Vom schlechten Gewissen, Anschuldigungen und einem Tabu – ein Interview zu Hyperemesis mit C., Krankenschwester

Es gibt nur wenige Informationen zu Hyperemesis. Als Betroffene muss man auch mal selbst drauf kommen, was da eigentlich los ist – und dass das nicht normal ist. Ein unausgesprochenes Tabu, das gefährlich werden kann. Oft findet sich Halbwissen oder Erlebnisberichte. Weniges davon hilft weiter. In deutscher Sprache bin ich auf keinen einzigen Ratgeber gestoßen (liebe Verlage, ruft an, ich mach euch das), auch die üblichen Schwangerschaftserlebnisberichte dazu fehlen auf dem Buchmarkt. Ich habe ein Sachbuch entdeckt, das ich euch noch vorstellen werde.

Als ich meine Erkrankung öffentlich gemacht habe, hat sich eine Person gemeldet und mir wirklich geholfen. Sie hat als Krankenschwester auch mit Hperemesis-Patientinnen zu tun und hat mir nicht nur Ratschläge gegeben, sondern auch zugehört. Ich bin sehr dankbar, dass sie sich für mein Special sofort bereit erklärt hat, mit mir zu reden. Es wurde ein langes Gespräch, aber ich hoffe, ihr lest es und nehmt dann manche Dinge etwas anders wahr.

Psyche und Körper liegen am Boden

Schreibtrieb: Als ich im Januar geschrieben habe, wegen Hyperemesis im Krankenhaus zu sein, wusstest du sofort, um was es geht. Damit warst du so ziemlich die einzige. Wie kommt es dazu?

C.: Als Krankenschwester habe ich mit dieser Diagnose häufiger zu tun als viele meinen mögen. Ich arbeite zwar auf einer Akut-Kardiologie, aber wir betreuen auch allgemein internistische Patienten und somit auch Patienten während einer Chemotherapie, Dialyse und, selten aber doch, auch Schwangere. Bei all diesen Patienten tritt Hyperemesis vermehrt auf, dies kann sich aufgrund der Elektrolytentgleisung wiederum negativ auf das Herz auswirken. Es ist also nicht NUR, Sorry für den Ausdruck, übermäßiges Kotzen, sondern ein durchaus ernstzunehmende Begleiterkrankung, die nicht nur zu physischen Problemen bei den ohnehin schon geschwächten Patienten führen kann, sondern durchaus und verständlicherweise, auch an den Nerven zerrt.

Schreibtrieb: Vom psychischen Druck kann ich ein Lied singen und auch die enorme Belastung für den ganzen Körper kenne ich nur zu gut. Obwohl deutlich war, dass mir nicht nur „übel“ ist, hat es bis zu meiner vierten Schwangerschaft gedauert, bis meine Frauenärztin die Diagnose „Hyperemesis“ gestellt hat. Zu meiner ersten Schwangerschaft habe ich bereits Blut gespuckt, die krasse Gewichtsabnahme durch mehrmaliges Erbrechen am Tag war auch bei den Kindern danach mein stetiger Begleiter. Hast du das Gefühl, dass die Frauen zu spät diagnostiziert werden und ins Krankenhaus kommen?

Infusionen helfen, wenn durch den Magen nichts mehr geht

C.: Ich habe allgemein das Gefühl, dass diese Diagnose leider gerade von Gynäkologen nicht allzu ernst genommen wird und nur als „lästige Begleiterscheinung“ (Wortlaut einer betroffenen Patientin) angesehen wird. Wir sprechen hier immerhin nicht von der allgemein bekannten Morgenübelkeit, oder Übelkeit, die durch bestimmte Gerüche hervorgerufen werden kann, sondern bei der der Patientin durchgehend übel ist, sie sich mehrmals am Tag bis zur Erschöpfung erbricht und oft weder Flüssigkeit noch Nahrung bei sich behalten kann. Hier ist es wichtig sofort zu reagieren und mittels Blutabnahme den Elektrolythaushalt zu kontrollieren. Gynäkologen verschreiben dann oft nur Medikamente dagegen, aber wie sollen die eingenommen werden und wie sollen diese überhaupt wirken, wenn diese gleich wieder in der Kloschüssel landen?

Zudem ist keine Schwangerschaft gleich, egal wieviel Kinder man bekommt. Es ist möglich, dass man beim ersten Kind überhaupt keine Probleme hat, bei der nächsten Schwangerschaft kann es wieder ganz anders sein, ebenso kann es sich von Schwangerschaft zu Schwangerschaft steigern oder auch verringern. Jede Schwangerschaft ist individuell, ergo kann man es auch nicht pauschalisieren. Die meisten Patienten kommen direkt von ihrem Gynäkologen in unsere Ambulanz, da sie sich von ihm/ihr nicht verstanden oder ernst genommen fühlen. Und manchmal ist es dann leider wirklich notwendig diese Frauen stationär zu behandeln.

Wie damit umgehen?

Schreibtrieb: Ich war im Januar eine Woche stationär auf der Gynäkologie. Während ich bei meiner Ärztin Infusionen und Vitamin B bekam, mir Akupressur-Armbänder und homöopathische Mittel empfohlen und verschrieben wurden, hatte ich teilweise das Gefühl, selbst schuld zu sein. Wenn ich erklärt habe, dass ich nicht mal Wasser bei mir behalten kann, hieß es nur „sie müssen aber“. Im Krankenhaus dagegen kümmerte sich die Belegschaft regelrecht rührend um mich. Ich bekam Kompressen mit Zitronengeruch, um andere Gerüche zu überdecken, wurde erst auch nicht „gezwungen“ zu essen oder zu trinken, sondern bekam Infusionen. Wie ist es für dich, wenn eine Hyperemesis-Patientin auf die Station kommt?

C.: Das erste was mir auffällt ist die absolute Erschöpfung dieser Frauen. Sie können sich manchmal kaum auf den Beinen halten. Dazu kommt dann noch oft das schlechte Gewissen, ob uns gegenüber, weil sie denken uns unnötig Arbeit zu machen, oder gegenüber ihrem Mann und Kindern. Manche bringen auch oftmals nicht mal die Kraft dazu auf Besuch zu empfangen. Sie wollen einfach nur ihre Ruhe und diese grässliche Übelkeit loswerden. Hier haben sie wieder das schlechte Gewissen. Sie haben das Gefühl versagt zu haben, weil sie nicht, wie andere Schwangere, den Alltag meistern können. Das ist das Traurige daran. Zu ihrer Erschöpfung kommen noch Versagensängste hinzu.

Wir im Krankenhaus versuchen Ihnen diese Ängste so gut es geht zu nehmen. Wenn ich bemerke, dass die Patientin Ruhe benötigt, schicke ich den Besuch auf oft weg und nehme das dann auch gern auf meine Kappe. Oft bin ich einfach nur bei der Patientin und halte ihr die Haare oder einfach nur die Hand ohne etwas zu sagen oder ein Gespräch zu erwarten. Das einzige was ich oft sage ist: „Sie sind nicht die erste und werden nicht die Letzte sein. Es geht viel mehr Schwangeren so als sie denken.“ Die Betroffenen denken nämlich oft, dass sie ein Einzelfall sind, wo wir wieder bei den Versagensängsten wären, plus die Angst um das ungeborene Würmchen. Diese Ängste versuchen wir Ihnen zu nehmen.

Im Krankenhaus haben wir die Mittel die Patienten aufzupäppeln, ohne sie zum Essen und Trinken zwingen zu müssen, dadurch fällt ein weiterer Druck von ihnen ab. Man muss das ganzheitlich sehen. Es ist nämlich nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Erschöpfung an der Schwangere mit Hyperemesis zu leiden haben. Wieso diese Begleiterkrankung von der Öffentlichkeit, wie auch leider von manchen Ärzten, bagatellisiert wird, ist mir immer noch ein Rätsel.

Selbst Schuld?

