Bei Lovelybooks habe ich bei der Leserunde zu Tanja Rasts Sammlung Morgentau & Abendreif mitgelesen. 101 Seite kurz sind die vier Geschichten zusammen, erschienen beim Verlag Ohneohren im Juli 2016.
Vier fantastische Geschichten hat die Autorin hier zusammengetragen. Von einem alten Mönch, der seiner Schülerin einen letzten Gefallen erweist. Und von zwei Kindern, die den Regeln der Erwachsenen trotzen und eine Ungerechtigkeit ausbügeln wollen. Es gibt einen Dieb, der einen Dieb jagt. Und einen alten Lord, der einem Geist begegnet.
Während die erste und die letzte Geschichte der Sammlung thematisch sehr nahe beieinanderliegen, gehen die zwei mittleren eher eigene Wege. Dabei ist die zweite Geschichte auch oder gerade für Kinder gut geeignet. Die Sprache, der Stil, alles passt sich hier an, ohne langweilig zu werden. Grundsätzlich ist der Stil malerisch, aber gekonnt. Hin und wieder schwankt er etwas und muss sich erst wieder fangen. Die ersten zwei Geschichten sind da deutlich stärker und die unterschiedlichen Ausprägungen und Themen finde ich spannend zu beobachten.
Auch Spannung steckt in allen vier Episoden, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Während die Kindergeschichte schlicht etwas gemütlicher ist und die letzte Geschichte einfach etwas gesetzter, ist die dritte Geschichte schon von der Handlung her spannend und gefährlicher. Am stärksten fand ich aber die erste Geschichte, der Handlung mit Rückblenden unterbrochen wurde, die aber immer die Intention des Protagonisten verstärkt haben. Mehrwert kam auf. Der letzte Clou wurde zum Ende gelüftet und die Geschichte erstrahlte in einem ganz anderen Licht.
Ich war etwas irritiert, als die letzte Geschichte sehr ähnliche Strukturen hatte wie die erste. In so einer kleinen Sammlung fällt das leicht auf. Zwar war die Umsetzung anders, die Parallelen aber unübersehbar, so dass in mir gleich die „Schema“ Warnblinkanlange hochfuhr. Ja, durch die Ähnlichkeit wurde ein Rahmen geschaffen, ob das so aber sinnvoll gelöst war, bleibt zu bezweifeln.
Während mir die erste Geschichte wirklich gut gefallen hat, hat mir in den übrigen einfach das gewisse Etwas gefehlt. Am ehesten kam noch die zweite Geschichte an das Niveau der ersten heran, aber eine Kindergeschichte lässt sich schlecht mit einer gut durchdachten Geschichte für Erwachsene vergleichen. Auch hier frage ich mich, ob die Zusammenstellung der Sammlung so gelungen ist. Ja, es zeigt sich viel können der Autorin, Vielfalt in Stilebenen und Themen. Zu große Unterschiede gerade in der Zielgruppe finde ich aber unglücklich. Die anderen Geschichten sind schlicht nichts für Kinder und die zweite Geschichte fällt dann einfach aus dem Rahmen.
Die Sammlung hat also ihre Höhen und Tiefen, ist aber auch keine vergeudete Lesezeit. Die Autorin beweist Stil und hat vier Geschichten geschaffen, die durchaus lesenswert sind.