Ein Buch, das sofort auf meiner Wunschliste landete, ist Margot Lee Shetterlys Hidden Figures – unerkannte Heldinnen, bei Harper Collins Germany in der deutschen Übersetzung von Michael Windgassen veröffentlicht und 400 Seiten dick. Vielen lieben Dank an den Verlag für mein Rezensionsexemplar.
Anhand einzelner Lebensgeschichten umfasst die Autorin die Geschichte der NACA, die später die NASA wurde. Faszinierend ist dabei nicht nur, dass die ausgewählten historischen Figuren allesamt Frauen sind, sondern auch Afroamerikanerinnen. In einer Zeit, in der die Schulen und Bussitzplätze nach Hautfarben getrennt waren, leisteten diese Frauen die Rechenarbeit für das Langley Memorial Aeronautical Laboratory, die Flugzeugentwicklung und später die Raumfahrt.
Ein Sachbuch, viele Geschichten
Ich habe den Film, zu dem dieses Buch inspiriert hat, noch nicht gesehen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich beim ersten Blick in das Buch sehr verwundert war. Statt einer Geschichte fand ich viele kleine, die mal auseinandergezogen wurde, mal als kurze Episoden daher kamen. Dazwischen aber zeigte das Buch sein wahres Gesicht. Ein erzählendes Sachbuch vielleicht, aber eindeutig ein Sachbuch. Eines, das geschichtliche Veränderungen zeigt, ohne sich zu sehr in einer Geschichte zu verlieren. Am Anfang war ich kurz irritiert.
Vereinbarkeit? Keine Frage!
Das Buch zeigt gleich mehrere hochinteressante Entwicklungen in den USA auf. Zum einen die unterschiedlichen Ausgangspunkte für Weiße und Schwarze, ehe der zweite Weltkrieg auch in Amerika Frauen als Arbeitskräfte entdecken ließ. Statt kleinbürgerlicher Hausfrauen waren die meisten Frauen, die Margot Lee Shetterly fokussiert, erwerbstätig und gleichzeitig Mutter. Fasziniert bin ich vor allem darüber, dass die Frage nach Vereinbarkeit in keinem Moment angesprochen wird. Selbst wenn die Frauen keine Großeltern oder einen Ehemann an ihrer Seite hatten, haben sie ihre Karriere verfolgt. Unschlüssig bin ich aber, ob das Buch sich hier einfach mehr auf die Arbeit der „schwarzen Computer“ konzentriert und andere Probleme einfach außer Acht lässt, oder (was irgendwie unwahrscheinlich ist) es keine gab.
Einklang – Dreiklang
Dabei ist die Geschichte der afroamerikanischen Rechnerinnen der verbindende Handlungsstrang. Die einzelnen Schicksale sind hier miteinander verbunden. Und über diese Gemeinsamkeit blickt das Buch weiter, in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung hinein. Diskriminierungen und Entwicklungen für die schwarze Bevölkerung Amerikas werden aufgezeigt. Manchmal ist dabei nicht ganz klar, wo der eigentliche Fokus des Buches ist. Hidden Figures will Frauenbewegung, Bürgerrechtsbewegung und die technischen Entwicklungsschritte in Einklang bringen. Auf weiten Strecken schafft das Buch das, aber eben nicht immer. Dann schweift es ab und muss sich wieder – fast sprunghaft – konzentriere, was denn eigentlich das Thema ist. Mal verliert es sich in mathematischen oder physikalischen Erklärungen, mal in den Lebensgeschichten der Frauen.
Alles fertig?
Dass Margot Lee Shetterly Hidden Figures dazu noch in ihre eigene Biografie einwebt und einen zusätzlichen Rahmen gibt, ist eigentlich unnötig. Es weckt den Anschein, begründen zu müssen, warum gerade sie sich diesen Themas angenommen hat. Das muss ein Autor nicht. Stattdessen wirkt es unsicher und impliziert, dass sie dieses Buch nur schreiben konnte, weil sie auch schwarz ist und darum die Geschichte der Hidden Figures kennt. Damit erreicht sie, was das Buch genau nicht will. Eine künstliche Grenze zwischen Schwarz und Weiß zu ziehen. Schade finde ich gerade hierbei auch, dass Hidden Figures die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung und Emanzipation zeigt, aber nicht zugibt, dass in beiden Feldern noch jede Menge aufzuholen ist.
Hallo Eva-Maria
das Buch möchte ich auch mal noch lesen. Aber wenn ich deine Rezension so lese, überlege ich mir, nicht doch nur den Film zu schauen – „mathematische Erklärungen“ mag ich ja gar nicht 😉
Liebe Grüsse
Anya
Liebe Anya,
So schlimm ist das gar nicht. Es sind vor allem einzelne Absätze, keine ganzen Kapitel. Aber klar muss sein: das Buch hat keinen Plot, sondern zeigt Geschichte an einzelnen historischen Figuren. Eindeutig Sachbuch. Ich habe es wirklich gern gelesen!
LG
Eva
Hallo Eva-Maria,
die geschichte der NASA finde ich spannend, vor allem aus deiser Perspektive.
Ob mir diese Art des „erzählenden Sachbuchs“ gefällt? Das muss ich wohl mal selbst ausprobieren.
Obwohl ich hatte schon zwei solcher Bücher über den zweiten Weltkrieg, in dem waren Quellen, Fotos, Interviews in die Rahmenhandlung eingesponnen. Das hat mir gut gefallen 8Die Frau des Zooriektors, Aimee und Jaguar).
Ich werde in Hidden Figures beim nächsten Buchhandlungsbesuch mal reinschauen um mir ein Bild zum machen. Das Cover sicht ja so überhaupt nicht nach Sachbuch aus.
Viele Grüße
Silvia
Hallöchen,
eine echt tolle Rezension zu dem Buch.
Habe von der Geschichte oder besser gesagt dem Film durch einen Arbeitskollegen erfahren. Dieser hat den Film schon in einer Preview gesehen und ganz begeistert darüber erzählt. Aber auch die Interviews der Schauspielerinnen haben haben mich beeindruckt. Finde es aber auch zum Teil echt unfassbar, dass man versucht hat die Tatsache zu verschweigen, dass da afroamerikanische Frauen der NASA geholfen (wohl eher den Arsch gerettet) haben.
Dank deiner Rezension weiß ich jetzt zum Glück, dass das Buch aus mehreren kleinen besteht. Generell mag ich es beim Lesen schon Dinge aus einer anderen Perspektive zu erfahren aber mehrere Geschichten auf einmal sind dann doch etwas viel für mich.
Naja…hoffentlich wird der Film der Geschichte gerecht. Wusstest du, dass eine der Frauen von damals heute immer noch am Leben ist?
Liebe Grüße,
Kaddy