Schreibtrieb: Allgemein wir es ja auch gerne als „extreme Schwangerschaftsübelkeit“ bezeichnet, was es irgendwie verharmlost. Hyperemesis bedeutet permanente Übelkeit, ständiges Erbrechen. Oft gehen weitere Symptome einher wie starker Speichelfluss, niedriger Blutdruck, Schwindelgefühl, etc. Natürlich geht das auf die Psyche, umso mehr, da es so selten angesprochen wird. Offizielle Zahlen sprechen von 3 bis 5% aller Schwangerschaften. Populär ist es, wenn überhaupt, durch Herzogin Kate, geworden. Ein großes Problem ist, dass die direkte Ursache nicht bekannt ist, bzw. vielfältig sein kann. Mal ist es eine Überempfindlichkeit auf HCG, bei anderen ist es hormonell gar nicht zu erfassen. Verbreitet ist aber auch die Behauptung, Hyperemesis hätte psychische Ursachen. Bei meiner zweiten Schwangerschaft wurde mir vorgeworfen, mich einfach nicht (richtig) auf das Kind zu freuen, dabei ist gerade die Sorge um das Kind bei der Unterversorgung quasi allgegenwärtig. Kennen eure Patientinnen solche Anschuldigungen auch?

C.: Leider muss ich sagen, ja. Schlimm finde ich es, wenn so eine Behauptung von der Familie kommt und das ist leider nicht selten. Es wird den Frauen dafür die Schuld gegeben, derweilen können sie genauso wenig dafür, wie wenn sie an Grippe erkranken würden. Man sucht es sich nicht aus an Hyperemesis zu erkranken und JA, es ist eine Krankheit und nicht nur eine kleine Begleiterscheinung. Es kann natürlich auch psychische Ursachen haben und auch durchaus aufgrund der fehlenden Freude. Das sind aber eher Ausnahmen als die Regel. Und mal ehrlich, diese Freude wird den Patientinnen durch diese Übelkeit und das ständige Erbrechen auch in gewisser Weise genommen.

Alle Betroffenen haben im Verlauf dieses Gefühl, empfinden die Schwangerschaft aufgrund dessen mehr und mehr als Belastung, können nicht, wie „normale“ Schwangere diesen Zustand genießen. Ihnen wird die Freude genommen und was fühlen diese Frauen dann? Sie bekommen ein schlechtes Gewissen, weil sie so denken, fühlen sich bereits als schlechte Mutter, obwohl das Kleine noch gar nicht auf der Welt ist, trauen sich aber nicht mit jemandem darüber zu sprechen aus Angst als Rabenmutter dazustehen.

Und hier möchte ich das Wort an alle Betroffenen richten. Ihr DÜRFT so fühlen und Ihr seid NICHT alleine mit diesen Ängsten und diesen Gefühlen! JEDE dieser werdenden Mütter empfindet in dieser Situation so. Lasst Euch sagen, dass die Freude zurückkommt, sobald die Übelkeit und das Erbrechen weniger wird und Ihr stille und entspannendere Momente habt. Und ganz wichtig – Ihr seid NICHT schuld!

Wer weiß eigentlich Bescheid?

Schreibtrieb: Diese zwei Punkte sind ganz wichtig. Schuld bei einer Krankheit oder Komplikation hat eben niemand und die Freude aufs und am Kind kommt wieder. Ich muss auch im siebten Monat noch meine Tabletten nehmen, weil ich es sonst nicht durch den Tag schaffe. Dabei habe ich auch das Gefühl, dass ich an sie gekommen bin, ist ein Glücksfall. Meine Frauenarztpraxis kannte das Medikament gar nicht, auch im Krankenhaus habe ich es erst nach vier erfolglosen Tagen mit Vomexinfusion bekommen. Ich fürchte, die Informationen für Ärzte und Patientinnen sind sehr dürftig. Es gibt kaum zugängliche Literatur und vor allem Internetforen. Dort suchen sich Betroffene teilweise selbst mögliche Medikamente und bitten beim Arzt um ein Rezept. Ich war zuletzt gar nicht mehr in der Lage, soweit zu denken. Kennst du diese Informationslücke auch?

C.: Wie Du Dich vielleicht erinnern kannst, habe ich Dir bereits kurz nach Deinem Tweet, dass Du an Hyperemesis leidest, ein Medikament vorgeschlagen. Es war genau dasselbe wie das was Du jetzt nimmst. Bei uns in Österreich heißt es Zofran-Zydis und ist hier Gang und gäbe. Es wird vor allem bei Chemopatienten zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit verwendet, aber auch Gynäkologen verschreiben das bei uns bereits gerne, daher gibt es diesbezüglich bei uns in Österreich keine Informationslücken. Es kommt dabei jedoch natürlich stark auf den/die Gynäkologen/in an. Aber es gibt definitiv Medikamente, die dagegen helfen oder die Schwangerschaft somit erträglicher machen. Wenn die Betroffenen bei einem Arzt darum bitten und betteln müssen, bzw. sich selbst um ein Medikament kümmern müssen, ist er/sie die falsche Wahl. Manche Ärzte haben keine Erfahrung mit dieser Erkrankung und das obwohl diese gar nicht so selten ist.

Schreibtrieb: Ironischer Weise kennt meine Ärztin Hyperemesis von ihrer eigenen Schwangerschaft. Dennoch hat sie lange gezögert, die Diagnose zu stellen. Die einzige andere Hyperemesis-Patientin, die ich persönlich kenne, ist meine Großmutter, die das ganze natürlich in einer Zeit durchlebt hat, in der die Versorgung von Schwangeren noch komplett anders war. In der Hinsicht hat sich wirklich viel getan. Den medizinischen Fortschritt bemerkst du ja quasi hautnah. Auch dass ich ein Mittel nehme, dass nach der Chemo verabreicht wird, gehört dazu. Früher gab es solche Medikamente schlicht nicht.

C.: Das mit Deiner Ärztin erstaunt mich jetzt, genauso, dass sie gezögert hat, Dir dieses Medikament zu verschreiben. Es ist eines der wenigen Medikamente ohne Nebenwirkungen und wird bei uns auch bei „schlichter“ Übelkeit nach OP‘ s verwendet. Es wirkt schnell und man muss weder davor etwas essen, noch es mit Wasser hinunterspülen. Selbst bei Kindern wird es verwendet. Gerade sie als Leidensgenossin sollte Dich verstehen können. Als Ärztin und Betroffene hat sie sogar die Möglichkeit dieses Thema bei Ärztekongressen und dergleichen zu thematisieren und explizit darauf hinzuweisen, dass es keine seltene und schon gar keine „lästige Begleiterscheinung“ ist. Gerade in unserer Zeit ist es nicht mehr notwendig, dass sich Betroffene damit quälen oder deswegen ihre Kinder verlieren oder gar Herz-Rhythmusstörungen erleiden.

Ich finde es toll, dass Du als Betroffene damit an die Öffentlichkeit gehst, um anderen Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Es ist leider immer noch ein Tabu-Thema, warum auch immer.

Das Tabu brechen

Schreibtrieb: Ich glaube, das Tabu hängt mit der Mystifizierung von Schwangerschaft und Mutterschaft zu tun. Frauen sollen gerne und mit Leidenschaft Kinder bekommen. Ernste Krankheiten dabei werden unter einem Deckmantel gehalten. Das macht es als Betroffene auch so schwer, darüber zu reden. Wer sich nicht auf das Kind freut, gar depressiv wird, in oder nach der Schwangerschaft, wird als schlechte Mutter und damit als schlechte Frau wahrgenommen. Dass man halb witzig halb ironisch über Wehwehchen in der Schwangerschaft oder Krisen der Mutterschaft schreibt, ist dagegen schon wieder alltäglich. Aber in dem Moment, wo eine Schwangerschaft sich als ernste Gefahr für die Mutter zeigt, wird nicht darüber geredet. Oder sie gilt als verantwortungslos, weil die ja trotzdem schwanger geworden ist. So etwas wurde mir auch schon gesagt. Übrigens hat Zofran tatsächlich eine Nebenwirkung, die mich dazu veranlasst, sehr bedacht mit den Tabletten umzugehen. Verstopfungen, die direkt aus der Hölle kommen.

