Der #WirlesenFrauen-Neujahrskalender präsentiert euch vom 1.12.2019 bis zum 6.1.2020 63 Autorinnen und ihre Werke. Lernt neue Schriftstellerinnen kennen und findet großartigen Lesestoff! Heute bei mir: Sarah König, die kaum 30 Bücher besitzt.
Dreißig Bücher
Schreibtrieb: Liebe Sarah, wie toll, dass ich dich heute im #WirlesenFrauen Neujahrskalender begrüßen darf. Wie ist das Verhältnis Autor/Autorin in deinem Bücherregal?
Sarah König: Wir Frauen überwiegen. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich kaum 30 Bücher besitze. Damit steche ich in meinem AutorInnenumfeld heraus, glaube ich – jedenfalls höre und sehe ich sonst immer meterlange Regale und dutzende Bücher. Und ich bin ganz stolz, dass ich viele der Autorinnen persönlich kenne.
Was auch viel über meine angesammelten Bücher aussagt.
Schreibtrieb: Kannst du uns trotzdem das Buch einer Autorin empfehlen?
Sarah König: Da ich im NaNoWriMo beobachten konnte, wie Band 3 wächst, und ein Riesenfan bin, empfehle ich ganz klar Franka Rubus‘ Die Blutgabe und Unberührbar – Die Blutgabe.
Band 3 soll in 2020 erscheinen und beendet endlich laaanges Warten.
Also, Die Blutgabe. Franka Rubus. Großartige Charaktere, eine wissenschaftliche, nachvollziehbare Herangehensweise an die in der Fantasywelt von beinahe allen geliebten Vampire – ganz ohne Glitzer, dafür mit unheimlich viel Gefühl.
Diskriminierungen
Schreibtrieb: Wurdest du als Frau schon einmal diskriminiert?
Sarah König: Leider. Mir als übergewichtigen Frau geschieht das, meiner Ansicht nach, schon oft. Blicke, Äußerungen. Man schafft sich ein dickes Fell an, lernt, das zu ignorieren. Soweit es geht.
Und dann beruflich … erst dieses Jahr auf eine Art und Weise, die mir wohl immer im Gedächtnis bleiben wird.
Das Schlimmste daran war, dass ich dachte, wir Frauen wären zumindest in essentiellen Punkten solidarisch.
Ich habe nach Bekanntwerden meiner Schwangerschaft im April meinen Job (über eine Zeitarbeitsfirma) bei einem Kunden verloren, der mich von heute auf morgen rausgeschmissen hat. Natürlich war die Schwangerschaft angeblich nicht der Grund, doch die Zeitarbeitsfirma konnte und wollte da nicht recht entgegensteuern – ich wollte unter diesen Umständen aber auch nicht noch acht Wochen bis zum Vertragsende beim Kunden bleiben.
Ich hatte mich in der Sache meiner Ansprechpartnerin/Vorgesetzten anvertraut, die mich bat, bei nächstmöglicher Gelegenheit mit dem Chef zu sprechen – was ich selbstverständlich vorhatte. Es stand immerhin meine Übernahme in den Betrieb zum Juli an, von der ich mich (so realistisch muss ich als Frau in der freien Marktwirtschaft sein) bereits verabschiedet hatte. Statt das aber abzuwarten, meldete mich die Kollegin am nächsten Tag ab, ohne mir das am Vortag irgendwie anzudeuten; dann hätte ich mich wenigstens darauf vorbereiten können.
Dieses unehrliche und heuchlerische Verhalten hat mich wirklich schockiert.
Zitrusnote
Schreibtrieb: Oh ja, von Diskriminierungen, die ich als Schwangere erleben musste, kann ich auch ein Lied singen.Leider wird das nicht weniger, wenn du erst Mutter bist, im Gegenteil. Darauf einen Schluck Tee. Was ist dein Lieblingsgetränk für kalte Wintertage?
