In nur 256 Seiten neun Geschichten unterbringen und daraus einen Roman machen? Kein leichtes Unterfangen. Doch Daniel Kehlmann hat es geschafft. Seinen Roman Ruhm habe ich (nicht nur) für die Hauptaufgabe im März von Einmal durchs Regal gelesen (ein Buch eines deutschen Autors lesen).
Wie aber klappt das Meisterwerk? Tatsächlich über mehrere Ebenen. Einerseits sind alles Geschichten verbunden. Da ist der Autor, der mit einer neuen Geliebten auf Lesereise ist. Sie sehen ein Plakat eines Schauspielers, der sein Schauspielerdasein in einer anderen Geschichte für das Unbekanntsein an den Nagel hängt. Möglich hat dies erst die Tatsache gemacht, dass ein Mobilfunkanbieter seine Nummer neu vergeben hat. Darum konnte sich ein Unbekannter kurz geheimnisvoll fühlen. Doch auch im Mobilfunkunternehmen geht es rund. Der Chef führt ein Doppelleben, sein Angestellter irgendwie auch.
Denn da ist der nächste Zusammenhang. Es geht immer um Selbstkonstruktion, Selbst-de-konstruktion. Kehlmanns Figuren verlieren sich selbst, sind mit ureigenen Ängsten konfrontiert und finden doch nirgends das Leben, das sie sich wünschen. Wir sind nie zufrieden. Weder als Filmstar, noch als glücklicher Familienvater oder als Frau, die zufrieden auf ihr Leben blicken kann. Immer gibt es ein Aber. Aber, ich will nicht so sein. Aber, ich will nicht sein. Aber, ich will nicht nicht sein.
Jeder und alles steht dabei auf dem Prüfstand. Jeder für sich selbst in seinem Leben, aus dem er ausbrechen will und am Ende doch an sich selbst scheitert. Gerade dabei verlieren sich die Figuren und wissen keinen Halt mehr. Wie kann es etwas Neues geben, wenn wir uns des Alten nicht mehr sicher sind? Und alles um uns herum ist genauso angezweifelt. Unsere Gesellschaft, die sich auf Medien stützt. Selbst Bücher werden enttarnt als Imaginationen, die Hoffnung bieten, beinahe schon sakralisiert werden, aber nicht die Wahrheit liefern können. Doch Film, Telefon, Internet, die modernen Medien unserer Zeit sind Auslöser und gleichzeitig Zufluchtsort. Wenn sie versagen, wo sind wir dann, was sind wir dann? Verschollen, wie die Autorin, die bei der Lesereise vergessen wird und deren leerer Mobiltelefonakku sie stranden lässt. Kein einzelnes Schicksal hätte diese Kritik so prägnant übermitteln können, wie diese neun Geschichten, die zu einer einzigen werden.
Immerhin steht auch darin schon die Frage, ob nicht jeder Roman aus mehreren Geschichten besteht. Nur dass sie nicht hintereinander erzählt werden, wie in Ruhm, sondern miteinander. Was die letzte Frage an das Buch auf wirft: Wo liegt der Ruhm? Beim Autor? Bei den Figuren? Oder gar beim Leser? Vielleicht bei allen zusammen. Oder, was wahrscheinlicher ist, auch dieser Titel ist Teil der Kritik. Kritik am vermeintlichen Ruhm der Medialisierung, der modernen Technik und unserer „zivilisierten“ Welt.