C.: Und da wären wir bei dem Thema Selbstbestimmung der Frau und zwar individuell bei jeder einzelnen. Denn leider wird das Bild nicht nur durch Männer gezeichnet, sondern ebenso durch Frauen und zwar durch diejenigen, die nie Probleme während der Schwangerschaft gehabt haben. Also solche die sich in so eine Ausnahmesituation überhaupt nicht einfühlen können. Ich kann es natürlich auch nicht, da ich selbst keine Kinder habe. Ich persönlich sehe nur die Betroffenen wie sie leiden und verschiedene Ängste durchleben müssen und durch dieses Bild geprägt wurden. Immer noch und das im 21. Jahrhundert. Daher finde ich Deinen Artikel so wichtig. Nicht nur für Schwangere mit Hyperemesis, sondern allgemein für werdende Mütter deren Schwangerschaft problematisch verläuft und/oder an Ängsten und Depressionen leiden. Das mit der Verstopfung war mir nicht bekannt, wieder etwas dazugelernt.

Tägliche Infusion können auch nur bedingt den Körper am Laufen halten
Jede Schwangerschaft – jede Patientin – ist anders

Schreibtrieb: Gerade was du ansprichst, die Individualität von jeder Schwangerschaft, können viele nicht sehen, dabei ist es doch mit der Menstruation genauso. Auch da haben einige gar keine Probleme, andere fallen ohne Medikamente eine Woche aus. Kurioserweise wird ja von Arbeitgeberseite genau so ein Fall, bei dem die Schwangere monatelang ausfällt, als potenzielles Übel für jede Frau angenommen. Schwangere, die auf das Bild zutreffen, werden darum vielleicht auch als Selbstschutz von anderen Frauen totgeschwiegen und angegriffen. Wenn mir dann von der Ärztin gesagt wird, ich darf nicht aufstehen, wie nach meinem Krankenhausaufenthalt, oder mich nicht bücken, wirklich nichts heben und nicht mal Radfahren oder spazieren gehen, wie noch Wochen danach, macht mich das im Alltag nutzlos.

Ich konnte meine Kinder nicht alleine anziehen, kochen oder irgendwas im Haushalt machen, selbst als die Tabletten das Erbrechen eingedämmt hatten. Dieses Gefühl der Nutzlosigkeit ist auch ohne Übelkeit belastend. Es schmerzt geradezu. Kommentare wie „dann muss man halt trotzdem“, oder „auch in der Schwangerschaft kann man was machen“ helfen da nicht. Ich werde dann wirklich wütend, denn im Grunde wird mir Faulheit und Weinerlichkeit unterstellt bzw. direkt vorgeworfen. Bei einem Beinbruch kommt niemand am nächsten Tag und sagt „du musst wieder aufstehen“, aber hier ist der Druck und die persönliche Hilflosigkeit immens. Reden eure Patientinnen darüber?

C.: Mit den Ärzten eher weniger und viele würden es nicht ansprechen aus eben Deiner genannten Gründen. Meistens muss sogar ich dieses Thema anschneiden. Wenn man ihnen dann aber z.B. anderen betroffenen erzählt und sie merken, dass sie nicht alleine sind, dann bricht es oft regelrecht aus ihnen heraus. Sie fühlen sich schlecht deswegen, hier wieder das schlechte Gewissen und was wohl andere von Ihnen denken. Oft hilft es Ihnen schon zu wissen, dass es anderen auch so geht.

Sie können sich bei mir auskotzen, ausweinen, aber was ist, wenn sie dann zu Hause sind? Mit wem können sie denn dann reden? Die meisten verstehen es nicht. Wir versuchen natürlich die Angehörigen und vor allem ihre Männer dahingehend etwas zu sensibilisieren, aber es funktioniert nicht immer. Mittlerweile frage ich betroffene Patientinnen, ob ich ihre Tel.-Nr. an andere Leidensgenossinnen weitergeben darf. Da übersteige ich natürlich etwas meine Kompetenz und daher wäre so etwas wie eine Selbsthilfegruppe toll. Aber dadurch, dass dies ein Tabuthema ist, gibt es das nicht.

Alle leiden darunter

Schreibtrieb: Das stimmt. Selbst die Foren sind abgeschottet und müssen regelrecht gesucht werden, auf den typischen Seiten für werdende Eltern findet sich wenig bis nichts. Ich muss auch sagen, dass mein Mann sich wirklich gut um mich gekümmert hat und es noch tut. Obwohl er im Stress selbst untergegangen ist, hat er darauf bestanden, dass ich mich hinlege und um mich kümmere.

Das Ausfallen der Frau, gerade wenn noch ein oder mehrere andere Kinder da sind, bedeutet ja auch eine plötzliche Doppelbelastung. Alles, was wir uns vorher geteilt haben, war nur noch seine Aufgabe. Noch dazu musste er sich um mich kümmern. ich habe mich beispielsweise nur getraut, zu duschen oder zu baden, wenn er bei mir im Zimmer war. Auch das ist eine Hilflosigkeit, der sich das Paar unvorbereitet und meist ohne Hilfe gegenübersteht. Kassenpatienten können für eine gewisse Zeit eine Haushaltshilfe beantragen, Privatpatienten nicht. Auch Familienhilfen können einspringen, aber diese anzufordern und anzunehmen, ist eine große Überwindung.

Urin und Blut verraten, wie schlimm es um die Betroffene steht

C.: Da muss ich gleich mal ein großes Lob an deinen Mann aussprechen. Es sind natürlich auch die Männer mit dieser Situation überfordert und auch sie haben damit zu kämpfen. Daher wäre es auch schön, wenn die genauso bei so einem Gespräch „unter Frauen“ dabei sein könnten, zumindest hin und wieder. Man darf dabei also auch nicht die Väter vergessen. Meiner Meinung wäre so eine kleine Gesprächsrunde direkt im Anschluss eines Geburtsvorbereitungskurses vernünftig. 1. beide Elternteile anwesend, 2. man muss nicht wieder extra irgendwohin fahren und 3. denke ich, dass dabei die Hemmschwelle niedriger wäre, wenn manche sehen würden, dass es noch andere mit diesem Problem und mit dieser Erkrankung gibt.

Du siehst, ich als Pflegepersonal habe mir da schon ein paar Gedanken gemacht und bin nicht einmal direkt davon betroffen. Wie muss es erst werdenden Müttern gehen, die gerade in dieser Situation stecken? Da muss man wirklich hoffen, dass sie einen verständnisvollen Mann und eine Familie haben, die hinter ihnen steht und ihnen im Alltag helfen, aber oft scheiterst es schon daran, dass der Mann ganztägig arbeiten geht und die Familie weiter weg wohnt und die Mitglieder ebenso im Berufsleben stehen.

Wenn der Druck zu groß wird

Schreibtrieb: Ganz genau. Einige Hyperemesis Patientinnen treiben auch wegen der Belastung ab. Teilweise wird es dann noch nicht mal als medizinische indizierte Abtreibung bewertet. Noch so ein belastender Punkt. Auch Suizidgedanken sind nicht selten. Hat man das bei der Behandlung auf dem Schirm?

C.: Ich denke bei uns haben die Betroffenen Glück, das wir zusätzlich eine Psychokardiologie sind. Daher können sie Gesprächstherapie und psychologische Hilfe genauso in Anspruch nehmen wie jeder Patient auch. Sie werden also wirklich ganzheitlich betreut und gegebenenfalls wird ihnen dann auch außerhalb Hilfe zur Verfügung gestellt. Wir sind aber selbst in Wien das einzige Krankenhaus die so etwas anbieten. Und genau da liegt der Fehler. Es wird sich nur auf die Krankheit, auf die körperlichen Beschwerden beschränkt, doch gerade in der Schwangerschaft ist man schon aufgrund der Hormone komplett durch den Wind. Wenn dann noch so eine Krankheit wie Hyperemesis hinzukommt, ist die Belastung noch um vieles schlimmer.

