Meine Hauptaufgabe für den September hat etwas auf sich warten lassen. Der Umzug und dass ich das Buch an meine Mutter verliehen hatte, ließen mich die 384 Seiten von Walter Moers‘ Der Schrecksenmeister gerade noch im letzten Moment beenden.
Walter Moers ist mir einer der liebsten deutschen Autoren, der mit Zamonien ein magisches Reich erschaffen hat, in dem Blaubären, Lindwürmer, Wolpertinger und andere Sagengestalten leben. Sein Buch Der Schrecksenmeister hat mir ganz besonders Freude gemacht, denn anders als bei Rumo ist hier kein hundeähnliches Tier Held der Geschichte, sondern die Kratze Echo, die sich äußerlich von einer Katze nicht unterscheiden lässt. Doch Echo ist unsagbar intelligent, versteht jede Sprache Zamoniens und lernt in Sekunden. Als sein Frauchen stirbt muss er einen Vertrag mit dem gefürchteten Schrecksenmeister eingehen, der ihn einen Monat mästen und danach auskochen will, um an sein Fett zu kommen, dass er für ein wichtiges Experiment braucht. Zunächst ist Echo froh, einen Monat im kulinarischen Schlaraffenland gewonnen zu haben, anstatt sofort zu verhungern, doch nach und nach dämmert ihm, dass es noch andere Gründe gibt, den Schrecksenmeister Eißpin davon abzuhalten, ihn umzubringen, als nur das eigene Leben. Gleichzeitig lernt er bei Eißpin Alchemie und entdeckt die erstaunlichsten Kreaturen. Auch das Geheimnis, wie der Alchemist so grausam und verrücktgeworden ist, eine tragische Liebesgeschichte, lüftet Echo. Um Eißpin aufzuhalten wendet sich Echo an die letzte Schreckse der Stadt, denn alle anderen hat der Schrecksenmeister erfolgreich vertrieben. Selbst verliebt in ihren Gegner, stimmt sie zu, Eißpin per Liebestrank von seinem Wahn zu lösen und Echos Leben zu retten. Doch ein Schrecksenmeister, der sich gegen ein bisschen Schreckserei nicht zur Wehr setzten kann, wäre kein Schrecksenmeister. Die ungewöhnlichsten Wesen kommen Echo mehr oder weniger freiwillig zu Hilfe und auf mehr als eine Weise wird dabei sein Leben bedroht.
Moers Zamonien ist eine Welt, auf der ein Schriftsteller nur neidisch sein kann. Die Detail und Feinheiten, die wiederkehrenden Sagen und Figuren, die alle Geschichten miteinander vereinigt – nicht zuletzt der große Hildegunst von Mythenmetz, der als Autor des Buches ausgegeben wird (siehe das Nachwort), wobei Moers selbst zum Übersetzter wird, sind geniale Erfindungen. Alles ist durchdacht, aufeinander abgestimmt und passt ins Bild. Die Metaphern und Analogien sind darauf abgestimmt, souverän, innovativ und dennoch sofort zu verstehen. Immer wieder gibt es Neues zu entdecken und anfänglich voraussehbare Wege werden unerwartet umgestaltet. Im Grunde geht es bei Moers dabei immer um die Liebe, die als großer Antrieb und Prinzip fungiert. Dahinter entdeckt der aufmerksame Leser aber vor allem die Liebe zur Literatur und Sprache. Wortspielerein, Neuschöpfungen, die auf schon bekannte Charaktere verweisen (Kratze – Katze, Schreckse – Hexe, etc. ), ein Mischung aus Gewohntem und Neuem. Moers kennt seine Sprache und zieht den Leser über sie in eine Welt, die nur auf den ersten Blick so anders ist als die unsrige. Absolute Leseempfehlung und Hunger nach mehr Moers!