Der erste Brei-Tag hat etwas Wehmütiges. Das Ende der Stillzeit-Ära ist eingeleitet, Hormonumstellung, die Kleiderwahl ist nicht mehr darauf beschränkt, wie schnell ich meine Brüste herausholen kann, Füttern kann auch Papa/Oma/Opa/der große Bruder. Freiheit? Ja, ein bisschen Freiheit. Für mich wie für das Kind. Und etwas Trennungsschmerz.
Primär rot geschrien hatte sich das zweite Kind, das keinen Brei wollte, dem Löffel misstraute und nur aß, was es in den Händen halten konnte. Banane, gekochte Karotte, Kartoffel, Erbsen, Brezel. Aber Brei? Niemals! Geschrei, Kullertränen. Ich esse meinen Brei nicht, nein, meinen Brei esse ich nicht.
Und darum diesmal das große Zittern. Welcher Brei? Rot oder grün? Schwarz niemals und gelb ist raus. Was bleibt? Süßkartoffel! Orange. Lecker nussig, süß, nicht zu flüssig. Die ganze Familie freut sich. Dampfgegart. Gläschen hatten wir noch nie. Omas alter Thermomix oder der Pürierstab vom Aldi tut’s doch auch. Schnell, bequem, einfrierbar. In Eiswürfelform.
Das Kind, das nie Brei wollte, schreit auf. „Ich will auch, bitte, bitte.“ Zwei Schüsseln auf dem Tisch, also. In eine noch Muttermilch gedrückt. Geschmackssache. Zwei Löffel. Zwei Lätzchen. Das dritte Kind noch bei Oma, sieht nichts, hört nichts, kann nichts wollen. Freiheit? Und dann los, nicht zu viel, kein Haufen, ansetzten, riechen lassen, probieren, rein in den Mund, große Augen, Gesicht verziehen, rausdrücken, wieder rein, runter damit, Löffel leer, Mund auf. Mehr? Mehr! Mehr!
Süße Kartoffel, die keine Kartoffel ist. Trügerische Freiheit, so neu eingeengt. Gibt es das. Freiheit? Wann sind wir schon frei – zu tun, was wir möchten – zu sagen, was wir denken – zu glauben, was wir wollen. Immer? Nein. Trügerisch eben. Eingeengt in Faktoren. Erziehung, Bildung, Kultur, Gesellschaft, Norm. Kein Nagellack für Jungs, aber kleine Mädchen sollen bunt bemalte Prinzessinnen sein. Das Handtuch mit dem Auto ist darum nichts für sie. Und schlank, schlank – oh die Figur. Pass bloß auf mit dem Brei, ja schon mit der Muttermilch.
Freiheit? Tu das nicht, sag sowas nicht, das ist falsch, das ist krank, oh nein, nein, NEIN. Was für eine vorgespielte Freiheit das doch ist. In die ich mein Kind entlasse. In die ich entlassen worden bin. Und doch jeden Tag um mehr Freiheit kämpfe. Weil ich eine Frau bin. Weil ich eine Mutter bin. Weil ich eine von vielen bin, aber eben anders als die anderen. Süßkartoffel. Ein Schritt nur. Ein erster Schritt. Und vielleicht etwas Freiheit gegen eine andere getauscht.
Am Abend, als die Familie die Süßkartoffel, im Ofen mit Käse überbacken, vorgesetzt bekam, auch das dritte Kind Nachschlag wollte, das Zweite alleine mit der Gabel isst, ist der Brei gegessen, jetzt wieder Milch, gierig gesogen, freudestrahlend erwartet. Das ist unsere Freiheit, unsere eigene. Losgelöst.
Hallo Eva-Maria,
Hm, ein sehr spezieller Bericht, den wahrscheinlich/möglicherweise/ohnehin nur Mamas folgen können…augenzwickern…hihi.
Aber egal ich kann es und es ist immer wieder ein kleines Abenteuer….gell..
LG..Karin…