Sarah König: Ein fruchtiger Tee mit Zitrusnote oder ein süßer Kaffee.
Schreibtrieb: Was ist dein Patentrezept für Weihnachtsstimmung?
Sarah König: Im Weihnachtsfall: Deko. Und Musik! Wie eigentlich zu allen Gelegenheiten muss die Musik stimmen. Nein, nicht Wham – die Klassiker. Und die richtige Beleuchtung.
Schreibtrieb: Was inspiriert dich im Winter?
Sarah König: Der Winter selbst. Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang gibt, aber als Winterkind ist mir alles zwischen den letzten kühlen Frühlingstagen und den ersten goldenen Herbsttagen zu warm. Ich mag die Sonne, ich mag die Sonne aber vor allem im Winter. Wenn ich mit kalter Nasenspitze spazieren gehe, mein Atem sich vor meinem Gesicht in weiße Wölkchen verwandelt, es drinnen wärmer ist als draußen und ich wohlig erschaudere, wenn ich zuhause reinkomme. Sobald dann die Lichter in der Stadt aufgehangen werden, fängt für mich die Zeit an, in der ich mich richtig, richtig wohl fühle.
Schreibtrieb: Woran schreibst du gerade?
Sarah König: Ich schreibe derzeit an einem Erotikroman, den ich unter
Pseudonym veröffentlichen will. Außerdem habe ich mich derart in meine
Charaktere aus einer Science-Fiction-Kurzgeschichte verliebt, dass ich immer
mal wieder über sie und weitere Geschichten nachdenke. Für mich ist das auch
Teil des Schreibprozesses – zu überlegen, was ich mit Figuren anstellen kann.
Wo sie reinpassen.
Schreiben ist hochschwanger allerdings eine Herausforderung. Vermutlich gelingt
mir wirkliches Arbeiten erst wieder ab dem kommenden Frühjahr.
Diversität
Schreibtrieb: Ja, ich konnte in meiner letzten Schwangerschaft im Schnitt ungefähr zwei Stunden am Computer sitzen. Damals habe ich Tropfen der Ewigkeit veröffentlicht. Wie wichtig ist dir Vielfalt in deinen Geschichten?
Sarah König: Wichtig. Aber es muss zur Geschichte passen. Ich kann und werde nicht auf Teufel komm raus Diversität schreiben. Wenn es sich einbinden lässt, ohne dass es aufgesetzt wirkt, und ich die Figuren nachvollziehbar gestalten kann – weil sie einfach so sind und nicht weil sie so sein müssen – dann schreibe ich auch weiterhin von allen wunderbaren Licht- und Schattengestalten, die die Fantasywelt und die echte Welt so reich und glücklich machen.
Schreibtrieb: Liebe Sarah, danke für deine Zeit. Ich wünsche dir noch schöne letzte Schwangerschaftstage, eine komplikationslose Geburt und viel Freude mit deinem Baby. Zum Schluss noch ein paar Assoziationsfragen von mir.
Mit Sahne oder ohne: Mit Sahne
Heiße Schokolade mit Marshmallows oder Eis mit Karamell: Heiße Schokolade mit Marshmallows
Sofa oder Sessel: Sessel
Stern oder Mond: Mond
Decke oder Kissen: Kissen
Reinlesen
Gleich könnt ihr in Sarah Königs Roman reinlesen. Flammengarde ist ein Roman für junge Erwachsene; ein feuriges Abenteuer mit einem Funken Romantik und ihr könnt ihn heute gewinnen. Verratet mir bis zum 03.01.20 was nicht fehlen dürfte, wenn ihr nur 30 Bücher hättet.
Klappentext:
Angriffe aus der Steinwüste bedrohen das Königreich Rogdan, und nur die lebenden Flammen, die Mädchen und Frauen der Flammengarde, können sie in Schach halten. Rahel, die Kronprinzessin, ist eine von ihnen.
