Die Ankündigung versprach einen Roman über die Liebe, wo sie nicht erwartet wird, über die Suche nach etwas Verlorenem, bei der etwas Unbekanntes gefunden wird: Rainbirds von der indonesischen Autorin Clarissa Goenawan hat mich schnell neugierig gemacht. Aber konnte der Roman halten, was er versprach? Danke an den Thiele Verlag für mein Rezensionsexemplar. Das Buch habe ich im Rahmen von #wirlesenfrauen gelesen.
Ren Ishido reist in die Kleinstadt, wo seine Schwester die letzten Jahre gelebt hat. Sie wurde umgebracht und in seinem Wunsch, herauszufinden, wieso und von wem, taucht er ein in ihr Leben. Er ist geradezu obsessiv in seiner Suche nach Anhaltspunkten seiner Schwester, als könnte sie das zurückbringen. Ren wohnt in ihrem Zimmer, nimmt ihren Job an, lernt eine Seite von ihr kennen, die er zu ihren Lebzeiten nicht gesehen hat. Dabei trifft er auch auf eine Schülerin, die ihn fasziniert und die sich langsam, aber sicher, in sein Leben zu schieben scheint.
große Distanz
Ein eigentümlicher Stil, der viel im Jetzt bleibt, selbst wenn er in Rückblenden abdriftet. Vieles wird direkt vermittelt, was durch die Ich-Perspektive noch verstärkt wird. Gleichzeitig ist Ren unnahbar und schwer für mich zu greifen. Diese Kombination hat es mir erschwert, wirklich einzutauchen. Selbst wenn Ren von seinen Gefühlen spricht, bleibt er für mich kalt wie ein Fisch und viele seiner Handlungen konnte ich nicht nachvollziehen.
Auch die Annäherung zu seiner Schülerin hat mich die Distanz zum Roman wahren lassen. Es bleibt bei einem schwachen Versuch und die klare Grenze wird nicht übertreten, aber allein die Möglichkeit, die mehr als einmal zum Greifen nahe wird, hat mich gründlich irritiert. Ob achtzehnter Geburtstag oder nicht, sie ist seine Schülerin. Gepaart mit seiner Fokussierung auf der Schwester, die impliziert inzestuös wird, ist Ren absolut kein Charakter, von dem ich mich durch eine Geschichte tragen lassen möchte.
laute Lücke
Interessant fand ich dagegen die Schwester selbst. Langsam kommt Ren ihrem Leben auf die Spur und sie wird mehr als nur „Schwester“. Die tragische Geschichte dahinter wird aufgedeckt, aber nicht wirklich erzählt. Ein spannender Schritt, weil die Ausmalung und Bewertung der/dem Leser*in überlassen wird. Die vielen Leben die dabei mitbetroffen sind zeigen ein viel größeres Bild, als es im ersten Moment den Anschein hat und das fand ich wirklich gut.
Im Ganzen hat es den Roman für mich nicht gerettet. Die Mischung aus Distanz und Nähe, aus Faszination und Unverständnis hat hier meiner Meinung nach nicht funktioniert. Dass Rainbirds mit Liebe lockt sehe ich als typisches Merkmal bei Büchern von Autorinnen, deren Kern komplex ist und die sich schwierige und ernste Themen ausgesucht haben. Wäre Ren für mich nahbarer gewesen, hätte mir das Buch durchaus sehr gut gefallen können.