Sommergäste – Agnes Krup auf Vogeljagd

Das Buch liegt offen mit der Titelei, der Titel des Buches und die Autorin, sowie der Verlag sind zu lesen. Sommergäste von Agnes Krup, erschienen bei Piper. Darum sind weiße Blütenblätter verstreut und drei Tonvögel gesetzt. Eine Karte mit dem Spruch "Do what you love" liegt auf dem Buch.

Noch vor Corona hatte ich von Piper Überraschungspost bekommen. Sommergäste von Agnes Krupp rangiert dabei als historischer Roman, der 1925 spielt und bis nach dem zweiten Weltkrieg dauert, an der Grenze zum Gegenwartsroman. Mit der bisexuellen Protagonistin und ihrer Entwicklung wird dabei mehr erzählt als nur eine Dreiecksgeschichte. Den Roman könnt ihr für Aufgabe 7 bei #WirlesenFrauen zählen.

Das Buch liegt offen mit der Titelei, der Titel des Buches und die Autorin, sowie der Verlag sind zu lesen. Sommergäste von Agnes Krup, erschienen bei Piper. Darum sind weiße Blütenblätter verstreut und drei Tonvögel gesetzt. Eine Karte mit dem Spruch "Do what you love" liegt auf dem Buch.
Sommergäste von Agnes Krup

Drei Ecken?

Ellen kommt mit ihrer Freundin Charlotte nach Rockcliff Isle. Dort will sich die berühmt gewordene Autorin Charlotte erholen und schreiben. Die beiden haben sich auf der Insel ein Sommerhaus gebaut und Ellen übernimmt das Einrichte, wie sie auch alles andere für Charlotte übernimmt – außer das Schreiben. Doch auf Rockcliff Isle treffen sie auf Crawford Maker, Präparator aus Leidenschaft. Die Künstlerin Ellen lernt das Handwerk kennen und kommt dabei auch Crawford immer näher.

Aus meiner Perspektive ist von vorneherein deutlich, dass Ellen und Charlotte mehr sind als nur Freundinnen. Dennoch wird es im Roman nicht sofort klar gesagt. Erst dadurch kann Crawford für die Leser:innen überhaupt als Partner für Ellen interessant werden. Er begeistert sie durch sein Fachwissen und seine Leidenschaft und führt sie auch ein wenig zu sich selbst zurück. Denn ohne Frage ist die Dreiecksbeziehung mit ihren Irrungen und Wendungen mehr Begleiterscheinung, als Thema.

Zentrum der Sommergäste

Im Zentrum steht Ellen, die sich selbst immer wieder verliert, in dem sie ihre eigenen Ansprüche für andere zurückstellt. Für ihren Professor, ihren Liebhaber, für Charlotte und andere. Ihr innigster Wunsch ist es dabei frei zu sein, was nicht umsonst mit der Freiheit der Vögel im Roman assoziiert wird. Doch ihre Eigenen Wünsche treten für die Unterstützung von anderen lange in den Hintergrund. Sie leidet, aber sie leidet still und zeigt sich gerade dadurch als Prototyp der Weiblichkeitsvorstellung. Selbstaufgabe für andere, stummes Ertragen. Dabei ist Ellen selbst eine großartige Künstlerin.

Die Handlungsstränge werden immer wieder durch Briefe ergänzt oder durch Rückblenden aus Ellens Leben. Gerade hier zeigt sich, dass die Liebesgeschichte(n) eben nicht im Mittelpunkt stehen, sondern Ellen selbst. Der erste Teil des Romans spielt um ihr Kennenlernen mit Crawford und der Entfremdung mit der Autorin Charlotte, die sich angesichts ihrer zunehmenden Berühmtheit immer mehr abkapselt. Im zweiten Romanteil begleiten Charlotte und Ellen Crawford auf eine Expedition nach Afrika, um einen seltenen Vogel auszumachen. Der letzte Teil bringt viele Fäden wieder zusammen und löst auf, bietet aber vor allem für Ellen einen Raum zur Entfaltung. Während die ersten zwei Teile einem roten Faden folgen wirkt der letzte teilweise durcheinander. Hier spielen große Zeitsprünge eine Rolle, was letztlich mehr verwirrt, als erklärt.

Abziehbilder und Vogeljagd

Zugunsten des Fokus auf Ellen werden viele Nebenfiguren vernachlässigt. Stereotype tauchen auf wie der neugierige begabte kleine Junge oder der erfolgsbesessene Milliardär. Auch Crawford und Charlotte erscheinen bisweilen wie Abziehbilder. Die introvertierte, überforderte Künstlerin hier, der sanftmütige, eigenbrötlerische Fremde da. Das nimmt dem Roman viel und sorgt für blasse Passagen. So sehr Sommergäste jeder Figur ein Ende geben will, sosehr fehlen dabei Persönlichkeiten und Vielfältigkeit.

Auch gelungene Elemente werden im Klischee vermindert. So fand ich es großartig, dass Ellen die schwarze Begleiterin ihrer Expedition nach ihrem richtigen Namen fragt, nachdem diese ihr nur einen europäischen Namen, den sie für Touristen benutzt, genannt hat. Dass gerade diese Person aber in der Rolle der spirituellen Wegweiserin auftritt, ist ein unnötiges Stereotyp. Auch mit dem Leitmotiv von Sommergäste, den Vögeln, die es zu präparieren gilt, kam ich persönlich nicht zurecht. Die Argumentation, dass die Vögel, die umgebracht werden, entweder ohnehin bereits tot seien, weil sie sich verflogen haben und ihren Schwarm nicht mehr finden könnten, oder dass sie in Museen ein wichtiges Bildungsgut sind, zieht bei mir nicht. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die betreffenden Figuren im Roman als regelrechte Vogelschützer auftreten. Dieses Problem ist durchaus ein realistisches, sticht sich aber mit meinen persönlichen Ansichten.

Ich habe Sommergäste gern gelesen, weil die Entwicklung der Protagonistin faszinierend ist. Die Dreiecksgeschichte fand ich dabei eher störend und auch die in den Hintergrund tretenden Nebenfiguren haben viel Kraft aus der Geschichte gezogen. Der Fokus auf dem Präparieren hat mich lange mit dem Roman hadern lassen. Darum ist meine Empfehlung beschränkt für Leser:innen, die kein Problem mit stereotypen Nebenfiguren haben und sich für weibliche Entwicklungsgeschichten begeistern können, ohne sich von toten Vögeln abschrecken zu lassen.

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