Lyrik in der Einführung Literaturwissenschaft

Vergangene Woche kam die Einführungsveranstaltung, die ich mit betreue, zum Thema Lyrik. Epik und Drama waren abgearbeitet und der Dozen wollte sich „das Schwierigste“ bis zum Schluss aufheben. So schwierig ist die Lyrik aber gar nicht. Tatsächlich ist sie sehr einfach gestrickt und so schön assoziativ und mit viel Interpretationsspielraum belegt, dass es richtig Spaß machen kann, zu überlegen, was wohl gemeint sein könnte. Denn was gemeint ist, weiß am Ende nicht mal mehr der Autor selbst.

Alles und Nichts
Was ist Lyrik? (Foto: Counselling/pixabay.de)
Was ist Lyrik? (Foto: Counselling/pixabay.de)

Eine Definition von Lyrik lässt sich nicht erstellen, jedenfalls keine, die wirklich alle Eventualitäten umfasst, die bei Gedichten zu auftreten. Erstens der Reim. Dass der nicht sein muss, wissen wir nicht erst seit der konkreten Poesie oder Ernst Jandl. Auch die Formulierung, Lyrik sei „Einzelrede in Versen“ kann so nicht stehen bleiben. Zwar gibt es meist nur ein lyrisches Ich, aber auch Dialoggedichte und die bereits erwähnte konkrete Poesie, bei der von Vers und lyrischem Ich keine Rede sein kann. Auch Strophen – übrigens eher „neumodisch“ – und Versmaß ist kein Muss, auch wenn wir gerade an solche Elemente denken, wenn wir Lyrik hören. Allen Gedichten aber zugehörig ist die Tatsache, dass eine Verdichtung besteht und ein kurzer Text viel Aussagekraft hat. Die Form – die Ästhetik – des Gedichtes steht über dem Inhalt, den Worten, ergänzt diese im besten Fall, kann sie aber umdeuten und ihnen erst Gewicht verleihen.

Konstruierte Gefühle

Ich sage auch immer gern, dass Gedichte Gefühle ausdrücken. Nun, immerhin erzählen Gedichte nichts. Balladen gehören deswegen strenggenommen zu epischen Texten in Versmaß, aber eben nicht zur Lyrik. Aber dennoch ist ein Gedicht keine unmittelbare Gefühlsformulierung. Dafür braucht mancher Dichter viel zu lange, um alles in Form zu bringen (immerhin ist manche lyrische Form auch gar nicht so einfach zu füllen). Außerdem darf das lyrische Ich nicht mit dem Verfasser gleichgesetzt werden. Das lyrische Ich ist das Äqivalent zum epischen Erzähler und niemals 1:1 der Autor selbst. In der Lyrik kommt es auf jede Wort, jede Formulierung, jede Atempause an. Natürlich ist ein Gedicht da ein Konstrukt – aber meiner Meinung nach durchaus eines, das vor allem Assoziationen und Gefühle anspricht und auch aus diesen entsteht.

Die Geburt des Gedichts
Keine Lyrik ohne Goethe? (Foto: fsHH/pixabay.de)
Keine Lyrik ohne Goethe? (Foto: fsHH/pixabay.de)

Letzte Woche haben wir zur Veranschaulichung ein Gedicht besprochen. Klassischer Weise von Goethe, dem Dichterfürsten schlechthin. Auf dem See ist auf einer Seefahrt entstanden, wurde dann aber von Goethe Jahre danach erst in die Form gepresst, in der wir es heute kennen (so viel zum spontanten Gefühl^^). Ich nerve euch jetzt nicht mit Metren, Verslängen, etc. Nur so viel, wenn ihr mal auf das Gedicht geschaut habt: hier erfährt das lyrische Ich eine Entwicklung. Vom passivem, kindlichen, durch den Busen der Natur getränkten und im Wiegenlied dahingeschunkelten lyrichem Ich wird es durch einen Moment des Erwachens zu einem, das nahezu erkennt. Noch gibt es Nebel und nur Spiegelungen von Tatsachen, aber das lyrische Ich wird zum aktiven Beobachter – insofern das so genannt werden kann – und verliert die Kindhaftigkeit.

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2 Kommentare

  1. Schöne Zusammenfassung! So knapp und zugänglich hätte ich es an der Uni auch gerne mal definiert gehabt 🙂

    1. Ja, nicht? Das große Problem der Wissenschaft: Um den heißen Brei rumreden, statt Klartext. Aber dann müssten sie ja zugeben, dass alles gar nicht so schwer ist …

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