Das TAGE-buch – Heike Kleen

Ein Buch, das mich vom ersten Moment an neugierig gemacht hat, war Das TAGE-Buch: Die Menstruation – alles über ein unterschätztes Phänomen von Heike Kleen. 238 Seiten als Taschenbuch von Heyne spricht es ein Thema an, das zum Glück langsam aus dem Tabu herauskommt. Danke an das Bloggerportal und den Verlag für mein Rezensionsexemplar. Edit: Leider hat Kleen das Buch transfeindlich gestaltet und Menstruation zu etwas rein Weiblichem gemacht. An meiner Rezension, die bereits einige Jahre alt ist, merkt man, dass ich mir der Problematik damals noch nicht bewusst war.

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Scham

Heike Kleen ist ehrlich, so ehrlich, dass sie zuerst von ihrer eigenen Beklemmtheit das Thema Menstruation betreffend schreibt. Von der leiser werdenden Stimme, das Gefühl bloßgestellt zu werden und der Scham, die daran haftet. Um genau das geht es nämlich zuerst einmal. Um die Scham über die Regel, über einen natürlichen Prozess, dem sich die meisten Frauen auf die ein oder andere Art stellen (müssen). Woher kommt sie und was macht sie mit uns?

Meine erste Periode war für mich relativ unspektakulär. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, woher das Blut kam. An dem Tag war ich bei meinem Vater und da ich von Haus aus wusste, was Menstruation ist und dass es auf mich zu kommt, war ich noch relativ schambefreit. Bis zum nächsten Schultag. Da wusste die ganze Klasse, was mir am Wochenende passiert war und das Mädchen, das mich ohnehin schon mobbte, hatte einen Grund mehr gefunden. Sie war eine Freundin meines Stiefbruders.

Viele Blickwinkel

Viele Punkte waren mir vorher bekannt, andere haben mich überrascht und auch schockiert. Allein die Namen, die wir für „die Tage“ haben schwanken zwischen lächerlich, euphemistisch und beleidigend. Überhaupt kann die Menstruation schnell zum Knackpunkt werden. Dass eine Überhöhung des Phänomens genauso gefährlich ist, wie ein verschweigen, macht das Buch wunderbar klar. Diese Vielschichtigkeit an Blickwinkeln hat mich sehr überrascht und gefreut. Individuelle Zugänge ist hier das richtige Stichwort.

Dass es Mütter gibt, die heute noch ihren Kindern verschweigen, dass es die Menstruation überhaupt gibt, hat mich stark gewundert. Schon in meiner Kindheit standen Tampons offen im Badezimmer herum. Meinen Kindern erkläre ich (wenn ich nicht gerade schwanger bin) jeden Monat, was da los ist. Ich meine, versucht mal mit Kleinkindern alleine aufs Klo zu gehen. Sie kennen meine Menstruationstasse und haben (oh Schreck) schon Menstruationsblut gesehen. Mehr als einmal. Ich kann also monatlich etwas Aufklärungsarbeit betreiben und meine Tochter vorbereiten, genauso wie meinen Söhnen die Angst vor dem Unbekannten nehmen. Die Vorstellung, dass Mädchen ihre Tage bekommen und vor lauter Panik denken, sie müssten sterben, schockiert mich immer noch.

Blutung auffangen oder aufhalten?

Heike Kleen folgt der Geschichte auch durch die Erfindung diverser Hilfsmittel wie Tampon, Binde und Menstruationstasse. Wie und wo sie entwickelt wurden, was ihre Vor- und Nachteile sind. Auch die Gefahren, die viele nicht kennen. Vergiftungserscheinungen, die durch Tampons entstehen genauso wie die Masse an Chemie, die gerade heute in diesen Produkten verarbeitet wird. Auch auf die Idiotie, dass Frauen auf etwas, dass sie oft monatlich benötigen aus einem natürlichen Prinzip heraus Luxussteuer zahlen müssen, wird dabei eingegangen und auf das immense Tabu, dass die Monatsblutung in einigen Ländern noch immer ist. Dort, wo Frauen für eine Woche aus der Gesellschaft verbannt werden, das Haus nicht verlassen dürfen oder sogar jegliche Kommunikation verwehrt wird, ist die Periode noch immer etwas Mysteriös-Gefährliches und dadurch auch die Frau selbst.

Panik vor der Periode? Das Tage-Buch klärt auf und macht Spaß

Gerade in den letzten Jahren ranken sich viele neue Vorstellungen um die Regel. Ein Teil davon kommt durch neue Methoden, das Blut aufzufangen. Heike Kleen hat in Selbstversuchen von Free Bleeding über Menstruationhöschen bis zur Tasse alles ausprobiert und gibt im Buch ihre persönlichen Erfahrungen wieder. Dahinter steckt auch viel Recherche zu den einzelnen Produkten, sodass ein tiefes und informatives Bild entsteht. Informativ sind auch die Kapitel zu PMS, Schmerzen bei der Menstruation und Mittel gegen die Blutung. Auch hier wird auf reelle Gefahren in Bezug zu hormonellen oder gar operativen Methoden fundiert eingegangen.

Unterhaltung mit Information

Neben der Fülle an Recherche und Auswertung kommt aber auch der Stil nicht zu kurz. Heike Kleen schafft es, einen amüsanten und gleichzeitig professionellen Zugang zum Thema zu schaffen. Dadurch wird Das Tage-Buch zu einer Unterhaltungslektüre, aus der jede*r sehr viel mitnehmen kann. Tatsächlich habe ich beim Lesen des Buches auch immer wieder mit meinem Sohn geredet. Der hatte zum Ende der vierten Klasse das erste Mal Sexualkunde. Das passte und als er das Buch auf dem Couchtisch gesehen hatte und neugierig wurde, habe ich ihm erklärt, um was es geht. Was Menstruation ist, wusste er schon, dennoch konnten wir über viele Details und auch den Umgang mit der Blutung der Frau reden.

Ein Buch, dass ich darum nicht nur jeder Frau, sondern auch den Männern ans Herz lege. Es wird vieles erklären, bietet Möglichkeiten zum Gesprächsstoff und klärt einfach auf. Ein besonderer Tipp ist dieses Buch aus meiner Sicht auch für Jugendliche in der Pubertät, weil es vor allem Mädchen helfen kann, den eigenen Körper während einer seiner größten Veränderungen besser zu verstehen. Insofern passt es ganz gut, dass mein Sohn mit zehn Jahren schon mehr zu dem Thema erfahren hat, als manch erwachsener Mann – einige Mädchen haben ihre erste Blutung bereits vor dem zehnten Geburtstag, also noch zu Grundschulzeiten. Darum kann die Aufklärung zu dem Thema gar nicht früh genug beginnen.

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