Von I kisses Shara Wheeler hatte ich einiges gehört, gelesen und gesehen, bevor ich es gelesen hatte. Eine queere Young Romance Geschichte, soviel wusste ich. Und eine zwischen zwei weiblichen Figuren. Versteht mich nicht falsch, ich liebe Heartstopper von Alice Oseman und habe im letzten Sommer Camp – Queerfeldein führt auch ein Weg von L.C. Rosen verschlungen, aber ich habe regelrecht darauf gewartet, solche Geschichten auch mit Frauenfiguren zu lesen. Darum habe ich direkt zugegriffen, als es den Roman von Casey McQuiston bei NetGalley gab. Danke auch an Droemer Knaur für mein Rezensionsexemplar.
Sharas Rätsel
Shara Wheeler ist verschwunden. Eigentlich sollte Chloe sich darüber freuen, denn Shara war seit ihrem Umzug in die Kleinstadt in Alabama ihre Rivalin. Die Tochter des Schulleiters, die bis dahin immer Klassenbeste gewesen war. Doch dann kam Chloe, Tochter zweier Mütter und selbst queer, unangepasst wie es im Buche steht und dabei auf dem Weg Jahrgangsbeste zu werden. Eigentlich sollte Chloe sich freuen, dass diesem Ziel nun niemand mehr im Wege steht. Doch Shara ist nicht einfach verschwunden.
Zum einen ist das der titelgebende Kuss, der Chloe nicht loslässt. Warum hat Shara sie geküsst, was hat das zu bedeuten? Und wieso hat sie für Chloe, ihren festen Freund und ihren Nachbarn Briefe hinterlassen, die eine Spur bilden. Chloe will einfach nur das Rätsel lösen und wieder auf Kurs kommen. Dabei entdeckt sie mehr, als sie geahnt hatte.
Erwartungen und mehr
Sind wir ehrlich: Manche Plotelemente sind nicht so geheimnisvoll, wie sie gerne wären. Ich ahnte am Anfang, wohin der Roman führt. Dass er dabei einer Rätselspur folgt, Irrwege und andere Überraschungen bereit hält, erzeugt aber ein großes Lesevergnügen.
Auch das Ende hat mehr zu bieten, als der erste Gedanke vermuten lässt. Ich kenne viele Lesende, die keine Geschichte mehr mit Coming Outs als zentralen Teil lesen wollen. Chloe ist bereits out, ihre Mütter verheiratet, andere Figuren auf unterschiedlichen Abschnitten des Selbstfindens, in unterschiedlichen Bereichen. Dazu passt das Setting einer Highschool natürlich ideal.
Entwicklungen bei Chloe und Shara
Gerade unter den aktuellen Entwicklungen in Amerika finde ich auch die Gedankengänge und Entscheidungen einiger Figuren sehr interessant und passend. Wie lange kann man sich selbst verleugnen, nur um den Schein zu wahren? Wie viel mehr sehen die Menschen um uns herum? Wie fragil ist das Konstrukt einer Welt, in der „Anderssein“ in jeder Form ausgeblendet wird?
Gleichzeitig ist Chloe manchmal schwer zu ertragen. Sie ist egozentrisch und in vielen Momenten arrogant gegenüber ihren Mitmenschen. Dass auch sie einiges zu lernen hat und Entwicklungen durchmacht ist sehr befriedigend für mich beim Lesen gewesen. Die Mischung aus erfüllter Erwartung, neuen Entwicklungen, ernster Thematik und humorvollem Umgang damit war sehr unterhaltsam. Vielleicht kein Lieblingsbuch, aber durchaus eines, das ich empfehlen kann.