Eine Patientin sagte mir einmal sie würde sich lieber aus dem Fenster schmeißen als das noch 5 Monate mitzumachen. Das war an ihrem Aufnahmetag. Am nächsten Tag war schon die Psychologin da und zuvor saß ich die halbe Nacht bei ihr (Gott sei Dank war es ein ruhiger Nachtdienst). Als es die Medikamente endlich gewirkt haben, dachte sie natürlich wieder ganz anders darüber. Aber was ist mit den Frauen die alleine zu Hause sind? Die alleine da durchmüssen und mit niemanden zu reden haben? Es ist also nicht unüblich, dass Betroffene so denken und es ist auch verständlich.

Unsereins ist schon komplett fertig, wenn er 3 Tage Magen-Darm-Grippe hat. Und jetzt stellt man sich das mal 10x schlimmer, 9 Monate hindurch und mit zusätzlicher Angst um das Baby vor? Meiner Meinung nach sollte dies bei jeder Schwangerschaftsberatung angeboten werden. Wenn es für Drogenabhängige oder Menschen mit bipolarer Störung möglich ist, wieso dann nicht auch für Schwangere?

Hyperemesis ist keine „Schwangerschaftsübelkeit“

Schreibtrieb: Weil Schwangerschaft erst mal keine Krankheit ist. Allerdings eine aufwühlende Entwicklung, physisch wir körperlich. Ich könnte jetzt spekulieren, dass hier der gesellschaftliche Status der Frau als Mutter per se eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist eben auch die Stigmatisierung von Frauen als „ausfallend“ durch die Schwangerschaft schwierig. Wichtig ist vor allem erst mal, dass das Tabu durchbrochen wird, darüber zu reden. Es fängt ja schon mit den gefürchteten guten Ratschlägen an. Was bei „normaler“ Übelkeit hilft, bringt bei Hyperemesis eben oft gar nichts.

C.: Es ist auch möglich, dass Hyperemesis die gesamte Schwangerschaft überdauert, wie bei Dir. Das sollte man den Betroffenen auch immer sagen, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken, oder wieder diese Ängste, dass dies nicht normal ist. Wenn Patientinnen das wissen, ist es zwar immer noch schlimm, aber sie machen sich nicht unnötig große Sorgen. Aufklärung ist daher genauso wichtig und da wären wir wieder beim Tabuthema. Manche Patientinnen kommen mit der Erwartung zu uns, dass sie Infusionen bekommen und dann ist es gut und tritt nie wieder auf. Das ist natürlich möglich, aber eher die Ausnahme. Manche müssen während der Schwangerschaft sogar mehrmals stationär aufgenommen werden, aber dann liegen sie immer auf der gynäkologischen Station und nicht bei uns, da dies bereits bekannt ist und es gar nicht mehr zu einer Elektrolytentgleisung kommt. Wie geht es dir denn inzwischen?

Am letzten Tag im Krankenhaus habe ich mich endlich getraut, zu duschen
Was helfen kann

Schreibtrieb: Gerade habe ich eine Phase, in der ich wieder täglich Tabletten nehmen muss. Am schlimmsten ist es nach dem Aufstehen und ab dem Nachmittag. Ich kann also erst spät frühstücken und nur wenig zu Abend essen. Da das Kind trotz allem gut wächst, bin ich beruhigt. Schwierig ist, dass ich immer weniger essen kann, ohne sofort Sodbrennen zu bekommen oder die Übelkeit zunimmt. Wirkliche Patentrezepte gibt es leider nicht. Auch, was Lebensmittel angeht. Was funktioniert denn bei euren Patientinnen gut?

C.: Das ist so unterschiedlich wie die Patientinnen selbst. Manchen hilft lauwarme Milch am Abend und immer mit leicht erhöhten Oberkörper zu schlafen, manche ernähren sich nur von Hipp-Gläsern, Grießbrei, etc., also Breikost, da dies für den Magen leicht verträglicher ist. Daher habe ich einer Patientin auch ein Pulver zum Eindicken gegeben (bekommt man in jeder Apotheke rezeptfrei). Am besten man isst nur das auf das was man wirklich Lust hat, möge es noch so ungesund sein. Frisches Obst wird jedoch von den wenigsten vertragen und auch von Fruchttee möchte ich abraten, da diese ebenfalls den Magen belasten und man es spätestens abends bereut. Ich hoffe für Dich, dass die Phase nicht allzu lange andauert, da ich mir vorstellen kann wie frustrierend das sein kann.

Schreibtrieb: Frisches Obst kann ich aus eigener Erfahrung auch erst mal weglassen. Ironischer Weise klappt es püriert viel besser, noch einfacher ist, wenn ich es leicht koche. Je flüssiger, desto mehr Probleme habe ich. Darum ist auch der Flüssigkeitsmangel bei mir so schlimm. Milch gehört allerdings auch zu den Produkten, die ich im Moment kaum vertrage. Darum bin ich zum großen Teil auf Milchersatzprodukte wie Mandelmilch und Kokosmilchjoghurt umgestiegen. Während die meisten „normalen“ Nahrungsmittel ohne Tabletten nicht gehen und alles Süße regelrecht Bauchschmerzen verursacht, haben mir ausgerechnet Chips geholfen. Ich nehme an, da die einzelne Menge sehr gering ist und gleichzeitig wichtige Salze mit aufgenommen werden können. Nur gesund ist das auf Dauer auch nicht.

Ingwer und Zitrone können schon allein vom Geruch her helfen. Im Extremfall hilft nur, auszuprobieren. Ich kenne Berichte, die auf Wassereis schwören oder sogar Fast Food bevorzugen. Auch da finde ich es wichtig, auf sich selbst zu hören und die kritischen Stimmen à la „als Schwangere solltest du nicht so ungesund essen“ beiseite zu schieben. Etwas essen zu können ist in der Situation einfach viel zu wichtig, um notwendige Reserven aufzubauen. Bei mir war es in den letzten Schwangerschaften immer so, dass es gegen Ende noch einmal schlimmer wurde. Der Magen hat weniger Platz und ist dadurch noch schneller gereizt. Habt ihr auch Fälle, die erst im letzten Trimester zu euch kommen?

Einfach mal machen

C.: Nein, bei weiteren Aufnahmen kommen die Patientinnen direkt auf die Gyn. Zu uns kommen sie meist nur aufgrund der Elektrolytentgleisung, da diese ja zu Herz-Rhythmusstörungen führen kann. Du machst das ganz richtig mit dem auf Dich selbst hören. Der Körper sagt einem schon was man braucht. In so einer Situation bleibt einem gar nichts anderes mehr übrig als sich seinem Körper bewusst zu werden. Daher hat diese Erkrankung sogar einen Vorteil. Die Betroffenen haben danach ein ganz anderes Körperbewusstsein und hören in sich hinein.

Schreibtrieb: Auch das ist eine interessante Begleiterscheinung. Unser Körpergefühl wird unser Leben lang stark von äußeren Einflüssen bestimmt. Es kann gut sein, dass eine Frau mit Hyperemesis erst einmal gesagt bekommt, sie sähe gut aus, weil sie abgenommen hat. Dieser krasse Gegensatz bleibt auch danach bestehen. Wenn der Bauch bspw. wächst, denkt die Umwelt sofort, es sei jetzt ja alles in Ordnung, dabei spielen Medikamente und die ganz normale Verdrängung der Organe durch das Ungeborene genauso eine Rolle, wie das wachsende Kind selbst.

Schwangerschaft und Bodyshaming

C.: Ich finde es immer furchtbar, wenn manche aufgrund der äußeren Erscheinung auf die Gesundheit oder das Wohlergehen schließen. Und dass der Satz „Du hast abgenommen“ für viele ein Kompliment bedeutet, selbst wenn sie krank sind. Das zeigt doch erst wie kaputt unsere Gesellschaft ist. Ich beziehe mich hier nur auf Personen, die bereits Normalgewicht haben oder krank sind. Für Personen mit krankhaftem Übergewicht ist das natürlich ein Kompliment und spornt diese auch an weiter abzunehmen. Das äußere Erscheinungsbild nimmt in der heutigen Zeit so einen hohen Stellenwert ein, dass darüber hinaus die Gesundheit vergessen wird. Ich habe eine Zeit auf einer Psychosomatik gearbeitet, wo hauptsächlich Patienten mit Essstörung behandelt wurden.

