Den Ball weiterspielen – Tiffany Dufu

Ein Buch mit interessanter Botschaft hat Tiffany Dufu in Den Ball weiterspielen – Warum Frauen weniger von sich und mehr von anderen erwarten sollten geschaffen. Übersetzt wurde der Originaltitel Drop the Ball von Stefanie Retterbusch für die deutsche Erstveröffentlichung im Dezember 2017 bei btb. An der Stelle danke an den Verlag und das Bloggerportal für mein Exemplar.

Den Ball weiterspielen

Eigentlich mache ich um Ratgeber und Erfahrungsberichte von Frauen und Mütter privat einen Bogen – für meine Dissertation muss ich mich ja zur Genüge damit befassen. Weil ich mich dort in erster Linie mit deutschsprachigen Veröffentlichungen beschäftige, wäre mir Den Ball weiterspielen fast durch die Lappen gegangen. Vor allem der Untertitel hat mich angezogen. Weniger von sich selbst und mehr von anderen erwarten. Der Satz spricht mich auf eine faszinierende Ebene an.

Wie oft wird von Frauen erwartet, dass sie Mutterschaft und Haushalt, Karriere und Ehrenamt problemlos verbinden. Die Illusion der 50er Jahre Hausfrau im Businesskostüm hat sich irgendwo in den Köpfen festgesetzt. Und gleichzeitig schwirrt da das Wissen, dass es eben nur eine Illusion ist. Mir wird immer mal wieder gesagt, wie bewundernswert es wäre, wie ich Kinder, Dissertation, Schreiben, etc. zusammenhalte. IST ES NICHT. Denn ich mache das nicht allein und ich habe in vielerlei Hinsicht eine Situation, die es mir ermöglicht, das zu tun, was ich tue. (Lest dazu auch gerne mal hier in meinen Artikel über Uni mit Kindern rein).

Eigene Erfahrungen

Gerade hier setzt Den Ball weiterspielen an. Tiffany Dufu berichtet von ihrem eigenen Leben, ihrer eigenen Ehe, ihrer eigenen Mutterschaft. Ein Erfahrungsbericht par excellence. Keine Geschichte. Wer einen ausgearbeiteten Plot braucht, wird vom Leben immer enttäuscht sein. Und am Anfang ihres Berichts steht sie wirklich alleine da. Ihr Mann arbeitet Vollzeit und sie ist mit der Erwartung nach der Geburt ihres Kindes in die Arbeitswelt zurück, dass sie das auch könne, und Haushalt und Kind gleich mit schaukeln. Die dramatische Situation, die Mutter mit zu vollen Stillbrüsten weinend auf der Toilette zu finden, eröffnet das Buch. Der Anfang vom Ende sozusagen, der erschütternde Moment der Einsicht, dass ein Mensch allein nicht die ganze Last der Welt auf den Schultern tragen kann. Auch eine Frau nicht.

Die Leser begleiten Tiffany dabei, wie sie lernt, Aufgaben abzugeben. Das sonntägliche Kochen, verschiedene Planungen, das Sortieren und öffnen der Post. Und dabei zu bleiben. Auch wenn das heißt, dass nach vier Wochen ein Postberg den gesamten Esstisch einnimmt. Der erste und wichtigste Schritt dabei ist der, um Hilfe zu bitten. Und nicht nur um externe Hilfe, sondern auch um die Mitarbeit des Mannes in Haushalt und Kindererziehung. Und dabei deckt die Autorin das Paradox auf, dass viele Frauen sich die Mitarbeit des Partners wünschen – und auch wissen, dass sie sie brauche – sie aber gleichzeitig torpedieren, indem sie alle Aufgaben an sich reißen.

Der Kontrollwahn steht ihnen im Weg und signalisiert gleichzeitig ein Missstand im Vertrauen. Wenn sich Mütter dumme Sprüche anhören müssen, weil die Väter auf die Kinder achten – und das bereits bevor die Kinder überhaupt da sind, wird kategorisch angenommen, dass Männer und Kinder einfach nicht zusammenpassen. Eine idiotische Annahme, die uns anerzogen wird, wie die Stereotypisierung auf Farben, Berufe, Eigenschaften.

