Paarungsbereit – Kirsten Hammann

Mit dem Hinweis Skandalbestseller hatte Paarungsbereit von Kirsten Hammann schnell mein Interesse erweckt. Erschienen ist der 541 Seiten starke Roman 2014 bei btb in der Übersetzung von Flora Fink.

Julies Verlobter hat von heute auf morgen ab und lässt sie sitzen – in der gemeinsamen Wohnung, mit all seinen Sachen. Um die Miete zu bezahlen nimmt Juli Sune als Untermieter auf. Sune ist Schriftsteller und will endlich den Roman schreiben, der ihn aus dem Schatten ins Rampenlicht befördern soll. Während Juli an sich und ihren Beziehungsqualitäten zweifelt, hat Sune Schreibblockade. Um sich zu inspirieren beginnt er, Juli auszuspionieren und plötzlich sind beide in eine Beziehung geschlittert, die sie doch gar nicht führen wollten.

Skandalös fand ich den Roman nicht. Ja, Sune überschreitet Grenzen, indem er Juli überwacht und ausspioniert. Er geht mehr als einen Schritt zu weit. Doch einen Skandal macht das noch nicht. Auch die mehr oder minder erotischen Sexszenen sind aus meiner Sicht keine Schlagzeile wert. Dafür ist der Stil des Romans zu kühl. Weit gefächert macht der Erzähler auch vor den Toilettengängen der Figuren nicht halt und wirft damit die Frage auf, ob auch das Realismus oder Grenzüberschreitung ist. Aus meiner Sicht eher das erste. Der realistische und dadurch alltägliche Blick auf die Figuren macht den Leser zum Beobachter, etwas wie bei einer Dokumentation und die Rolle des Spions in der Beziehung zwischen Figuren – Erzählern – Autor – Leser ist je nach Perspektive zu vergeben.

Die Geschichte selbst ist dabei relativ unaufregend. Zwei erwachsene Menschen, die sich näherkommen, weil sie zusammenwohnen und durch Umstände schon fast gezwungen sind, eng miteinander zu kommunizieren. Für Julie wie Sune ist diese Situation dabei ungewohnt, denn bisher habe sie immer eine andere Stellung innerhalb der Beziehung eingenommen. Dass sie das Blatt für beide am Ende wendet, ist da das mindeste der Figurenentwicklung, die dabei dennoch sehr flach bleibt.

Kritikwürdig war für mich die aufgezeigten Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Mann und Frau. Juli ist sehr konservativ und will unbedingt Mutter werden und Hausfrau sein. Diese extreme Vorstellung der Mutterfigur, die sie verkörpert ist dabei leider immer noch als Beispiel einer Gesellschaft zu verstehen, die Gründe im Zurückdrängen der Frau in ihre Mutterrolle auch gerne an ihrer Biologie versucht festzumachen. Gleichzeitig waren die Szenen, in denen Julie dieser Kinderwunsch zum Wahn gereicht erstaunlich gut, nachvollziehbar und realistisch. Sie ist getragen vom ständigen Wunsch, der stetigen Hoffnung, weil sie glaubt, dann endlich würde etwas Beginnen, dass sie auszeichnet. Dass sie dies auch am Ende nicht als Fehler erkennt und ihr Leben als Leben begreift ist für mich ein großes Manko am Roman.

Gereifter kann dagegen Sune bezeichnet werden, der den Status des immergeilen Selbstbefriedigers nicht nur sporadisch abwirft, sondern in der Beziehung mit Juli tatsächlich die Würde seiner Freundin zu verstehen lernt – nur nicht wirklich zu würdigen. Die Bestrafung folgt hier allerdings auf dem Fuße. Vertrauen soll nicht missbraucht werden, es gibt Grenzen, die es nicht zu überschreiten gilt.

Angelehnt ist die Geschichte dabei oft an eine Telenovela, in der Juli sich mit den Launen ihres Schicksales gefangen sieht. Der Abspann ist darum meiner Meinung nach gut getroffen und macht die Geschichte wieder realistisch. Zwischen all diesen Extremen gefangen ist der Roman durchaus interessant, aber nicht für jeden geeignet. Der kühle Stil machte mir zu schaffen, die detaillierte Beschreibung des Alltags ufert in einem langwierigen Lesen und hält nur hier und da die eigentlichen Punkte bereit. Vielleicht wissen eifrige Leser der dänischen Literatur das Buch mehr zu würdigen.

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