Wenn man sowas sieht, sind einem paar Kilo zu viel auf den Rippen so etwas von egal und man ist nur froh gesund zu sein. Bei einer Erkrankung wie Hyperemesis sucht man sich diese Gewichtsabnahme nicht aus, man entscheidet sich nicht dafür. Wenn Betroffene dann Komplimente bekommen wie z.B.: „Wow, dir sieht man die Schwangerschaft gar nicht an. Respekt, dass du dein Gewicht so halten kannst.“ oder „Na die ständige Kotzerei hat ja dann sogar einen Vorteil, bis auf den Babybauch bleibst du schlank.“ (letzten Satz tatsächlich von einer Besucherin gehört), ist für diejenige dann eher ein Schlag ins Gesicht. Und daran erkennt man abermals, dass diese Erkrankung nicht wirklich ernst genommen und/oder verharmlost wird.

Erschöpft und abgemagert fühlte ich mich nicht schön – und mein Gewicht war mir ziemlich egal

Schreibtrieb: Solche Sätze höre ich auch oft. Dass die Gewichtsabnahme krankhaft ist und sowohl Mutter als auch Ungeborenem schadet, wird einfach nicht eingesehen. Vielleicht ist es auch ein Versuch, den Betroffenen Mut zu machen, aber der Schuss geht nach hinten los. Wer sich sehnlichst wünscht, wenigstens ein Glas Wasser trinken zu können, ohne gleich aufs Klo rennen zu müssen, interessiert sich für sein Gewicht herzlich wenig. Auch Sprüche wie „das Kind holt sich schon, was es braucht“ oder „starke Übelkeit heißt auch ein starkes Kind“ sind unangebracht.

Das mag vielleicht auf normale Übelkeit zutreffen, aber bei Hyperemesis erbricht sich die Mutter so ziemlich bei jeder Mahlzeit, bei jedem Getränk, jedem Geruch, permanent. Es bleibt nichts mehr im Körper, was das Kind sich holen könnte. Der Körper beginnt sich selbst zu verdauen, was relativ einfach durch einen Ketontest in Urin festgestellt werden kann. Warum ist das gerade in der Frühschwangerschaft eben keine „leichte Diät“?

Der Körper frisst sich selbst

C.: Manche verbinden Keton automatisch mit der Keton-Diät, die vor allem auf Fitness-Blogs beworben wird. Sie denken das ist etwas Gutes, weil sie es mit Diät und erhöhtem Fettabbau verbinden, was bei Schwangeren ja völliger Schwachsinn ist. Keton wird vor allem in der Leber produziert und ist ein Energielieferant sowie wichtiger Bestandteil für verschiedene Gewebe, Organe und das Gehirn. Wenn zu viel ausgeschieden wird, zeigt es eine Übersäuerung des Körpers an. Damit diagnostiziert man z.B. Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen. Und in der Schwangerschaft benötigt man einfach mehr Energie und sollte alles andere als eine Diät halten.

Wenn Keton ausgeschieden wird, nimmt der Körper also keinerlei Energie mehr auf (woher auch wenn alles wieder im Klo landet) und holt sich diese dann von Muskeln und Organen. Daher ist in der Schwangerschaft vor allem wichtig viel Eiweiß zu sich zu nehmen, was bei Hyperemesis natürlich schwierig ist, da man nichts bei sich behält und viele sowieso eine Abneigung gegen Fleisch haben. In diesem Fall würde ich ev. auch Astronautenkost vorschlagen – hochkalorische Eiweißdrinks, die es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt und wie Milchshakes schmecken. Bekommt man auch in Reformhäusern. Ich weiß nicht, ob das Ärzte Schwangeren mit Hyperemesis anbieten, aber ich denke man sollte wirklich alles probieren und schauen, was man am ehesten bei sich behält und diese Drinks sind eine gute Alternative, wenn man keine feste Nahrung verträgt oder allgemein nicht viel essen kann. Hast du damit schon Erfahrung gemacht?

Das böse Krankenhaus?

Schreibtrieb: Jain. Ich habe allgemein Probleme mit allem Cremigen. Ich habe schon Babyschmelzflocken ausprobiert und Aufbaunahrung, aber gerade die Konsistenz macht es mir sehr schwer, das bei mir zu behalten. Eis beispielsweise geht auch nicht, da es meist sehr cremig geschlagen wird. Gleiches gilt für Joghurt, Kartoffelbrei, etc. Was ganz gut funktioniert, sind dagegen Fruchtschnitten zu lutschen. So kann die Nahrung nur ganz langsam in den Magen. Einmal wurde mir Schüttelbrot empfohlen, eine Art spezielles Knäckebrot. Bei festen Sachen ist es oft so, dass ich ohne Medikamente sehr kleine Mengen über einen längeren Zeitraum verteilt essen kann. Aber eben nicht genug, und so gut wie keine Flüssigkeit. Es gibt den Tipp mit Eiswürfeln und Wassereis, aber auch da hat mein Magen rebelliert.

Frustrierend war auch, die immer gleichen Tipps gegen Morgenübelkeit zu bekommen. Im Bett etwas essen, Ingwerkekse, Zwieback, etc. Ich denke, wenn schneller reagiert und der Schwangeren geglaubt würde, dass ihr eben nicht nur „übel“ ist, könnte auch viel schneller geholfen werden. Ich musste erst 10 Kilo verlieren, ehe ich ins Krankenhaus kam. Problematisch ist auch, dass das Krankenhaus dabei oft geradezu dämonisiert wird. „Dann müssen sie ins Krankenhaus“ klingt wie eine Bestrafung, dabei gibt es dort oft mehr Ruhe, was schon hilft, denn Stress begünstigt Hyperemesis, uns mehr Möglichkeiten, Medikation auszuprobieren und direkt zu reagieren.

C.: Das ist ja fürchterlich und klingt wie eine Drohung für ein ungehorsames Kind. Als ob Du Dich absichtlich übergeben und nichts essen würdest. Leider sagen das aber viele Praxis-Ärzte zu ihren Patienten, wobei das vermutlich aufgrund ihres verletzten Stolzes ist, quasi „Ja wenn sie meinen ich könnte Ihnen nicht helfen, dann können sie sich gleich ins Krankenhaus legen.“ Falls ein Arzt so etwas in der Art zu einer Schwangeren mit Hyperemesis sagt, dann darauf mit „Jaaaa, jaaa bitte schreiben Sie mir auf der Stelle eine Überweisung!“ Es ist vielleicht in so einer Situation immer gut sich eine Zweitmeinung eines anderen Arztes anzuhören, oder gleich ins Krankenhaus mit einer Gynäkologischen oder Geburtenstation zu gehen.

Viele scheuen sich davor, aber dort ist man oft verständnisvoller, was auch daran liegen mag, dass sie dort mehr Erfahrungen mit Hyperemesis haben. Man kann dort mit Ärzten und Pflegepersonen reden und sie auch bitten, keinen Besuch zuzulassen. Wir nehmen das dann gerne auf unsere Kappe, um die Patientinnen vor Diskussionen mit dem Mann oder der Familie zu „schützen“. Sie werden nicht gezwungen etwas zu essen, wenn sie es nicht möchten. Es stehen Ernährungsberater zur Verfügung die Vorschläge bringen was als Nahrung funktionieren könnte, man hat die Möglichkeit alles in Ruhe auszuprobieren, man kann sich pflegen lassen, die Verantwortung einmal für kurze Zeit abgeben und wie du schon erwähnt hast haben wir ganz andere Möglichkeiten an Medikamente. Man steht hier Tag und Nacht unter Beobachtung und muss keine Angst haben blöd angemacht zu werden oder als labile Schwangere betrachtet zu werden. Das Krankenhaus ist also nichts Böses und keine Bestrafung

Genug Zeit auf der Station?

