Bereits ein paar Mal hatten wir es versucht – immer ging irgendwas schief. Nun habe ich es endlich doch einmal geschafft bei einer Blogtour von Literaturschock mitzumachen. Und gleich zu einem wirklich genialen Buch – vielen Dank an Suse und den Verlag. Die Science Fiction Geschichte Omni von Andreas Brandhorst ist bei Piper erschienen und hat mich wirklich gefesselt. Nachdem Cindy euch gestern das System des Raumschiffes vorgestellt hat, werfe ich heute einen Blick auf das Motiv der Apokalypse. Morgen geht es direkt bei Suse mit einem „Open Stage“-Bericht weiter.
Was heißt eigentlich Apokalypse?
Das Wort selbst kommt aus dem Griechischen. Apokálypsis bedeutet so viel wie „Enthüllung“, in der christlichen Thematik wird auch gerne der Begriff „Offenbarung“ verwendet. Das klingt erst einmal wenig schrecklich und erinnert auch nicht an Naturkatastrophen oder den Weltuntergang. Trotzdem ist Apokalypse genau das. Laut Bibel kommt es zum ultimativen Kampf zwischen Jesus und den Mächten der Finsternis. Die Zeit soll demnach enden, ein Weltgericht alle bestrafen, die gesündigt hätten. Apokalypse meint aber weit mehr, als „nur“ den Weltuntergang.
Tatsächlich besteht eine Apokalypse im Grunde aus drei Teilen: Es gibt eine „schlechte“ Welt, es erfolgt eine radikale Umorientierung, eine neue „gute“ Welt kann entstehen. Eine Utopie also. Wir kennen die Apokalypse aber meist als Untergangsszenario oder die große Gefahr, die es zu verhindern gilt. Eine seltsame Zwischenstellung mag dabei die Dystopie einnehmen. Selbst entstanden aus einer Katastrophe spielt sie doch in einer negativ gezeichneten Realität, die durch eine radikale Veränderung zu einem Neuanfang gebracht werden soll.
Deine Welt und meine Welt
Dass sich unser Verständnis vor allem auf den Mittelteil mit der radikalen Umorientierung bezieht, ist dabei nicht das einzige Verständnisproblem der „Apokalypse“. In der Regel wird eine Apokalypse auch global verstanden, zumindest aber für die menschliche Rasse geltend. Genauso gut kann sie aber auch nur für eine Gruppe funktionieren oder gar nur für einen einzigen. Eine persönliche Apokalypse ist also durchaus möglich. Die Apokalypse ist damit nicht nur ein typisches Motiv für fantastische Literatur und Science Fiction, sie kann genauso gut in anderen Büchern mit radikalen Entwicklungen ausgemacht werden. Nicht zuletzt bleibt der Tod in der Vorstellung, dass es etwas danach geben wird, die radikalste Apokalypse überhaupt.
Formen des Neuen
Natürlich wäre es langweilig, wenn dabei immer alles gleichermaßen funktionieren würde. Viele Werke verstehen sich darauf, allein die Geschichte der Veränderung zu erzählen. Weltuntergangsszenarien, bei denen am Ende eine Auswahl an Menschen überlebt, die den Aufbau einer neuen Gesellschaft schaffen können. In manchen Fällen wird auf die Menschheit ganz verzichtet. Sie vergeht und die Umstrukturierung erlaubt der Welt sich ohne den homo sapiens zu entfalten. Auf persönlicher Ebene entspricht die Apokalypse dann einem kompletten Neuanfang. Alles auf Null, am besten ohne Verbindung zur Vergangenheit. Und dass die vermeintlich positive Endentwicklung nur temporär ideal ist, das haben die Schreiber schon entdeckt. Auch Andreas Brandhorst.
Omni und Ego – Alle und Ich
In Omni finde ich das Apokalypse-Motiv deswegen so faszinierend, weil es überall mitschwingt und dennoch in den wenigsten Momenten wirklich ausfüllend ist. Zeitlich spielt der Roman in einer Welt, in der die Erde verlassen ist, ihre Koordinaten vergessen, sie aber theoretisch bewohnbar ist. Die Menschheit ist nicht zerstört, sondern hat sich lediglich weiterentwickelt. Trotzdem bleibt die „verlorene Heimat“ ein Sehnsuchtspunkt. Ein verlorenes Paradies. Da ist es nur bezeichnend, dass Zinnober so den Planeten nennt, den sie zu Beginn des Romans verlassen muss.
„Die Erde, legändere Heimatwelt der Menschheit, seit Jahrtausenden verloren und vergessen. Als Kind hatte Forrester davon geträumt, sei irgendwann zu finden. Er hatte sich vorgestellt, wie er sie betrat und sich auf ihr bückte, wie er die Erde der Erde zwischen seinen Fingern fühlte.“ (Andreas Brandhorst, Omni, S. 23-24)
Aurelius dagegen stammt von der Erde, ist dort aufgewachsen und hat dort seien ureigenen Apokalypsen erlebt. Die radikalste Veränderung hat er aber durch seine Zusammenarbeit mit Omni erfahren, der legendären Zivilisation, die überall ihre Finger mit im Spiel hat. Aurelius‘ Körper wurde verändert, seine Lebenszeit nahezu unendlich verlängert. Doch dafür musste er alles zurücklassen.