Gegen eine Bedrohung von innen allerdings kann sich auch die mächtigste aller Flammen nicht wehren. Rahel wird verschleppt. Einmal mehr muss sie jetzt beweisen, dass sie ihr Feuer beherrscht – und erkennen, dass der Tod manchmal mehr Gnade in sich trägt, als es scheint.
Leseprobe:
Denaz holte sie aus ihren Gedanken, als er eindringlich weitersprach: „Die anderen sind neidisch, Rahel. Auf deine Herkunft, deine Position, deine Fähigkeiten. Na und? Lass sie doch grün anlaufen – warum nimmst du dein Schicksal nicht als das Geschenk an, das es ist? Du bist die erste und vermutlich einzige Kronprinzessin, die vor einem Kampf nicht von ihrem überbesorgten Vater im Kleiderschrank versteckt wird. Du wirst die erste Prinzessin sein, die nicht ein langweiliges Leben hinter dicken Mauern zu befürchten hat. Eine Prinzessin –“
„Die nie den Mann öffentlich lieben darf, dem sie ihr Herz geschenkt hat“, unterbrach Rahel und sah Denaz fest in die Augen.
Ihr Krieger schluckte hart.
Sie verletzte ihn mit diesen Äußerungen, das wusste sie. Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen, kaum, dass die erste Silbe ausgesprochen war. Warum war Denaz ausgerechnet der Hauptmann ihres Vaters?
„Du haderst schon länger nicht mehr nur mit deinem, sondern auch mit meinem Leben, spielst mit unser beider Schicksal“, sagte Denaz ruhig, nachdem sie einige Minuten geschwiegen und einander nur angesehen hatten.
Rahel drängte den Kloß herunter, der langsam wie eine Schnecke ihren Hals empor gekrochen war, und blinzelte die Tränen weg, die ihre Augen zu füllen begannen. „Es ist nicht Recht … Es könnte so einfach sein.“
„Du bist und bleibst die Prinzessin, Rahel.“ Liebevoll fuhr Denaz seiner Liebsten über die Wange, verstrich ihre Tränen auf dem glühenden Rosa ihres Gesichts. „Lass Feuer Feuer sein und mach mich zu einem einfachen Bauern, und selbst dann würde sich nichts ändern – deinen Stand kannst du nicht aus der Gleichung nehmen.“
„Mein Vater-“
„Dein Vater vertraut mir, und ich werde dieses Vertrauen nicht verspielen. Wir können unsere Liebe miteinander teilen, aber nur zu diesen Bedingungen.“
Jedes Mal endete es mit Denaz’ eindringlichen Worten, die keinerlei Widerrede oder weiterführende Diskussion zuließen.
Rahel gab auf – wie immer. Und dieses Mal auch tatsächlich für immer.
„Wenn ich dich nur heimlich lieben darf, muss es mir reichen. Solange ich dich nur nicht verliere“, flüsterte sie. Als sie das feine Lächeln sah, das Denaz’ Lippen zierte, schloss sie die Augen und beugte sich vor, ihn zu küssen.
„Rahel!“
Wie zwei ertappte Sünder fuhren sie auseinander. Denaz war schneller auf den Beinen, als Rahel überhaupt begreifen konnte, dass jemand sie gerufen hatte. Warum musste immer jemand ihr Beisammensein stören? Es war zum verrückt werden!
Sie richtete sich langsam auf, strich ihre Kleider glatt, warf Denaz einen letzten Blick zu, erhaschte ein knappes Lächeln und wandte sich dann der heranstürmenden jungen Frau zu.
„Rahel!“, rief diese noch einmal, bevor sie schwer atmend vor der Prinzessin zu stehen kam und die Hände auf die Knie stützte. Rahel beugte sich vor, um ihr ins Gesicht sehen zu können.