Schreibtrieb: Nein, absolut nicht. Im Gegenteil, mir wurde dort sehr geholfen, die Ärztinnen und Schwestern waren sehr behutsam und ließen mir auch einfach Zeit, anzukommen und zur Ruhe zu finden. Zu wissen, dass da dieser Knopf ist, durch den sofort Hilfe bekommen kann, war sehr beruhigend. Leider ist auch das nicht überall so. Pflegenotstand und Überbelegung lassen auch mal Horrorgeschichten auftauchen. Fühlst du dich da manchmal allein gelassen?

C.: Manchmal ja, es ist wird an allen Ecken und Enden gespart und das aber an der falschen Stelle. Ich muss aber auch sagen, dass hier der Primar (der Arzt dem die Akut-Cardiologie untersteht) ebenso hinter uns Pflegepersonen steht. Das ist nicht überall so. Er würde z.B. niemals zulassen, dass wir alleine Nachtdienst machen müssen, was angestrebt wird. Wir haben natürlich auch viele Krankenstände und ich habe das Gefühl, dass nichts Anständiges an Pflegepersonal nachkommt, wenn mal jemand kündigt oder schwanger wird. Alle wollen nur noch studieren und ihren Bachelor machen, was natürlich nichts Schlechtes ist, aber in unserem Beruf muss man auch sowas wie Hausverstand und vor allem, das Wichtigste, ein Gefühl haben. Bei manchen ist es mir unbegreiflich wieso sie diesen Beruf ergreifen, wenn sie nichts mehr mit den Menschen/Patienten zu tun haben wollen oder nur das notwendigste.

Wir werden aber auch vom Gesundheitssystem selbst in Stich gelassen. Immer mehr Schreibarbeit, organisatorisches und das Management betreffend, wir übernehmen immer mehr ärztliche Tätigkeiten, was ich persönlich ja nicht schlecht finde, aber alles auf das Pflegepersonal abzuladen und dann keine zusätzlichen Ressourcen zu schaffen ist der falsche Weg. Der Pflegeberuf steuert immer mehr vom Patienten weg, anstatt zu ihm hin und das finde ich traurig, denn um nur noch vor dem PC zu hocken bin ich nicht Krankenschwester geworden. Ich führe mit Leib und Seele meinen Beruf aus, eben aufgrund des Umgangs mit Menschen. Wenn ich meine Runden gehe und es die Zeit zulässt quatsche ich gerne mit den Leuten, nehme sie in den Arm oder höre gerne zu, auch wenn mir die 93-jährige Omi zum 20. Mal dieselbe Geschichte erzählt.

Aber genau auf diese Art erfährt man von den Patienten viel, was ev. auch für die Behandlung relevant ist oder man merkt viel eher, wenn es einem Patienten nicht gut geht, mit ihm etwas nicht stimmt was die Alarmglocken läuten lässt. Man muss sich „einfach“ nur Zeit nehmen und zuhören können und das können oder möchten viele nicht mehr. Das ist das Traurige daran. Wie hast du das als Patient empfunden? In Deutschland ist die Situation ja viel schlimmer als bei uns in Österreich.

An meiner Hand sehe ich die Einstichstelle noch heute
Gute Versorgung ist so wichtig!

Schreibtrieb: Unser Krankenhaus ist tatsächlich ein sehr gutes, mit Pädiatrie und dementsprechend auch guter Gynäkologie. Der Vorteil ist, dass es ein Lehrkrankenhaus für angehende Hebammen ist, so dass es dort immer genug Kräfte gibt. In den anderen Stationen kann ich das nicht beurteilen. Mir ist aufgefallen, dass die Ärztinnen sich mir mit Vorname vorgestellt haben, das war für mich zwar ungewohnt, hatte aber auch eine gewisse Persönlichkeit. Die Schwestern waren unterbelegt, ich habe immer überlegt, ob ich jetzt wirklich klingeln muss. Anfangs war ich mit einer Patientin im Zimmer, deren Mann einmal stark nach Rauch gerochen hat. Da wurde mir sofort eine Kompresse mit Zitronenduft gebracht.

Ich hatte weder das Gefühl, unter Druck gesetzt zu werden, auch kein Mitleid von oben herab war da, sondern viel mehr ehrliches Mitgefühl, Verständnis und Geduld. Meine Temperatur und mein Puls waren immer sehr niedrig, doch auch da wurde nicht gemeckert. Das hat unheimlich viel Druck genommen. Trotzdem gab es keine richtige Beziehung. Nur wenige hatten Zeit, wirklich mehr als die notwendigen Sätze mit mir zu wechseln. Zwischendurch wurden auch ärztliche Anweisungen schlicht vergessen bzw. sind untergegangen. Dann habe ich eben nachgefragt. Trotz des großen Stresses waren die Angestellten alle sehr freundlich und ich hatte nie das Gefühl, Belastung zu sein. Schon diese Kleinigkeit kann helfen, erst mal zur Ruhe zu kommen.

C.: An manchen Tagen ist auch bei uns nicht möglich uns mehr um die Patienten zu kümmern oder in dem Ausmaß wie wir es gerne tun würden. Das liegt auch daran, dass wir eine Akut-Kardiologie sind und der Stresspegel da allgemein höher ist, da jederzeit ein Notfall eintreten kann, es mehreren Patienten gleichzeitig mies geht und schnell reagiert werden muss oder eben auch Patienten versterben, was für die Mitpatienten eine zusätzliche Belastung darstellt und man sich danach um diese auch kümmern sollte. Trotzdem versuche ich, so gut es geht, mir trotzdem für einen Plausch Zeit zu nehmen.

Ich muss aber auch dazusagen, dass ich relativ stressresistent bin und sowieso Hummeln im Hintern habe. Um auf Dich und andere Schwangere zurückzukommen, ich habe ja schon erwähnt, dass es Euch sicherlich guttut und auch förderlich ist einmal Verantwortung abzugeben und einen gewissen Druck quasi an das Krankenhauspersonal abzugeben. Schon alleine zu wissen es passt jemand auf einen auf ist schon erleichternd. Und wie gesagt, wir schicken auch gerne mal den Besuch weg, wenn wir merken es wird dem Patienten zu viel. Übrigens kann man das auch vorher bereits mit dem Pflegepersonal besprechen, nach 10 Minuten den Besuch wegzuschicken, um es nicht selbst tun zu müssen.

Das Umfeld wirkt mit

Schreibtrieb: Ach, ich fand es eigentlich sehr schön, als meine Kinder da waren. Mein Mann konnte nicht jeden Tag kommen und ich lag ja wirklich den ganzen Tag nur herum. Auch davor, als ich noch zu Hause war, kam ich nur zum Toilettengang aus dem Bett. Da war auch eine gewisse Sehnsucht nach meiner Familie da. Ansonsten hatte ich wenig Besuch, auch weil meine Mitmenschen wussten, wie schlecht es mir vorher ging – und teilweise noch gar nicht wussten, dass ich schwanger und im Krankenhaus war. Die Hyperemesis tritt ja bereits und vor allem im ersten Trimester auf. Da sieht man keinen Bauch und von außen ist es einfach nur eine Art Magen-Sache. Wie weit das reicht, ist von außen einfach nicht zu erkennen.

C.: Müsstest du eigentlich öfters als einmal ins Spital oder blieb es bei dem einen Aufenthalt?

Schreibtrieb: Es blieb bisher bei der einen Woche. Ob es am Ende nochmal kommt, kann ich nicht sagen. Da macht mir der Sommer durchaus Angst, denn natürlich wirkt sich Hitze und Schwüle nicht beruhigend auf den Magen aus. Auch die Belastung für das Herz-Kreislauf-System steigt. Ich bin so kein Sommermensch, aber die letzten paar Tage haben mich da ganz schön in die Knie gezwungen. Da der GT im August liegt, kann es durchaus sein, dass es nochmal kritisch wird. Meine Ärztin versucht immer zuerst, mit Infusionen in der Praxis auszuhelfen. Gibt es bei euch den „Hochphasen“ für Hyperemesis-Patientinnen?

