Ganz neu erschienen bei Droemer Knaur ist Ulrike Scheuermanns Innerlich frei. 288 Seiten hat dieses Buch, das ich in einem Rutsch durch gelesen hatte. Es wird unter Motivation & Erfolg bei den Ratgebern geführt, ich sehe das aber ein klein bisschen anders. Wenn ihr Lust habt, das Buch auch zu lesen, macht heute im weihnachtlichen Interview mit der Autorin bei meinem Adventskalender mit.
Der Untertitel Was wir gewinnen, wenn wir unserer ungeliebten Seiten annehmen verrät schon viel über das Buch. Es geht nicht um Schönreden oder Perfektion. Im Gegenteil. Im Mittelpunkt stehen unsere Fehler und die Dinge, dir wir an uns und anderen nicht leiden können. Denn unser Leben ist immer wieder geprägt davon, dass wir versucht, uns zu ändern. Für andere, aber auch immer wieder für uns selbst, innerlich, wie äußerlich.
Fehler sind das Salz in unserer Persönlichkeit
Dieser stetige und unmöglich zu beendende Werdungsprozess ist Teil des Lebens. Die Autorin sagt im Grunde auch gar nicht, dass wir aufhören sollen, an uns zu arbeiten. Doch sie zeigt auf, dass viele der „Fehler“ im Grunde wichtige Bestandteile unseres Lebens und unserer Persönlichkeit sind. Dabei zeigt sehr viel von sich selbst und wird dabei absolut nicht zur hoch gestellten Lehrerin, sondern zu derjenigen, die selbst lernen muss, mit ihren Macken klar zu kommen. Diese sympathische Eigenschaft durchzieht das Buch und wird mit weiteren Anekdoten und Erzählungen stilistisch aufgewertet. Unterhaltung inmitten von Möglichkeiten. Denn Innerlich frei sagt nicht, wie wir unser Leben führen sollen. Es zeigt lediglich Beispiele und Denkansätze.
Einfach mal machen
Damit der Leser damit aber mehr machen kann, als nur zu lesen, wie andere ihre Fehler erkannt und liebgewonnen haben, gibt es zu jedem Kapitel Übungen. Die sind teilweise in Gedanken zu machen, wer mag, kann aber auch schreiben. Dabei nutzt die Autorin die unterschiedlichen Eigenarten der Menschen, denn jeder findet hier seinen Weg. Die Aufgaben sind dann auch sehr reflexiv und gehen die jeweilige Fragestellung von mehreren Seiten an. Da ich mir während des Lesen diese Gedanken ohnehin gemacht hatte, waren sie für mich schnell zu beantworten und die wenigsten haben mich noch einmal richtig zum Überlegen gebracht. Dadurch bin ich aber aus dem Lesefluss nicht rausgekommen. Andere könnten hier intensivere Gedankengänge bekommen und das Buch eher Kapitelweise lesen. Ich bin aber ohnehin eine eher reflexiver Mensch und habe mir angewöhnt auch meine Mitmenschen komplexer zu betrachten.
Die Fehler der Anderen
Das hat mir vor allem geholfen, als es daran ging, auch die Fehler der anderen zu erkennen und diese wiederum auf sich selbst zu beziehen. Wir mögen an anderen nicht, was uns auch an uns selbst stört. Manchmal reicht allein die Erinnerung an diesen Umstand und wir werden mit uns und anderen etwas gelassener. Oft aber, und das gibt auch die Autorin offen zu, passiert das nicht mitten im Geschehen, sondern erst beim Nachdenken darüber. Allein die Tatsache, dass Ulrike Scheuermann mit ihrem Buch nicht verspricht, uns absolut perfekt und ausgeglichen zurückzulassen, sondern lediglich Muster aufzeigt, mit denen wir im Rückblick und manchmal auch auf generelle Denkmuster bezogen, vielleicht nicht mehr so belastet werden, finde ich großartig.
Neue Perspektiven
Innerlich frei versucht nicht etwa, alle Leser zu einem gleichen Wesen zu machen. Es hat Raum für Individualität. Es versucht auch nicht, uns zu ändern. Wenn wir uns aufregen, weil die Schwiegermutter mal wieder so einen Unsinn redet, stellt sich das Buch nicht in unseren Gedanken mahnend vor uns. Aber es hilft dabei, danach – oder vielleicht auch schon, wenn sich der Besuch ankündigt – zu reflektieren, uns vorzubereiten und weniger gestresst zu sein. Dieser Ansatz gefällt mir sehr gut. Auch, dass Innerlich frei Fehler neu bewertet und keinen Ausweg aus ihnen sucht, sondern sie als besondere und wichtige Aspekte unserer Persönlichkeit anerkennt, gefällt mir gut. Im Eine tolle, lohnenswerte Perspektive, die allein schon entspannt. Wirklich lesenswert.