Der #WirlesenFrauen-Neujahrskalender präsentiert euch vom 1.12.2019 bis zum 6.1.2020 63 Autorinnen und ihre Werke. Lernt neue Schriftstellerinnen kennen und findet großartigen Lesestoff! Heute bei mir: die großartige Stella Daleney.
Minderheiten
Schreibtrieb: Liebe Stella, wie schön, dass du heute
hier bist. Bei #WirlesenFrauen geht es darum, Autorinnen mehr Aufmerksamkeit zu
schenken. Wie ist das Verhältnis Autor/Autorin in deinem Bücherregal?
Stella Delaney: Gerne würde
ich sagen ‚ausgeglichen‘, aber insgesamt finden sich in meinem Regal mehr
Autoren (oder besser gesagt, mehr männliche Namen). Das liegt daran, dass ich
als Leserin sehr gerne Spannungsliteratur mag – vor allem Krimi, Thriller und
(psychologischen) Horror. Alles Genre, die als ‚härter‘ und ‚dunkler‘ gelten
und in denen Autorinnen nach wie vor die Minderheit darstellen oder unter
männlichen/neutralen Namen schreiben.
Internationale Autorinnen wie Alma Katsu (The
Hunger) oder Paula Hawkins (Girl on
the Train, Into the Water) und deutschsprachige Selfpublisherinnen wie Mika
M. Krüger, Katrin Ils, Nora Bendzko oder Tanja Hanika beweisen zwar bereits,
dass Frauen düstere Spannung ganz hervorragend schreiben, generell würde ich
mir aber noch mehr Anerkennung und Förderung wünschen, gerade auch von Leser-
und Verlagsseite.
Schreibtrieb: Ja, darauf hoffe ich auch und dazu sollen meine Aktionen rund um #wirlesenFrauen auch einen zumindest kleinen Teil beitragen. Welche Autorin bewunderst du denn?
Stella Delaney: Ich bewundere viele Autorinnen. Mary Shelley zum Beispiel, weshalb Frankenstein auch in meinem dystopischen Roman erwähnt wird, oder jede der vorher genannten Autorinnen, die sich in einem ‚männlich konnotierten‘ Genre behaupten.
Aber einen ganz besonderen Platz nimmt sicher Margaret Atwood ein. Das mag nach der erfolgreichen Serienverfilmung, den viele Auszeichnungen (u.a. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels) und der an der diesjährigen Frankfurter Buchmesse prominent präsentierten Fortsetzung ihres berühmtesten Romans keine Überraschung sein, aber bei mir ist es darüber hinaus eine sehr persönliche Verbindung. Handmaid’s Tale (Der Report der Magd) war eins meiner Lieblingsbücher im Englischstudium und hat meine Liebe zu Dystopien so richtig entfacht – der Grund, warum ich heute selbst in diesem Genre schreibe. Atwoods Buch ist nicht nur intelligent, durchdacht, mitreißend und tragisch, es führt uns auch deutlich vor Augen, wie schnell sich unsere Welt in eine dystopische verwandeln könnte.
Alles nach Plan?
Schreibtrieb: Und es stellt die Frage, inwieweit wir vielleicht schon auf dem Weg dorthin sind. Wie läuft das bei dir? Schreibst du nach Plan?
Stella Delaney: Ich bewege ich mich da ziemlich genau in der Mitte zwischen Planen und Spontanität – geordnetes Chaos, sozusagen.
Am Anfang steht natürlich das Planen und Plotten, denn brauche ich unbedingt ein gutes Gerüst, auf dem ich aufbauen kann. Ich muss sehen, dass meine Geschichte aufgeht; dass sie einen interessanten Anfang hat, ein passendes Ende, sowie viel Spannung und Drama dazwischen. Als glühende Perfektionistin liebe ich diese Bauphase und verliere mich schon mal in Namenslisten, Bildersuchen und beim Durchklicken vielversprechender Links. Daher muss ich dann irgendwann den Schritt machen und drauflos schreiben, sonst verzettele ich mich und plane ewig weiter.
Beim Schreiben ist mir dann das erstellte Gerüst eine Orientierungshilfe, aber niemals ein absoluter, unumstößlicher Fahrplan. Denn plötzlich beginnt sich einiges zu formen und zu verändern. Szenen kommen hinzu oder werden gestrichen, Figuren entwickeln ein Eigenleben. Wenn mich die Geschichte einmal so richtig gepackt hat, dann lässt sie mich nicht mehr los. Mir kommen dann unter der Dusche oder im Bus auf dem Weg zur Arbeit neue Ideen, oder ich springe kurz vor dem Einschlafen nochmals aus dem Bett, um einen Plot-Twist oder ein lange gesuchtes Detail zu notieren. So geordnet mein System am Anfang gewirkt haben mag, jetzt ist es eher „ein bisschen hier, ein bisschen da“ – das Ganze entsteht erst nach und nach.
Daher gehe ich beim Schreiben zwar grundsätzlich chronologisch vor, aber es kann sein, dass ich eine aktuelle Szene überspringe, wenn ich so gar nicht weiterkomme (mit Notizen wie: „Schlägerei einfügen“ oder „hier passiert dann etwas ganz Schlimmes“). Oder ich habe eine spätere Szene so deutlich und lebendig vor Augen, dass ich sie einfach sofort schreiben muss.
Wie gesagt, mein Schreiben ein kreatives, dynamisches Chaos – aber innerhalb gewisser Grenzen.
