Das Buch für die Lovelybooks „Let’s read English Challenge“ im August war Blame von Simon Mayo, dessen Beschreibung mich von Anfang an sehr neugierig gemacht hat. 480 Seiten hat der dystopische Thriller, erschienen bei Corgi im Juli 2016.
Ant und ihr Bruder Mattie müssen für die Verbrechen ihres Vaters ins Gefängnis, denn nach einer wirtschaftlichen Depression zieht ein neues Gesetzt Familienmitglieder von Kriminellen zur Verantwortung. Auch die Pflegeeltern der Geschwister werden festgenommen. Im Gefängnis herrscht der machthungrige Grey und Ant, die rebellisch und frech ist, ist ihm ein Dorn im Auge. Als sich die Zustände im Gefängnis zu spitzen, gibt es für Ant und Mattie nur eine Möglichkeit: Flucht. Zusammen mit ihren Freunden kommen sie auf freien Fuß. Doch noch sind sie nicht sicher und Freunde und Familie sind noch immer hinter Gittern. Schnell ist klar, für Ant geht es um mehr, als nur um ihre Freiheit. Es geht um Gerechtigkeit und darum, nicht schuld zu sein.
Ich war von der ersten Seite an begeistert von dem Roman, der in meinen Augen mehr Dystopie als Thriller ist. Die zeitliche Einordnung ist vage, aber nicht allzu weit von unserer Realität entfernt. Da die Geschehnisse, die zur Verhaftung der Geschwister geführt haben, anfangs parallel zur Handlung im Gefängnis erzählt werden, bekommt der Leser auch einen Eindruck vom Vorher und von der Entwicklung, die gerade Ant bereits durchgemacht hat. Sie ist Protagonistin, wird vom personalen Erzähler hauptsächlich fokussiert. Daneben steht ihr Pflegebruder Max, der den Ausgebrochenen zu Hilfe eilt und seine eigene Meinung von der Schuld seiner Pflegeschwester hat.
Der Roman besticht durch eine packende Handlung, die kaum Raum lässt, tief in die unterschiedlichen Figuren hinein zu gehen. Lediglich Ant, Mattie und Max werden länger fokussiert, was aber zur Erzählweise und den Geschehnissen passt. Denn auch Ant kennt im Grunde nur ihren Bruder wirklich und erfährt die Annäherung zu Max im Laufe der Geschichte. Außerdem mag ich es, wenn die Figuren durch ihr Handeln Rückschlüsse auf ihren Charakter zulassen und nicht alles erklärt werden muss. So wird der Leser als Versteher eingespannt.
Die Frage der Schuld wird nicht philosophisch behandelt, sondern ist auch Teil der Geschichte. So wird Ant, die ein Tattoo mit Schriftzug hat, zum „not to blame girl“, was geradezu wegweisend gerade für Ants Verständnis für ihre Situation ist. Auch finde ich das Durchscheinen des Schamkomplexes durchaus gut gemacht. Schuld ist nicht Scham und wird hier auch nicht damit verwechselt. Dass gerade hierbei Deutschland als positives Beispiel verwendet wird, weil es im Buch bei der Inhaftierung von Familien nicht mitmacht, und dabei auf seine Vergangenheit referiert, verstärkt für mich den Eindruck, dass der Autor sich durchaus gut damit auseinandergesetzt hat. Im Rahmen der rasanten Handlung wären aber lange Reden darüber aus meiner Sicht fehl am Platz gewesen. Die Einbettung in den Plot funktioniert dabei flüssig und deutlich.
Ants Entwicklung in der Geschichte ist zwar nicht riesig, aber dennoch deutlich, was mir gut gefallen hat. Sie wird vom immer provozierten und provozierenden Kind zur planenden, berechnenden Figur. Auch die Handlung entwickelt sich vom blutigen Aufstand zur planvollen Handlung, die medienwirksam inszeniert wird. Gut eingesetzt fand ich dabei den Einfluss der Kommunikationsmöglichkeiten für den Widerstand. Hier zeigt der Roman viel Realitätssinn.
Ich fand Blame sehr gelungen und habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Die Handlung war fesselnd und rasant. Dass die Nebenfiguren hier teilweise sehr marginal sind, fand ich im Rahmen des Romans plausibel, die Protagonisten dagegen waren aus meiner Sicht wirklich gut durchdacht. Ein Roman, den ich absolut empfehlen kann!