Sommer-Hoch?

C.: Könnte ich mich jetzt nicht erinnern, aber es ist verständlich, dass es gerade bei Hitze nochmal losgeht mit den Magenbeschwerden. Im Sommer verliert man schon durchs schwitzen alleine viel Flüssigkeit und da sollte jeder mehr trinken als sonst. Chemopatienten empfehle ich dann oft Apfelmus oder Apfelkompott oder auch mal Cola wo man vorher die Kohlensäure durch schütteln entfernt hat. Auch kalte Suppen werden da eher vertragen. Ich hoffe es wird bei dir nicht allzu schlimm. Wenn doch einfach bei mir melden und wir überlegen uns gemeinsam etwas. Es ist eben ein Rumprobieren und ich kann mir vorstellen wie frustrierend das ist.

Sich endlich auf das Baby freuen

Schreibtrieb: Es ist auf jeden Fall kräftezehrend. Ich gehe dann selten raus, achte drauf, nicht zu viel Hitze abzubekommen. Außerdem werden wir für eine Woche an die Nordsee fahren, wo die Temperaturen zumindest etwas angenehmer sind. Gerade so kurz vor der Geburt ist eine erneute Entkräftung natürlich kontraproduktiv. Dafür habe ich bisher nach der Schwangerschaft, auch durch die Milchproduktion, einen enormen Hunger gehabt, und zum Glück hört die Übelkeit wirklich mit der Geburt auf.

C.: Gott sei Dank ist somit ein Ende in Sicht, aber das hilft dir in dem Moment wo es dir schlecht geht auch nicht. Ich hoffe es wird nicht allzu schlimm. Nimmst du etwas gegen die Verstopfung, wenn du mehr Zofran einnimmst und was kann man da als Schwangere überhaupt einnehmen? Das stelle ich mir schwierig vor.

Schreibtrieb: Ist es natürlich auch. Ich versuche, so wenig Zofran wie nötig zu nehmen. An sehr guten Tagen komme ich ohne aus. Meist nehme ich eine halbe bis zu einer Schmelztablette. Die Wirkung nutze ich vor allem auch zum Trinken, da das immer mein größtes Problem mit der Hyperemesis ist. Das hilft auch gegen die Verstopfung. Ansonsten nehme ich Magnesium und versuche, durch Ernährung die Verdauung zu unterstützen. Als ich noch zwei Tabletten am Tag genommen habe, war es wirklich furchtbar, momentan geht es.

Darüber reden – aber mit wem?

C.: Oh ja, Magnesium wirkt bei mir auch abführend, aber wie!! Das ist auch für alle die daran leiden sicher ein guter Tipp. Diese Nebenwirkung war mir bis jetzt wirklich völlig unbekannt, aber da sieht man wieder wie unterschiedlich jeder auf Medikamente reagiert. Bei Dir liegt es sicher auch daran, dass du aufgrund der Hyperemesis nicht viel trinken kannst. Du hast aber denn Dreh schon gut raus. Kennst Du eigentlich noch andere mit dieser Erkrankung, oder stehst Du damit völlig alleine da?

Schreibtrieb: Wie gesagt, litt meine Großmutter auch daran. Ihr erstes Kind hatte einen offenen Rücken, bei ihrer jüngsten Tochter musste sie ins Krankenhaus. Damals war allgemein die Schwangerschaftsvorsorge komplett anders. Eine andere Autorin schrieb mir außerdem, sie hätte es auch gehabt. Andere Betroffene kenne ich nicht. [Edit: Durch meine Aktion habe ich bisher drei weitere Hyperemesis-Fälle in meinem Bekanntenkreis enttarnt. Redet darüber! Nur wenn ihr wisst, wer darunter leidet, könnt ihr helfen oder über die Probleme reden.] Meine Mutter hatte bei einer Schwangerschaft auch Probleme, aber nicht in der Größenordnung.

Viele andere Schwangere oder Mütter, die ich kenne, hatten überhaupt keine Beschwerden oder nur marginale. Das macht es natürlich schwierig, über das Problem zu reden. Einige denken, ich übertreibe, andere können es einfach nicht verstehen. Auch, dass mir diesmal durchweg übel ist, erstaunt viele. Die online Foren informieren aus Erfahrung heraus. Bücher zum Thema gibt es kaum, Erfahrungsberichte habe ich nur auf Englisch gefunden. Auch das schürt das Gefühl, alleine da zu stehen und selbst eine Lösung finden zu müssen.

Die Sache mit dem Buch

C.: Hast Du Dir überlegt eventuell ein Buch darüber zu schreiben? Es ist nämlich wirklich kaum was zu finden. Manche von den Betroffenen finden in der Ambulanz zusammen, aber man kann sich doch nicht auf gut Glück in eine gynäkologische Ambulanz setzen.

Schreibtrieb: Tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken. Mir hätte es sehr geholfen, so ein Buch auf dem Nachttisch zu haben. Zwar konnte ich kurz vor meinem Krankenhausaufenthalt keine Konzentration mehr aufbringen, um zu lesen, aber davor und auch danach hätte mir diese Informationen und auch Bestätigung sehr geholfen.

C.: Schon zu wissen, dass man nicht alleine mit dieser Erkrankung ist kann helfen. Manche Frauen trauen sich auch gar nicht gewisse Speisen auszuprobieren oder wie du Chips zu essen, weil es immer heißt man darf das und das nicht essen. Es muss wirklich ausprobiert werden. Was bei der einen Frau hilft, muss nicht zwangsläufig auch bei der anderen helfen. Auch das kann die Angst nehmen und den Gedanken „Oh Gott, bei mir hilft das nichts, also ist alles für mich verloren und es hilft gar nichts.“ Ich denke so ein Buch wäre für viele Betroffene eine große Hilfe. Ein Buch mit Tipps, beruhigende Worte, ein Ratgeber wie man wieder auf seinen Körper hört und ihm das gibt was er wirklich braucht.

Gebote und Verbote – weg damit

Schreibtrieb: Dieser Punkt ist auch unheimlich wichtig. Gerade in der Schwangerschaft werden Frauen mit Geboten und Verboten überhäuft. Ich selbst hatte nie großartig Gelüste, eher krasse Abneigungen, aber ich konnte zumindest reagieren, wenn mir beim bloßen Gedanken an ein Nahrungsmittel nicht schon schlecht geworden ist. Das waren dann halt mal Chips, aber eben auch Nüsse oder Fruchtschnitten. Dass Frauen gerade dann gesagt wird, was sie essen sollen, anstatt sie ihrem Körper geben zu lassen, was er von sich aus verlangt, finde ich sehr schwierig. Klar, sollte sich niemand nur von Süßigkeiten oder Glutamat ernähren, aber diese Entmündigung finde ich extrem.

Bei Hyperemesis-Patientinnen wird das nochmal potenziert. Trinken sie bloß kein Mineralwasser, Hände weg von Fertigem etc. Aber es gibt eben kein Patentrezept. Schwierig ist auch, an Forschungsergebnisse zu kommen. Die psychische Komponente, die wir schon angesprochen hatten, ist heute noch sehr verbreitet, auch eine Verbindliche zum HCG kann Schuld sein, ganz genau weiß man es aber nicht, bzw. die Ursache ist individuell. Das erschwert natürlich auch die Behandlung.

Noch immer zählt jeder Bissen, der drin bleibt

C.: Die Behandlung beschränkt sich hierbei eben aufgrund dessen auf die Symptome, also Übelkeit, Erbrechen, Entgleisung der Elektrolyte und auch die daraus folgende psychische Belastung. Ich bin ja der Meinung die Betroffenen sollen essen worauf sie Lust haben. Ich denke mir man kann doch in dem Fall froh sein, wenn man mal auf irgendwas Appetit hat und bei sich behält. Da ist es egal was es ist, Hauptsache man isst oder trinkt etwas. Solche Regeln werden meiner Meinung nach hauptsächlich von solchen aufgestellt, die überhaupt nicht davon betroffen sind. Das ist doch das gleiche wie bei einer Chemo-Patientin.

