Richtig gefesselt bin ich momentan von Juliane Maibachs Seelenlos-Reihe. Der erste Band, Splitterglanz, ist bereits vor einem Jahr erschienen und hat 319 Seiten.
Gwen erbt von ihrem Großvater einen kleinen Taschenspiegel, einen Rosenkranz und eine Schatulle. Während sie mit der Kiste und der Kette wenig anfangen kann, ist sie von dem Spiegel sofort begeistert. Doch plötzlich findet sich die Studentin in einer fremden Welt wieder. Dort trifft sie nicht nur auf den Einzelgänger Tares, sondern auch auf leuchtende Bruchstücke eines magischen Amuletts. Doch den Splitterglanz kann nur Gwen sehen. Weil Tares das unbedingt braucht und Gwen die Möglichkeit bietet, noch einmal mit ihrem Großvater zu sprechen, ist sie bereit ihm zu helfen. Und ehe sie sich versieht ist sie mittendrin in einem Kampf zwischen Gut und Böse, Vergangenheit und Zukunft, Geheimnissen und der Wahrheit.
Erwachsene Protagonistin: yeah
Was mir von Anfang an gut gefallen hat, ist, dass diese fantastische Geschichte keine Adoleszenzgeschichte ist. Gwen ist erwachsen und steht schon länger auf eigenen Beinen. Da ihre Eltern ohnehin oft beruflich unterwegs sind, gibt es da nur wenig Einflüsse. Gwen ist von Anfang an sich selbst verpflichtet. Die Rückbesinnung auf den Großvater ist darum eher eine Suche nach alten Wurzeln, denn die Beziehung zu ihm war immer nur sehr rudimentär. Diese Identitätssuche wird durch das Eintauchen in die fremde Welt verstärkt. Dort ist Gwen erst einmal ohne Zugehörigkeit.
Interessant fand ich auch, wie selbstbestimmt Gwen vorgeht. Nach dem ersten plötzlichen Eintauchen in die magische Welt ist es ihr freier Wille, sich dort wieder hin zu begeben und die Chance, ihren Großvater noch einmal zu sehen und nachzuholen, was sie bisher versäumt hat, zu nutzen. Dass sie dabei neben Tares noch weitere Begleiter findet, spielt sich zu einer Parallele zu ihrem Studentenleben auf, dass durch drei Freundinnen eingerahmt wird. Dass Gwen ohne Prägung der fremden Welt auf Tares und die anderen trifft, macht sie Vorurteilsfrei.
Erfrischende Sicht
Diesen Umstand finde ich sehr erfrischend. Gwen reflektiert oft und geht durchaus analytisch vor. Sie wirft sich nicht Hals über Kopf in eine Sache, sondern denkt nach. Auch die Liebesgeschichte, die sich in diesem Band langsam entwickelt, ist keine abrupte, alles verzehrende, sondern eine sich realistisch aufbauende. Diesen Umstand finde ich sehr entspannend beim Lesen und trotz kleiner Stolperer habe ich mich Gwen deswegen sehr nahe gefühlt.
Besonders gefallen hat mir, wie vielschichtig der Roman mit dem Gut-Böse-Topos umgeht. Obgleich hier früh eine schwarz-weiß Zeichnung genutzt wird, zeigt sich im Verlauf immer mehr, wie viele Grauschichten es dazwischen gibt. Auch hier ist Gwens unbeeinflusster Blick elementar, der dadurch kann sie die Gesetzmäßigkeiten der Welt infrage stellen und eigene Erkenntnisse ziehen.
Dass Splitterglanz nur der Auftakt einer Reihe ist, zeigt sich aber nicht nur an den sich glaubwürdig und nicht zu rasant entwickelnden Figuren, sondern auch in den Handlungssträngen, die hier bereits angedeutet werden. Dadurch wird das Ende gleichzeitig rund und Anheizer für den zweiten Band.