Bei The Little Old Lady Who Broke All the Rules von Catharina Ingelmann-Sundberg dachte ich zuerst, es reitet einfach nur Lady-like auf der Welle des Hundertjährigen. Immerhin 461 Seiten, die sich zwischendurch auch mal ziehen, hat der Roman, der in Schweden spielt.
The little old Lady Who Broke All the Rules heißt Martha, lebt in einem Altenheim und ist mit der Welt unzufrieden. Schuld daran ist die neue Heimleitung, die immer weniger in die Lebensqualität der Bewohner investiert. Wie eine Gefangene fühlt Martha sich, dabei lernt sie aus einer Dokumentation, dass selbst Gefängnisinsassen es besser haben – anständige Mahlzeiten, Frischluft, wenn auch hinter Mauern, Beschäftigungsprogramme und noch mehr. Kurzerhand entscheidet sie, dass es doch besser wäre, im Gefängnis zu leben. Jetzt muss sie ihre vier Freunde nur noch auf die selbe Idee bringen. Zunächst versuchen die fünf Mitglieder der „Pensioneres Gang“ sich an den Schließfächern eines hotelinternen Spas. Der Diebstahl gelingt, die Ausbeute ist unter aller – nun ja. Etwas mehr muss her, etwas, für das sie auch wirklich ins Gefängnis gehen. Warum nicht ein Museums-Raub, nur dass das Museum wie bei einer Entführung Geld für den Wiedererhalt der Bilder zahlen muss. Auch diese Idee geht zunächst auf. Bis die Hälfte des Geldes einem Sturm zum Opfer gefallen zu sein scheint und ein Zimmermädchen die gestohlenen Bilder nichtsahnend austauscht. Mehr und mehr verstrickt sich der Fall und erst, nachdem sie sich selbst stellen, gelangen die fünf älteren Freunde auch wirklich ins Gefängnis, das sich als weniger angenehm herausstellt, als zuvor gedacht. Während ihrer Verbrechertage haben die Senioren aber Luxusluft geschnuppert und plötzlich wollen sie alle wirklich Geld stehlen, das Gefängnis aber auslassen. Dabei sind ihnen die Polizei und die jugoslawische Mafia auf den Fersen.
Das Buch trumpft anfangs mit Klischees auf. Die armen alten Leute, die sich selbst nicht zu helfen wissen (warum keiner auf die Idee kommt, das Altenheim zu wechseln, ist mir schleierhaft) und so weltfremd sind, dass sie das Gefängnis als angenehmen Ort interpretieren. Nach und nach reifen aber die Charaktere und damit auch die Geschichte selbst. Die Handlung wird strukturierter, obwohl mehr Figuren dazu kommen. Dabei erzählt der Roman keine alte Geschichte nach, sondern begleitet die Protagonistin durch ihre neu angefangene Verbrecherkarriere. Ein wenig Romantik spielt auch eine Rolle, selbst wenn das nach der abgesessenen Zeit im Gefängnis wieder sehr – fast zu sehr für den vorangegangenen Teil – in den Hintergrund rückt.
Die größte Gemeinsamkeit mit dem Hundertjährigen ist dann doch, dass die Autorin Senioren als Protagonisten einsetzt. Sie kritisiert damit aber gängige Klischees (auch wenn sie sie teilweise selbst bedient) und tatsächlich werden die Figuren durch Übungen und Sport mit der Zeit wieder beweglicher und kräftiger. Eine große Hauptaussage des Romans aber ist: Geld regiert die Welt, und zwar in jedem Alter. Eine leider meist zutreffende Aussage, die hier zwar humoristisch angegangen wird, dabei aber nichts von ihrem eher negativen Grundton verliert.
Mitunter verliert der Roman auch seinen roten Faden, etwa wenn die alten Herrschaften über dies oder das sinnieren, was wohl auflockernd daher kommen soll, aber manchmal auch in unpassenden Situationen geschieht und die Spannung unnötig abflauen lässt.
Ihr seht, ein zwiespältiges Urteil. Gerade das Ende hat mir gut gefallen, die letzten 100 Seiten ließen sich sehr flüssig lesen und die Geschichte fesselte mich um einiges mehr, als der Anfang oder die Zeitüberbrückung im Gefängnis, die nur teilweise später noch wichtig wird. Die Idee ist jedenfalls gut und auch gelungen umgesetzt. Krimifreunde oder alle, denen der Stil des Hundertjährigen oder auch des im Ikea-Schrank reisenden Fakirs gefallen hat, kommen hier wohl am meisten auf ihre Kosten. In deutscher Sprache ist der Roman als Wir fangen gerade erst an erschienen, ich habe ihn allerdings in Englisch gelesen. Der Folgeroman The Little Old Lady Who Struck Luck Again erscheint übrigens im Dezember.