„Donhia, was ist los?“
Denaz war, von ihrer Haltung alarmiert, wieder nähergekommen, und jetzt bemerkte auch Donhia ihn. „Oh, Hauptmann – gut, dass ihr hier seid! Ein Angriff!“
Rahel konnte einen Laut der Überraschung nicht unterdrücken. „Was?“
„Ein Angriff … der Palast … Wir wissen nicht, wie …“
„Aber es gab keinen Alarm-“
„Wir sahen sie, gerade als wir aus dem Wald kamen. Mussten sie umgehen, sie halten direkt auf das Tor zu!“
Rahels Blick flog von Donhias Gesicht zu Denaz und zurück, bevor sie hochfuhr, die Fäuste ballte und losspurtete. Denaz brüllte, rief ihr irgendetwas hinterher, doch Rahel achtete nicht darauf und stürmte weiter.
Vater …
Dünne Äste peitschten ihr ins Gesicht, als sie durch den Wald hastete. Hinter sich hörte sie Denaz‘ Fluchen und das keuchende Atmen Donhias. Holz splitterte, als Denaz mit seiner eindrucksvollen Gestalt durch das Unterholz brach. Rahels Vorsprung nahm noch weiter zu.
Vater …
Der Wald lichtete sich, Rahel flog beinahe durch die letzten Baumreihen auf das Stadttor zu.
Frauen und Kinder, die den Markt vor der Außenmauer besucht hatten, rannten hektisch durcheinander. Rahel stieß mehrfach mit panisch umherirrenden Menschen zusammen. „Lauft! Begebt euch in die Schutzräume! Lauft!“, schrie sie jedem zu, doch Hoffnung, dass ihre Stimme die Menschen in ihrer Panik erreichte, hatte sie wenig.
Schnaufend holte Denaz zu ihr auf. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er seine Arme seitlich leicht angehoben hatte, die Klingenstäbe locker in den Händen.
Donhia war nicht zu sehen. Keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
„Ruf die Garde“, fauchte Denaz ihr zu und wechselte die Richtung. Rahel sah ihm kurz nach, sah, dass er geradewegs auf die irritiert dreinblickenden Wachen zulief, die am Tor standen und offensichtlich nicht wussten, wie sie reagieren sollten. Dort wurde der Hauptmann gebraucht. Gut so. Sie hatte eine andere Aufgabe. Rahel wandte sich zum Haus der Flammen.
Geschickt wich sie weiteren flüchtenden Menschen aus, rief immer wieder, dass sie Schutz hinter dem Wall suchen sollten. Würde die Garde ihr Feuer freigeben und sollte auch nur einer von ihnen ein Fehler unterlaufen, wäre das feuerfeste Gestein der Bunker der einzige Schutz des Volkes. Einen Moment durchzuckte Rahel die Frage, warum Donhia die Alarmglocke nicht geläutet hatte. Doch ihr blieb keine Zeit, darüber nachzudenken.
Sie passierte schnellen Schrittes eine kleine Seitenpforte in der Palastmauer und beeilte sich, das Haus der Flammen zu erreichen. Gerade als sie die Tür aufstoßen wollte, kam jemand heraus.
„…heilend. Wir versuchen noch, Genaueres herauszufinden. Aber wir sind eindeutig auf dem richtigen Weg.“
Rahel hielt sich nicht lang mit Höflichkeiten auf, sondern unterbrach den Heiler mit einem energischen Schritt, der sie zwischen ihn und Lavja brachte.
„Rahel!“ Lavja hielt sie fest und wechselte einen kurzen Blick mit dem Mann.
„Lavja“, keuchte Rahel. „Schnell, wo sind die anderen – wir werden angegriffen!“
„Was?“ Lavjas Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass die Wachen bisher ebenfalls keinen Alarm geschlagen hatten und dass die Panik der Menschen noch nicht bis hierher vorgedrungen war.