Augen öffnen

Auch Tiffany Dufu musste lernen, zu vertrauen. Sie kommt aus einer afroamerikanischen Familie, in der die Mutter Herrin des Hauses war und dort alles im Griff zu haben hatte. Sich und der Welt einzugestehen, dass die alltäglichen Aufgaben alleine nicht zu bewältigen sind, ist extrem schwer – und absolut wichtig. Auch Frauen sind nur Menschen. Menschen sind nicht perfekt. Die logische Konsequenz aber, dass auch Frauen und Mütter fernab jedes Perfektionismus existieren, will in die Köpfe der Mitglieder unserer Gesellschaft genauso wenig rein, wie das in Amerika der Fall ist. Tiffany muss sich diese Erkenntnis schmerzlich erarbeiten.

Auffallend dabei ist: Ihr Mann ist sofort bereit, seinen Teil beizutragen und freut sich sogar, wenn er seine Frau entlasten kann. Indem sie lernt, ihm mehr zu vertrauen, wird sein Selbstbewusstsein in häuslichen Aufgaben gestärkt, die Beziehung der Beiden wird ausgeglichener. Dazu gehört auch, dass Tiffany erkennen muss, dass ihr Gatte keineswegs NICHTS im Haus erledigt hat. Ohne, dass sie es großartig registriert hat, kümmerte er sich beispielsweise um Reparaturen, die Ferienplanung und Darlehensangelegenheiten. Diesen Aspekt fand ich sehr wichtig, denn er zeigt, wie selbstverständlich Tiffany als Ehefrau diese Aufgaben ignoriert hat und damit auch seinen Anteil am gemeinsamen Leben reduziert. Ein gesunder Blick darauf, welche Aufgaben tatsächlich existieren, welche ohne Probleme zu streichen sind und welche wirklich neu justiert werden müssen, ist essentiell für beide Partner.

Einfach mal den Ball weiterspielen: gar nicht so einfach
Zu schön geredet?!

Für meinen Geschmack startete das Buch aus einem Extrem um den Versuch zu wagen, ins andere zu wandern. So ganz klappt es nicht. Auch wenn Tiffany Dufu ihren Werdegang zu einer Frau, die von Arbeit bis Haushalt mit ihrem Mann gleichberechtigt ist, erzählt, dreht es sich allzu oft um die Ausgangsannahme der Frau, alles alleine stemmen zu müssen. Auch wird die Mitarbeit des Mannes gerade am Anfang als „Hilfe“ beschrieben, dann erst kommt das Umdenken zur gleichmäßigen Verteilung der Aufgaben. In vielen kleinen Momenten wird klar, dass die Autorin immer noch den Perfektionismus sucht. Der ist auch mit Partner nicht zu erreichen, weil unterschiedliche Ansichten in den Details existieren. Das wird angedeutet, die mögliche Problematik dahinter aber runtergespielt. Im Ganzen erscheint mit Tiffany Dufus Bericht fast zu rund. Die richtig große Krise bleibt aus und darauf kann sich eben keine*r verlassen.

Da ich und mein Mann ohnehin bereits Haushalt wie Kinder teilen und dennoch bei ersterem viel liegenblieben muss, fand ich das Buch zwar interessant und konnte bei vielen Erkenntnissen der Autorin nur nicken, viel gebracht hat es mir aber nicht. Wer noch vor dem Einzug eines Neugeborenen steht oder merkt, dass in Bereich Aufgabenteilung nicht alles rund läuft, findet hier sicherlich die ein oder andere Anregung.

Ein Manko bleibt für mich am Ende aber noch. Tiffany Dufu und ihr Mann verdienen beide nicht schlecht. Sie konnten sich bis zu Tiffanys zweiter Schwangerschaft ein Kindermädchen leisten und haben dadurch auch andere Möglichkeiten, die Familien mit weniger Geld eben nicht haben. Es wird zwar die Geldfrage thematisiert, aber nie so dramatisch, wie ich das beispielsweise aus eigener Erfahrung kenne. Insofern möchte ich hinzufügen, dass auch der Bericht in der Form nur möglich war, weil die finanzielle Grundsicherung kein Problem darstellte. Das kann nicht jedes Paar von sich behaupten.

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