Mein Sommer am See – Emylia Hall

An Mein Sommer am See von Emylia Hall bin ich über eine Leserunde von Lovelybooks gekommen und habe es auch gleich für die Hauptaufgabe von Einmal durchs Regal genutzt. Immerhin, die 416 Seiten machen was hin, ein leckeres Rezept gibt es auch noch dabei.
Dabei ist der Roman mehr ein Erinnerungsbuch, ein Selbstfindungsroman, Adoleszenz- und Mutter-Tochter-Geschichte. Beth bekommt ein Päckchen, dass sie schnell in ihre Vergangenheit führt. In der Gegenwart ist ihre Mutter gestorben und deren Lebensgefährte schickt Beth ein Fotoalbum, dass die Mutter über die gemeinsamen Sommer geführt hat. Sofort ist klar, da gibt es einiges aufzuarbeiten. Beth will auf Distanz bleiben, will das Päckchen vergessen, gar nicht öffnen, denn sie ahnt, es ist von Bedeutung.
Tatsächlich zieht das Buch sie sofort in seinen Bann, hat sie doch die letzten Jahre gerade diesen Teil ihrer Vergangenheit verdrängt. Nach der Trennung ihrer Eltern auf einer Ungarnreise am Balaton hat Beth die Sommer bei ihrer Mutter in Ungarn verbracht und sich schnell in Land und Leute verliebt. Die Lebensfreude Marikas, der Mutter, ist ansteckend. Mehr noch wird Beth, damals noch Erzi genannt, von Tamás angezogen, einem Nachbarsjungen, mit dem sie eines Jahres auch eine Beziehung eingeht. Ungarn bedeutet Freiheit für die Heranwachsende, ein Ausbrechen aus der Normalität. Nur verständlich, dass sie eines Jahres nicht mehr zurück will und nur ein böses Erwachen bleibt.
Beths Erinnerungen sind die verklärten Gedanken eines Kindes, ihre Wut die einer Heranwachsenden. Alles ist unaufgearbeitet, beeinflusst Beth bis in ihre Gegenwart hinein. Angestautes, dass keinen Platz mehr hat und schließlich, nur natürlich, ausbrechen muss.
Die Erinnerungspassagen, an Bildern aus dem Album herbeigeführt, werden immer wieder von kurzen Episoden unterbrochen, in denen Beth ihre Umgebung betrachtet, Elemente wiederfindet, die sie doch nur an Ungarn erinnern, und sich von dem Buch ihrer Kindheit nicht losreisen kann. Aufgebauscht von den kindlichen Eindrücken ist sie am Ende bereit zur Aussprache und Aufarbeitung. Die Spannung ist moderat. Einzig das dicke Ende, das kommen muss, hängt drohend über den glücklichen Kindheitserinnerungen. Umso überraschender kommt es, nicht vorherzusehen.
Der Stil ist typisch für Erinnerungssequenzen, wiederholend, rückblickend, beschönigend, mit vielen Gedankeneinwürfen und rekonstruierten Gefühlen, Eventualitäten und Fragen. Dabei bleiben die Beschreibungen immer sommerlich, sonnig, verschwitzt. Leicht zu lesen, manchmal oberflächlich, ohne hinter die Handlung zu steigen, eben wie aus der verwaschenen Erinnerung heraus. Das kann manchmal stören, gibt dem Roman, oder zumindest der Übersetzung etwas Seichtes.
Als gemütliches Strandbuch ist der Roman bestens geeignet, als Lektüre für zwischendurch. Insgesamt hat es mir aber nur mittelmäßig gefallen, war Erzis Mutterbegeisterung sehr zentriert und manisch, aber stark unterstützt von der Jugendliebe zu Tamás, die teilweise mehr Antrieb für das Mädchen ist, als die Nähe zur Mutter und auch am Ende angedeutet wird.

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