„‚Hier endet Ihr altes Leben‘, sagte der Inper. ‚Ein neues beginnt dort, gleich. Er deutete auf die blaue Linie der Kontinua-Brücke, die einige Meter entfernt auf sie wartete. […] Stille folgte diesen Worten. Lukas‘ Blick strich über die alten Bücher in den Regalen, die staubigen Fenster und die ernsten Gesichter der Porträts. Jenseits der alten Bibliotheksmauern erstreckte sich eine Stadt, die man ‚ewig‘ nannte. […] ‚Einer fehlt‘, sagte der Inper sanft. Lukas holte tief Luft. ‚Ich heiße Lukas Jaylen Ciriako, und von jetzt a bin ich … Aurelius.'“ (Andreas Brandhorst, Omni, S. 338-340)
Feuer und Sterben
Und auch die absolute Zerstörung fehlt nicht. Bereits früh im Roman zerstört Forresters alter Freund den Platz, an dem er bisher gelebt hat. Nur der Anfang von einer Kette von Zerstörungen.
„Jetzt, dachte Nathan, und da zerebrale Interface übertrug die Anweisungen. Zwei Blumen aus Feuer erblühten au der Welt, von der er geglaubt hatte, dass sie schließlich zu seinem Grab werden würde: zwei Explosionen, ihr Feuer winzig im Vergleich mit dem Lodern des Roten Riesen – die eine zerstörte das Schiff, mit dem Rubens gekommen war, die andere verschlang ein Höhlensystem, in dem Nathan über sich und sein Leben nachgedacht hatte.“ (Andreas Brandhorts, Omni, S. 91)
Doch auch vergangene radikale Veränderungen wirken sich stark auf das Geschehen des Romans aus. Forrester selbst beispielsweise spürt noch immer die Schuld, weil er etwas Schreckliches getan hat. Und nicht zuletzt sind er, Zinnober und Aurelius auf dem Weg die Zerstörung von mehr als nur einem Planeten zu verhindern. Sehr persönlich wird die Vorstellung des apokalyptischen, all umfassenden Endes, wenn Forrester für seine Taten bestraft werden soll.
„‚(…) Die schuldigen Personen werden eliminiert.‘ ‚Das Vergessen‘, murmelten die Zuschauer, all die schattenhaften Gestalten in den Sitzreihen. ‚Ja, das Vergessen. Das soll die Strafe sein: Die Löschung aller Erinnerungen. Die Körper werden weiterleben, mit neuen Erinnerungen, die der Justiziar, der Intellekt dieses Gerichts, zufällig aus seinen Datenbanken auswählt. Die Strafe wird sofort vollstreckt.'“ (Andreas Brandhorts, Omni, S. 433)
Bis zur letzten Seite
Wirklich kunstvoll also setzt Andreas Brandhorst in Omni persönliche Apokalypsen neben globale und nutzt auch die Variationen dazwischen voll aus. Dass es dabei parallel um das Vollenden einer radikalen Änderung und der Verhinderung einer anderen geht, setzt dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen auf. Bis zu letzten Seite zieht sich dieses Motiv durch und wirkt dabei nicht nur als Spannungspunkt, sondern verleiht den verschiedenen Figuren durch ihren unterschiedlichen Bezug und Umgang mit ihren Apokalypsen wunderbar Tiefe.
Gewinnspiel
Bei dieser Blogtour habt ihr die Möglichkeit, direkt auf Schreibtrieb ein Exemplar von Omni für euch zu ergattern. (Je ein weiteres Exemplar gibt es bei den anderen Beiträgen zu gewinne, also schaut auch dort rein 😉 ). Schreibt mir in einem Kommentar unter diesem Beitrag, wann euch das letzte Mal eine Apokalypse begegnet ist. Das kann eine literarische sein, aus einem Film, oder eine ganz persönliche. Schreibt mir zusätzlich zum Kommentar bitte eine Email mit eurer Antwort an schreibtrieb-buchblog@gmx.de.
Teilnahmebedingungen
Teilnahme ab 18 Jahren, Versand nur nach Deutschland. Mehrfache Teilnahme auf einem Blog geht nicht.
Ein doppelter Gewinn (also hier und auf einem weitern Blog, der bei der Tour mitmacht) ist ausgeschlossen.
Auch der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Eine Barauszahlung ist nicht möglich.
Um auf Schreibtrieb zu gewinnen, müsst ihr die Frage per Kommentar und Mail beantwortet haben.
[…] ordentlich Appetit auf das Buch gemacht, morgen geht’s dann weiter bei Eva-Marias Blog Schreibtrieb mit dem Motiv der Apokalypse. Danach folgt Susannes Bericht bei Literaturschock über die Lesung auf der Frankfurter Buchmesse […]
Die letzte mir begegnete (und noch andauernde) Apokalypse findet sich in Form einer Zombiekalypse in der Serie „Ash vs Evil Dead“.
Hallo,
bei der Frage sind mir gleich die ganzen Dystopie-Romane eingefallen, wobei ich da zuletzt „Young World“ gelesen habe…
LG