Beim Einkaufen (Hinterm 23ten Türchen)

Sie stampfte mutig voran.
„So, ich brauche Feldsalat, Wallnüsse, Orangen und Obstessig“, las sie ab und schob den Einkaufswagen rücksichtlos durch die Menge der übrigen Kunden. Das Kind im Sitz quiekte vor Vergnügen, als sie an ein Regal mit Schokolade stieß. „Mama, Mama, Lade“, rief es, doch sie schenkte ihm keine Beachtung. Ihr Mann lief mit leicht beschämtem Blick hinterher, schnappte sich den Wagen, als sie ihn kurz losgelassen hatte, um eine Flasche Himbeeressig aus dem Regal zu holen, und hielt ihn nun fest. Frauen beim Einkaufen vor den Festtagen werden zu Panzern im Feindesgebiet.
Sie scheuchte ihn ruhelos weiter. „Die Champignons, wir brauchen die Champignons, nimm lieber mehr, statt zu wenig“, versuchte sie ihn vom Wagen los zu reißen, doch er nahm Wagen und Kind mit zum Gemüsefach, während sie den Parmesan aus der Kühltheke holte.
„Gehobelte Mandeln“, las sie vor, als sie sich bei der Milch wieder getroffen hatten.

Er versuchte Schritt zu halten, als sie durch die Regale flog, Dinge in den Einkaufswagen schmiss, der immer schwerer wurde.
„Pass doch auf“, zischte sie, als die Butter auf dem Feldsalat gelandet war. Sorgsam legte er die Butter neben den Salat und fing die Sachen im Flug auf, um zu verhindern, das weiterer Salat, die Pilze oder gar die Flasche Essig in Mitleidenschaft gezogen würde. „Getränke“, warf sie in den Raum und war im nächsten Moment verschwunden. Er fand sie vor dem Cola-Kasten, den sie mit Fanta und sonstigem mischte. „Keine Ahnung, was die trinken wollen“, redete sie auf sich selbst ein und griff nach einer Auswahl an Säften. Als auch Wein, Bier und Sprudel im Wagen verstaut waren, eilte sie wieder von dannen.
Er atmete tief ein und aus. Morgen noch, dann wäre alles wieder vorbei und seine Frau wäre wieder seine Frau und keine Mischung aus Misses Claus und dem Grinch. „Wenn ich noch ein Stück Weihnachtsschokolade sehe“, giftete sie auf dem Weg zum Tiefkühlfach. „Helf mir mal die Puten zu finden“, rief sie ihm dann zu und wühlte zwischen dem Tiefkühlgemüse. „Hier ist nur Pizza“, abtwortete er, betont freundlich.
„Toll, soll ich etwa Pizza machen, wenn deine Mutter kommt? Da kann ich auch gleich bei MacDonalds bestellen“, gab sie zurück.
Die Idee fand er gar nicht so schlecht.

„Vielleicht beim Geflügel“, gab er zu bedenken.
Die hielt im Wühlen inne, sah ihn an mit einem Blick, der hätte töten können.
„Für wie blöd hältst du mich? Kannst den Scheiß nicht endlich lassen? Du benimmst dich hier schlimmer als das Kind!“
Da hatte er es wieder einmal. Er ging einen Schritt zurück, ließ sie vorbei. Sie griff zielsicher in die Truhe.
„Da sind sie doch. Du hast gar nicht richtig geguckt“, sagte sie, legte zwei gigantische tote Vögle auf alle anderen Einkäufe obendrauf und ging vor zur Kasse.
„Nur noch zwei Tage“, erklärte er dem Kind, das ihn mit großen Augen ansah und lief seiner Frau hinterher.

©Eva-Maria Obermann

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