Kaum jemand schafft mit Worten solch wunderschöne Landschaften wie Isabel Allende. Dank ihr reiste ich nach Südamerika, sah die Revolution, roch den Dreck der Armen und hörte das Lachen der Glücklichen. Fehlen mir die Worte, tauche ich ein in ihren Wirbelwind an Formulierungen. Es ist ein geradezu sinnliches Erlebnis, der Kitsch von Liebesbeziehungen unter tragischen Umständen wird überdeckt von Zauberwörtern.
Eva Luna ist dabei die Mutter aller Geschichten. Nicht das erste Buch und dennoch ein Vorbild für jeden, der schreiben will. Denn Eva Luna erzählt ihre Geschichte, wobei sie auf andere Geschichten zurückgreift. Sie ist mit Leib und Seele Geschichtenerzählerin. Kein Wort ist an ihr verschwendet, egal was das Leben ihr bietet, sie macht eine Geschichte daraus, von Engeln, Prinzen und Indianern. Wie es sich für eine richtige Heldin, der die Magie der Worte eigen ist, gehört, ist ihre Zeugung nicht alltäglich. Sex als Medizin, viele würde ihr zustimmen. Die Mutter stirbt früh, doch die kleine Eva Luna gehört zum Mobiliar, niemand bemerkt sie, außer sie will es. Sie lernt durch Beobachtung, ihr Weg liegt nicht offen vor ihr, sondern sie wird geradezu auf ihn gedrängt. Als Dienstmädchen in einem vornehmen Haus entdeckt sie die Wörter endgültig. Kein Autor kann da nüchtern bleiben. Magie der Wörter, Geschichtenerzählen, das gehört zu unserem Sein.
Eva Luna ist selbst Teil vieler Geschichten. Etwa der von Riad, für den sie arbeitet, der eine Frau heiratet, die sich am Unglück labt, ihn betrügt, weiter unglücklich vor sich hin stirbt, sich umbringt. Kaum erwachsen, entdeckt Eva selbst die Leidenschaft zu dem älteren Riad, eine Liebe ohne Zukunft. Stattdessen kreuzt sich später im Guerillakrieg ihr Weg mit dem von Rolf Carlé, dessen Geschichte sie erzählt. Ein Junge aus Deutschland, der bei seinen Verwandten in Südamerika erwachsen wird, mit dem Cousinen die Leidenschaft erprobt. Das Spiel der Worte, der Geschichten, ergreift Eva und Rolf zusammen, er der Photograph, sie die Erzählerin. Ihre Erlebnisse erst machen sie bereit für sich, Geschichte in der Geschichte, in sich eine Wortzauberei.
Eva Luna ist ein Buch, das mitreist, in viele Geschichten, die alle zusammengehören, weil sie zu Eva gehören. Sie vereint den Wirbelwind an Formulierungen, setzt die Mitte, ohne außerhalb der Geschichte zu bleiben. Sie ist erzählende Protagonistin, geht einen verschlungenen Weg, der sie zu den unterschiedlichsten Menschen führt. Kein Buch für jeden, nur für die, die sich einlassen können, die eintauchen können in die Welt der Worte und Erzählungen. Die aber sollten Eva Luna auf jeden Fall lesen, denn die Welt ist voller Geschichten.