Schreibtrieb: Kreatives, dynamisches Chaos klingt in
meinen Ohren richtig gut. Was ist dein Lieblingsgetränk für kalte Wintertage?
Stella Delaney: Generell mag
ich warme Getränke immer lieber als kalte und habe eine große Schwäche für Tee
und Kaffee. Im Winter liebe ich ganz besonders Milchkaffee mit Gewürzen wie
Zimt, Kardamom oder Nelken (so in die Richtung Pumpkin Spice Latte), oder Tee
mit Apfel-Zimt Geschmack.
Winterliebe
Schreibtrieb: Was ist, passend dazu, deine liebste
Winternascherei?
Stella Delaney: Da ich in
Franken aufgewachsen bin, ganz klar Lebkuchen; am liebsten die klassischen
Elisen mit Schokoladenüberzug. Gefolgt von Stollenkonfekt (Marzipan-Stollenstückchen,
mit Puderzucker oder Schokolade) und Spekulatius. Habe ich erwähnt, dass ich
den Winter liebe? 😉
Schreibtrieb: Woran schreibst du gerade?
Stella Delaney: Im Moment habe
ich zwei Projekte, an denen ich abwechselnd schreibe und überarbeite. Das eine
ist eine Mischung aus Dystopie, Mystery und Romance, die in derselben Welt
spielt wie Das Leuchten am Rande des
Abgrunds, allerdings an einem anderen Ort und mit ganz anderen Protagonisten.
Das andere ist dem Bereich Historical Fantasy zuzuordnen und erzählt die
Geschichte eines ehrgeizigen jungen Adeligen, der einen Mordfall aufklären
muss, um seinen beschädigten Ruf wiederherzustellen – und sich dabei zunehmend
in Intrigen verwickelt. Ich lasse mich selbst überraschen, welches 2020 zuerst
fertig wird.
Di Stimmen
Schreibtrieb: Dann dürfen wir uns ja auf Nachschub
von dir freuen. Welches ist deine liebste Figur aus deinen Büchern?
Stella Delaney: Ganz schwere
Frage, denn ich habe zu allen meinen Figuren ein sehr enges Verhältnis. Ich
lache und leide mit ihnen; und irgendwann entwickeln sie ein echtes Eigenleben.
Dann treffen sie nicht nur Entscheidungen, die so gar nicht geplant waren,
sondern kommentieren auch meinen Alltag. Kein Witz, ich höre regelrecht ihre
Stimmen und gebe diese Kommentare manchmal sogar weiter. Gute Autorenkolleginnen
und -kollegen hatten schon die Freude, mit meinen Figuren plaudern zu können.
Gott sei Dank finden die das in der Regel witzig, nicht verrückt. Es ist wohl
wie E.L. Doctorow sagte: „Writing is a socially acceptable form of
schizophrenia.”
Eine besondere Schwäche habe ich übrigens für charismatische, manipulative
Figuren mit dunklen Geheimnissen (klassisches ‚chaotic neutral‘ im Alignment
System), aber auch für Charaktere mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt und
starker Loyalität.
Schreibtrieb: Wir sind schon wieder am Ende. Danke, Stella, dass du mitgemacht hast. Zum Schluss kommen noch meine Assoziationsfragen.
Sofa oder Sessel: Sofa (am besten mit Buch und Katze)
Märchen oder Thriller: Thriller (als Leser stehe ich total auf Spannung)
Stern oder Mond: Stern (offensichtlich – Stella = italienisch oder
lateinisch für Stern)
Heizung oder Kamin: Kamin (es geht nichts über ein knisterndes Feuer)
Lila oder Orange: Lila (meine zweite Lieblingsfarbe nach Blau; Orange mag
ich dagegen gar nicht)
Seht ihr das Leuchten?
Ihr könnt heute ein Print von Das Leuchten am Rande des Abgrunds in eurem Wunschformat gewinnen. Bei Stella findet ihr eine Leseprobe, die sich lohnt! Eine Rezension zum Roman könnt ihr bei The Booted Kat finden. Außerdem hat Stella Delaney selbst euch einen tollen Beitrag zu den Hintergründen ihres Romans geschrieben. Faszinierend und er macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Verratet mir bis zum 06.01.20 ob ihr auch das kreative Chaos lebt oder es bei euch strikt nach Ordnung gehen muss. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Klappentext:
Eine Stadt, die sich in
trügerischer Sicherheit wiegt.
Ein Konzern, der seine wahren Absichten verschleiert.
Zwei Außenseiter, die nichts mehr zu verlieren haben.
Und nur sieben Tage, um die Wahrheit herauszufinden.
Seit Sam von seiner Freundin verlassen wurde und kurz darauf seiner Ersatzfamilie – einer Widerstandsgruppe – den Rücken gekehrt hat, verläuft sein Leben einsam und eintönig. Doch das ändert sich, als er einer geheimnisvollen Fremden das Leben rettet und sie bei sich aufnimmt.
Alexis liebt Geschichten, weigert sich, über ihre Vergangenheit zu sprechen und zeigt Anzeichen einer mysteriösen Krankheit. Um ihretwillen nimmt Sam wieder Kontakt zu alten Bekannten auf und erfährt dabei, dass eine Katastrophe bevorsteht, die unzählige Menschenleben kosten könnte. Zögernd willigt er ein zu helfen und entwickelt einen riskanten Plan, der ihn schon bald mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Während die Zeit unbarmherzig verrinnt, muss Sam erkennen, dass er nichts und niemandem wirklich trauen kann – am allerwenigsten sich selbst.