„Wir werden angegriffen!“, wiederholte Rahel hastig. „Sammle die Garde, ich schlage Alarm! Wir treffen uns vor den Toren des Palasts!“ Rahel drehte sich um und spurtete davon. Auch wenn Lavja die Erste der Garde war, musste Rahel jetzt selbst die Verantwortung übernehmen!
Vor dem Turm der Alarmglocke bremste sie überrascht ab. Das grobe Seil am Turm, welches den Wachen am Boden dazu diente, Alarm zu schlagen, die große Glocke in Bewegung zu setzen, war nicht mehr da. Kein Wunder also, dass weder die Krieger noch Donhia das Volk gewarnt hatten. Rahel fluchte lautlos und rannte um den Turm herum, direkt in Denaz’ Arme.
„Rahel, was tust du noch hier?“
„Ich habe Lavja Bescheid gegeben. Sie wird die Flammen vor den Toren sammeln. Ich wollte Alarm schlagen, aber-“
„Das Seil, ich weiß. Ich habe bereits zwei Männer in den Turm geschickt und-“
Das tiefe Dröhnen der Alarmglocke Rogdans unterbrach Denaz. Rahels Blick flog zu der massiven Form, die hoch über ihren beiden Köpfen schwang und die Bevölkerung warnte. Hastig löste Denaz sich von ihr und brüllte Befehle. Die Männer rannten zu ihren Posten. Innerhalb weniger Augenblicke war der Platz wie leergefegt.
Jetzt eilten auch die Flammen Rogdans herbei. Bevor Rahel zu ihnen konnte, zog Denaz sie noch einmal fest an sich. „Ich liebe dich“, flüsterte er und küsste sie schnell auf den Mund.
„Ich dich auch“, antwortete sie heiser und schenkte ihm ein letztes Lächeln.
Dann ließ er sie los, und gemeinsam rannten sie zu der Verteidigungslinie, die sich soeben formierte.
Die Mädchen und Frauen der Garde standen in zweiter Reihe hinter den Wachen. Rahel beobachtete Denaz, der wie ein angespannter Tiger vor seinen Männern hin und her marschierte.
Die schweren Flügeltüren der Tore hinter der Verteidigungslinie wurden geschlossen. Die Krieger positionierten sich, um den notwendigen Abstand zwischen sich und die lebendigen Fackeln zu bringen.
Rahel sah unverwandt zum Hauptmann. Mochten die anderen denken, was sie wollten. Auch, wenn es eigentlich Lavjas Aufgabe war, den Hauptmann der Wache zu beobachten, auf sein Zeichen zu warten und die Garde in die Schlacht zu führen. Die Männer würden den Abstand zu ihnen noch vergrößern, um den größtmöglichen Schutz vor ihrem Feuer zu haben.
Lavjas Stimme erklang leise, und doch so klar und deutlich, dass sie nicht überhört werden konnte. „Macht euch bereit!“
Rahel riss sich von Denaz‛ Anblick los und lief ein Stück weiter nach rechts. Sie wusste von den Übungen, dass Denaz sich meistens links von der Gruppe hielt. Sie wollte ihn nicht versehentlich mit ihrem Feuer rösten, weil er etwas zurückblieb, und sie ihren Blick und somit ihre Macht auf ihn konzentrierte. Verärgert registrierte sie, dass die Männer vor ihr noch mehr Abstand zu ihr hielten, als die übrigen Wachen zu den anderen Flammen Rogdans.
Rahel biss sich auf die Lippen. Sie selbst hatte vor wenigen Augenblick noch befürchtet, Denaz zu verletzen. Wie konnte sie also den Männern ihre Vorsicht übelnehmen. Selbstvertrauen, schalt sie sich stumm. Nein! Sie würde nicht einen der Verbündeten ansengen – Rahel wusste, mit ihrer Gabe umzugehen. Vielleicht war es an der Zeit, dass ihre Mitstreiter lernten, dass Vertrauen in ihre Kronprinzessin angebracht war.
