Freundschaften, Familie – Jeanne schafft es einfach nicht, ihre Promotion da auszuklammern und von ihrem Privatleben zu trennen. Ein wichtiger Punkt, der auf viele Promotionssituationen zutrifft. Wer sich tagein tagaus mit einem Thema beschäftigt, dem fällt es schwer, über etwas anderes zu reden. Und der Unwille der Mitmenschen wächst.
Jeanne versteht nicht und wird gleichzeitig missverstanden. Gleichzeitig kann die Dissertation nicht die erste Rolle in ihrem Leben spielen, weil sie Geld verdienen und arbeiten muss, um die Promotion überhaupt zu finanzieren. Keine leichte Situation, die auch an Jeanne ihre Spuren zeigt. Nun ist dieses Grafik Novel aber keinesfalls ein schwarzgezeichnetes Manifest gegen Promotionen. Viel mehr arbeitet es die schwierigen Punkte gelungen komödiantisch ab. Etwa wenn Jeanne nackt in ihrer Wohnung die tiefen Fragen ihrer Dissertation zergrübelt, oder wenn ihr Doktorvater ihr sinnlose Antworten auf ernste Fragen liefert. Ein bisschen schwarzer Humor, durchaus, aber er sitzt.
Promotion als Zwischenhölle
Dass Jeanne ihr Ziel erreicht, ist ein fragliches Ergebnis. Immerhin zeigt Studierst du noch oder lebst du schon anhand befreundeter Doktoranden die Lage auf dem wissenschaftlichen Arbeitsmarkt – miserabel. Auch die Aussichten, was mit der Promotion am Ende anzufangen ist sind eher ernüchtern – im Grunde nichts. Promovieren, das zeigt sich aber, muss mit Leidenschaft und Durchhaltevermögen angegangen werden. Es ist keine schnelle Sache und eine, die das Leben so vereinnahmt, dass die Frage berechtigt ist, ob ein Doktorand denn noch studiert oder schon lebt. Eine Frage, die Jeanne jedenfalls nicht beantwortet.
Die als Zwischenhölle zugespitzte Situation jedenfalls ist makaber, aber amüsant. Heillos übertrieben, und gerade dadurch im Bann des Sarkasmus auf die Realität ausgerichtet. Die Zeichnungen passend und gerade in ihren Eigenheiten stark. Nicht beschönigend, sondern wie die Geschichte realistisch, sarkastisch, amüsant. Ein Buch, das jedem Promovierenden und allen im Uni-Betrieb Freude machen wird.