Die Geschichte von Adam und Eva – Steven Greenblatt

Natürlich macht mich ein Titel wie Die Geschichte um Adam und Eva sofort neugierig. Immerhin ist Eva im Christentum die Urmutter und die Auswirkung der christlichen Muttervorstellung auf unser heutiges Mutterideal ist enorm. Stephen Greenblatt, Pulitzerpreisträger, widmet sich in seinem neuen Buch der Geschichte, von ihrer Entwicklung bis zu ihrer heutigen Auslegung und verrät, warum sie so faszinierend ist. Danke an den Siedler-Verlag für mein Exemplar.



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Greenblatt beginnt mit einer persönlichen Anekdote, die im ersten Moment schmunzeln lässt, im nächsten aber schon so viel Aussagekraft hat. Als Kind wurde im gesagt, er dürfe in der Synagoge den Blick nicht heben. Die kindliche Überzeugung vom Glauben kämpfte gegen die Neugierde. Die Enttäuschung, als er aufblickte und nichts geschah, setzte sich fest. Die Desillusionierung, der leise erste Zweifel, der die Welt in einem anderen Blick erstrahlen ließ. Er wird zur Chiffre des Sündenfalls selbst, zur Metapher der Erkenntnis.

Woher kommt’s

Anschaulich und detailliert wiegt Greenblatt die biblische Erzählung auf gegen Schöpfungsmyhten, die älter sind. Explizit geht es dabei um den Gilgamesch-Epos, in deren Schatten die persönliche Erfahrung der Juden steht, die von den Babyloniern gefangen und verschleppt wurden. Die historischen Gegebenheiten werden zum psychologischen Ausgangspunkt und die Geschichte des Garten Edens zum Gegenentwurf des Epos. Greenblatt gestaltet diese historisch-literarische Analyse so spannend und gleichzeitig einleuchtend, dass es großen Spaß macht, das Buch zu lesen, zu überlegen, zu rätseln und zu erkennen.

Im nächsten Schritt untersucht Greenblatt Varianten des Judentums, die es in der Antike gab. Im Zentrum steht Augustinus, seine Biografie und seine Arbeit an der Auslegung der Schöpfungsgeschichte. Immer wieder werden es Lebensläufe derer sein, die sich mit Adam und Eva intensiv beschäftigt haben, die den Ausgangspunkt bilden und mit der Aufarbeitung verknüpft werden. Das fasziniert und macht die Personen greifbar, bildet aber eben auch nur Beiwerk zur eigentlichen Thematik. Sei es Augustinus Flucht vor dem eigenen sexuellen Trieb oder Dürers Suche nach Perfektion, Miltons Ansichten zur Ehe oder Darwins Erkenntnisse.

Die Geschichte von Adam und Eva – woher sie kommt und was sie mit uns gemacht hat

Wer hat „Schuld“

Ein Kapitel bildet dabei die jahrhundertelange Unterdrückung der Frau mit der Begründung, sie sei in der Schöpfung angelegt und die Frau ohnehin zur Strafe verurteilt. Doch gleichzeitig schwingt die Betrachtung der Frau und ihre Benachteiligung in vielen der Episoden mit. Sie wiegt schwerer, je eher die Gesellschaft die biblische Geschichte für bare Münze nimmt. Leider bleibt sie auch danach in vielen Köpfen bestehen. Gerade hier hätte ich mir gewünscht, etwas über den Tellerrand zu blicken und den Lilith-Mythos zumindest zu erwähnen.

Die Geschichte von Adam und Eva ist ein Sachbuch, das es schafft, zu unterhalten und zu faszinieren. Neben dem Aufdecken des Ursprungs des Mythos ist es auch die langanhaltende Überzeugung, er wäre – möglichst wortwörtlich – wahr, die sich an den vielen Menschen zeigt, die sich mit ihm beschäftigt haben. Oft über Jahrzehnte hinweg. Selbst wenn wir ihn heute mit einer Handbewegung abtun, macht dieses Buch klar, wie tief er in unserer Gesellschaft verankert ist und warum noch immer manche nicht von seinem Wahrheitsgehalt abrücken wollen.

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