„Achtung!“ Denaz‘ Stimme fegte wie eine grobe Lederpeitsche über die Formation. Sofort konzentrierte sich die Flammengarde und beschwor das Feuer.
Die Hitze stieg unmittelbar vor den Mädchen und Frauen aus dem Erdreich. Der Boden flimmerte. Die weite Ebene vor dem Palast schien zu glühen. Rahel kniff die Augen zusammen und fühlte, wie ihre Finger warm wurden, das Feuer sammelten, bis ihre Fingerkuppen zu glühen begannen.
Krachend riss die Erde in einiger Entfernung vor der Verteidigung Rogdans mehrere Fuß lang auf. Ein gigantischer Felsformer brach aus dem Boden.
Götter, dachte Rahel, wurde ihrer Überraschung aber schnell Herr. Funken stoben auf, als ihr das Feuer aus den Fingerspitzen brach und die Hände in Flammen setzte.
Wohlige Wärme umhüllte Rahel. Dieses Gefühl war einmalig. Nur in den innigsten Stunden mit Denaz kam sie auch nur annähernd an dieses berauschende Gefühl der Vollkommenheit heran. Ihre Liebe zu Denaz war eine andere Art der Einheit. Das Feuer an ihren Händen, das jetzt langsam auf ihre Arme überging und sie nach und nach komplett einhüllte – dieses Gefühl der Vollständigkeit war anders. Intensiver. Tiefgehender. Atemberaubend. Absolute Geborgenheit.
Der Abstand der anderen Gardistinnen untereinander vergrößerte sich. Immer wieder sah Rahel eines der Mädchen einen Schritt vortreten, nur um gleich darauf wieder zurück zu weichen, wenn ihre Flammen unkontrolliert hochschlugen. Nicht jede beherrschte ihr Feuer so wie Rahel und Lavja. Die Männer in ihrer aller Nähe liefen beständig Gefahr, von einem weniger beherrschten, lebendigen Feuer überrannt zu werden. Nicht heute, schwor sich Rahel.
Denaz hatte abgewartet, bis die Flammengarde ihr Feuer beschworen hatten. Nun zog er seine Waffen. Die Klingenstäbe hingen scheinbar in völliger Entspannung an seiner Seite, sodass deren Spitze gerade eben den Boden berührte. Dann richtete er seinen Blick auf den Felsformer, und seine Männer taten es ihm nach. Rahel atmete tief durch.
„Felsformer!“ Denaz’ Stimme schallte über die Ebene.
Das groteske Wesen vor ihnen, das mit schweren Schritten langsam näherstapfte, verzog die lehmverkrusteten Steinlippen zu einem monströsen Lächeln. „Mensch“, antwortete er herablassend.
„Habt ihr immer noch nicht gelernt, dass es sich nicht für euch lohnt, Rogdan anzugreifen? Hattet ihr noch nicht genügend verbrannte Kämpfer, Witwen und Waisen zu beklagen?“
Für einen Augenblick war es ganz still.
Dann sprach der Erdkoloss. Ruhig und als könne ihn nichts erschüttern, und als wäre sein Wunsch so harmlos wie ein Hundewelpe. „Wir wollen die Prinzessin.“
Was? Rahels Kopf ruckte hoch. Sie musste sich verhört haben.
Denaz stimmte in das Lachen seiner Männer ein. „Ich will auch so viel. Was bringt euch dazu zu glauben, dass ihr herkommen und sie euch nehmen könnt?“
Mit einem dröhnenden Schrei stampfte der Felsformer auf den Boden. Ein Riss, der geradewegs auf Denaz zulief, klaffte auf und brach die trockene Ebene entzwei. Kleinere, aber noch immer große Felsformer und im Vergleich winzige Felslinge stoben aus ihrem unterirdischen Versteck und warfen sich den Männern vor den Toren Rogdans entgegen.
„Feuer!“, rief Lavja, und die Flammengarde entließ ihre mörderische Macht.