Sie hatte ständige Übelkeit und behielt nicht mal die Schonkost bei sich. Als wir uns im Nachtdienst Pizza bestellten kam sie auf einmal schnüffelnd auf den Gang und sagte das es hier verdammt gut nach Pizza riechen würde. Ein Arzt war zu dem Zeitpunkt gerade anwesend und meinte, dass sie so eine schwere Kost prinzipiell nicht essen sollte und sie diese vermutlich nicht vertragen würde. Ich brachte ihr dann einfach eine kleine Schnitte Pizza. Sie aß zwar nur die Hälfte davon, aber sie hat was gegessen was ihr nicht wieder hochgekommen ist und war sowas von glücklich. Da frage ich mich was besser ist. Sie war glücklich und ich habe mich ebenso gefreut, dass sie mehr Kalorien zu sich genommen hat, als an den letzten gesamten drei Tagen. Man muss da einfach die Relation sehen und nicht auf ein bestimmtes Ernährungsschema pochen.

Schreibtrieb: Finde ich auch. Gerade wenn es darum geht, erst mal aus der Mangelversorgung und dem Tief herauszukommen. Wenn es danach besser gehen sollte, kann man immer noch auf reiche Gemüsegerichte voller Vitamine umsteigen. Manchmal geht es auch nur darum, endlich mal wieder etwas anderes zu schmecken, als Schonkost, die nach Pappe schmeckt oder Erbrochenes. Das allein gibt schon unheimlich viel Kraft. Ich habe Berichte gelesen von Frauen, die Sauerkraut essen konnten, als alles andere nichts brachte. Überhaupt etwas essen oder trinken zu können, ist da einfach alles, was zählt. Auch andere Ratschläge darf man erst mal beiseitelegen. Spaziergänge an der frischen Luft sind ja nicht verkehrt, wenn mir aber sobald ich aufstehe, zum Kotzen zumute ist, bleibe ich eben einfach so lange wie möglich liegen.

C.: Wie gesagt, das tun was einem gut tut und nicht das was andere meinen was einem guttut

Schreibtrieb: Danke, dass du dir für dieses Gespräch – und alles andere – Zeit genommen hast.

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4 Kommentare

  1. Danke für diesen Bericht!

    Meine Schwangerschaften liegen lange zurück, es scheint sich ein bisschen was geändert zu haben, aber doch erschütternd, dass es noch immer so runtergespielt wird.

    Darf ich meine Erfahrungen hinzufügen?
    Beim ersten Kind kam ich dehydriert ins Krankenkaus, nachdem ich zwei Tage keinen Tropfen bei mir behalten hatte. Der Stationsarzt hatte gerade das gleiche Problem mit seiner Frau und war sensibilisiert. Er hat z.B. die 30°C Sommerhitze mit bedacht und mir trotz des Erstaunens der Schwester genügend Infusionen verabreicht. Es war mir kaum möglich, duschen zu gehen, schon gar nicht ohne Erbrechen. Aber niemand bot mir Hilfe an. Nach sieben Wochen kam ich nach Hause. Mein Frauenarzt wollte mich nicht länger krankschreiben, weil ich ja „sowieso an der Schwelle war, wo es aufhört“. Und „ob ich das Kind denn überhaupt wolle?“ Ich war also gezwungen, mir kurzfristig eine neue Frauenärztin zu suchen, was mir zum Glück dank eines guten Tipps auch gelang.
    Beim zweiten Kind gab es den verständnisvollen Arzt in der Klinik nicht mehr. Die neue Stationsärztin hat mich konsequent wie eine eingebildete Schwangere behandelt, die Mann und Kind im Stich lässt und sich ins Krankenhaus legt. Jede Visite kam der Hinweis, dass ich ja eigentlich nach Hause könne. Nach einer Woche wollte ich dann auch dort weg, da kam der Oberarzt in mein Zimmer und meinte, ich könne nicht gehen, meine Werte seien viel zu schlecht. Ich bin trotzdem gegangen und habe die Infusionen dann ambulant bei meinem Arzt bekommen. Das war auch eine enorme Belastung, dort immer hingefahren zu werden.
    Beim dritten Kind waren nach drei Monaten die Augenringe verschwunden, was reichte, um mich, wie jede andere Patientin auch, stundenlang im Wartezimmer sitzen zu lassen.
    Und dann die Sprüche:
    „Lehnen Sie das Kind heimlich ab?“
    „Schwangerschaft ist keine Krankheit“
    „Wollen Sie das Kind denn überhaupt?“
    „Warum kannst du nicht ordentlich Kinder kriegen?“
    „Ich hatte das auch, aber ich bin arbeiten gegangen.“
    „Das wird bestimmt ein Mädchen. Nur eine Frau kann einer Frau so etwas antun.“
    Ich glaube, das muss ich nicht kommentieren.

    Erst fast zwei Jahrzehnte später traf ich auf eine andere Betroffene. Sie erzählte vom Dauererbrechen und der körperlichen Schwäche, dass es schon eine Qual war, eine Stunde auf einem Stuhl zu sitzen. Ich bekam sehr große Ohren. Es hat so gut getan, endlich mal jemanden zu treffen, dem es auch so ergangen ist. Das hat den Makel, das „alles nur psychisch sei“ und eben an mir gelegen hat, ein wenig abgewaschen. Und sieht man es realistisch: Wäre es vor dem Zeitalter der Infusionen passiert, wäre ich verdurstet. Denn es gab wirklich keine Möglichkeit, meinem Magen dazu zu bewegen, etwas bei sich zu behalten. Und die Annahme mancher Krankenschwester „irgendwas geht immer durch“ und „wenn man genug Durst hat, trinkt man auch“, entspricht nicht der Hyperemesis-Realität.

    Liebe Eva, deshalb danke für deinen Bericht. Ich konnte dieses Buch inzwischen Gott sei Dank zumachen, habe drei wunderbare Kinder und bin froh, dass ich es geschafft habe. Aber es hätte mir damals sehr geholfen, zu wissen, dass es wirklich eine Krankheit ist und ich damit nicht allein bin. Ich finde deinen Plan, ein Buch darüber zu schreiben, ganz wunderbar.

    1. Liebe Pitti, danke für deinen Kommentar. Ich hatte tatsächlich Glück, noch heute werden viele Hyperemesis-Patientinnen mit Ignoranz und Anschuldigungen konfrontiert. Das darf nicht so weitergehen!

    2. Meine Frau leidet unter Hyperemesis und wir haben das hier vorgeschlagene Medikament Zofran-Zydis mit der Gynokologin und dem Oberarzt in der Onkologie im AKH Wien besprochen. Beide meinten, das Medikamte immer auch Nebenwirkungen haben, es gibt fast keine Studien zu Wirkungen des Medikaments bei Schwangerschaften und Ungeborenen und das was es gibt impliziert den Verdacht auf eine Zusammenhang mit Wolfsrachen. Beide würden eine Einnahme nur im äußersten Notfall und auch nur einmalig anraten, keinesfalls aber eine regelmäßige Einnahme.
      Wenn es hier zuverlässige Quellen zur Unbedenklichkeit von Zofean-Zydis bei Schwangerschaften gibt, wären wir sehr, sehr dankbar. Es würde uns tatsachlich viel Mühsal ersparen.

      1. Hallo,

        mir wurde nie etwas von einer möglichen Auswirkung gesagt und ich habe selbst auch recherchiert und nichts dazu gefunden. Meine letzte Schwangerschaft war aber 2018 und vielleicht gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse. Mein Kind, bei dessen Schwangerschaft ich vom dritten bis achten Monat Zofran genommen habe, ist kerngesund. Vielleicht hilft euch die Beschreibung bei embryotox, einer Seite, auf der es Informationen zu verschiedenen Medikamenten und ihrer Anwendung in der Schwangerschaft gibt.

        Liebe Grüße

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