Yves Grevet ist für alle Dystopie-Freunde kein Unbekannter. Nun ist er mit Nox, erschienen bei dtv – Reihe Hanser, mit einer neuen Zukunftsversion auf dem Markt, 320 Seiten und seit erstem März zu haben.
Nox – das ist ein Nebel aus Abgasen, der die Welt teilt. Oberhalb der Wolke wohnen die Reichen, deren Kinder nichts von den Armen ahnen, die in der Wolke leben und dort ihre Gesundheit ruinieren. Unten, da leben Lucen, Gerges und ihre Familien, kämpfen ums Überleben – oben, da wohnt Ludmilla, verwöhnte Tochter. Während Lucen und seine Freundin versuchen, ein Baby zu bekommen, um heiraten zu dürfen, hadert Gerges mit seiner vorbestimmten Zukunft in der Miliz und Ludmilla forscht über ihr verschwundenes Kindermädchen nach und will den Menschen unter der Wolke helfen.
Faszinierende Regeln werden hier aufgestellt und zwei unterschiedliche Gesellschaften erstellt, die eines gemeinsam haben, nämlich das Vertuschen der Wahrheit. Die Armen werden als Minderwertig dargestellt und als nötiges Übel für den Wohlstand der Reichen in Kauf genommen. Doch auch unter der Wolke gibt es harte Regeln, um die bestehende Ordnung nicht zu gefährden.
Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Erwachsenen und Kindern. So muss Lucen beispielsweise erst beweisen, dass er mit seiner Freundin kompatibel ist und die beiden Kinder zeugen können, um sie heiraten zu dürfen. Er muss bei seinem Vater und später auch alleine arbeiten, seine Zukunft ist vorgeschrieben und faktisch schon im Beginnen. Dagegen ist Ludmilla noch das behütete Mädchen mit Kindermädchen, dass sich zwar zum Ausgehen schick ansehen soll, gleichzeitig aber ständig überwacht wird.
Es ist der stille Zweifel, der in jedem von ihnen zu keimen beginnt. Der Zweifel, den jeder von uns kennt.
Der Stil ist dabei (zumindest in der Übersetzung) grotesk simpel. Kurze, einfache Sätze, denen mitunter die Nähe zum jeweiligen Ich-Erzähler fehlt (es gibt drei). Dafür werden die anderen Figuren dabei wesentlich lebensechter dargestellt. So wirkt Lucen, wenn er selbst erzählt, etwas fern, alles durchdenkend, emotionslos, der trostlosen Situation, in der er sich befinden, durchaus angebracht. Sobald aber Ludmilla oder Gerges von ihm berichten, ist er lebhafter, impulsiv. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Bild der Figuren, mit denen sich der Leser dadurch identifizieren kann.
Die Geschichte bietet etwas. Der Plot ist wirklich spannend und fesselnd. Die unterschiedlichen Handlungsstränge laufen zusammen und trennen sich wieder. Was in einem angefangen wird, bringt oft der andere zum Ende oder erweitert das bereits Bekannte zumindest. Es Mosaik also, das der Leser nur langsam überblicken kann.
Gesellschaftlich und psychologisch finde ich das Buch sehr interessant. Den Wunsch, dass alles bestehen bleibt, selbst wenn dadurch auch das eigene Ich nieder gestellt ist, finde ich sehr gut getroffen. Für Ludmilla, die von oben herab schaut (ist nun mal so), ist es leicht, die Situation der Ärmeren zu verurteilen und etwas dagegen tun zu wollen. Lucen dagegen kennt seine Welt nicht anders und hat zu Anfang auch gar keine Ambitionen, etwas zu ändern.
Wie different allein durch den Geburtsort Lebenserwartungen und Möglichkeiten sind, ist auch ins unserer Welt erschreckend. So hebt uns der Autor den Spiegel vor und bringt uns zum Nachdenken.
Hm, ich liebe solche Geschichten!!
LG..Karin..