Schwangerschaft und Hyperemesis – wie könnt ihr helfen

Meine Schwangerschaft nähert sich immer mehr dem Ende zu. Doch die letzten Wochen sind mit einem weiteren Anstieg der Übelkeit verbunden, die Hitze setzt mir zusätzlich zu, die Zahl auf der Wage beim Frauenarzt schrumpft. Ich nehme ab und je dünner meine Beine werden, desto riesiger sieht der Bauch aus. Dem Baby geht es ausgezeichnet und dank meiner Tabletten ist der Gewichtsverlust nicht besorgniserregend groß.

Noch immer kommen Frauen auf mich zu, die Hyperemesis in ihrer Schwangerschaft ertragen haben oder andere Komplikationen. Sie fühlen sich unsicher und zweifeln an sich und der Mutterschaft. Scheinbar, so der Gedanke, sollten sie eigentlich gar keine Mütter werden. Irgendwie wolle das Universum ihnen sagen, dass sie nicht stark genug sind. Dieser Blödsinn schwirrt in unseren Köpfen, weil wir Schwangerschaft und Geburt noch immer als geheime Stärke der Frau sehen. Wer das nicht problemlos leisten kann (oder gar will), ist keine „richtige Frau“.

Jeder Bauch wächst anders

Heute möchte ich mit euch darüber reden, wie das Umfeld auf so eine Erkrankung reagiert. Die meisten Tipps, die bei Hyperemesis umso schärfer verfolgt werden sollten, gelten auch für viele Schwangerschaften leicht abgeschwächt in den ersten Wochen. Darum fange ich mit einem kleinen Blick hinter dieses Mysterium an. Ich kenne viele Erwachsenen, die nicht den leisesten Schimmer haben, was da eigentlich passiert, wenn eine Frau schwanger ist, Frauen wie Männer, ja sogar Schwangere, die nicht wissen, was da in ihrem Köper gerade los ist.

Das ist eine Schwangerschaft:

Eine Schwangerschaft kommt zustande, wenn eine Eizelle und eine Samenzelle verschmelzen. Das passiert – oh Wunder – in den allermeisten Fällen nicht während des Sex. Einfach deswegen, weil die Samenzellen erst einmal durch die Gebärmutter und die Eileiter der Eizelle entgegen schwimmen müssen. Drei bis fünf Tage überleben die kleinen Schwimmer, wenn alles gut läuft. Trotzdem muss ihnen die Eizelle bereits entgegengekommen sein – bis zum Eierstock würden sie es in der Zeit nicht schaffen. Und bis die Eizelle selbst in der Gebärmutter angelangt ist, stirbt sie leider auch schon ab. Es geht also um Timing. Jede Menge Timing und noch mehr Glück.

TIPP:

Es gibt wohl wenig Grausigeres, als ein unerfüllter Kinderwunsch. Viele reden nicht darüber, weil sie Angst haben, als nicht vollwertig wahrgenommen zu werden. Andere wollen eben keine Kinder und sagen das auch klipp und klar. Niemand, aber auch wirklich niemand hat das Recht, anderen vorzuschreiben, ob, dass, wann und wie viele Kinder nötig sind. Kinder haben nicht die Aufgabe, für das Lebensglück ihrer Eltern zu sorgen. Gleichzeitig ist es einfach unfair, jemanden unter Druck zu setzen, der innerlich selbst schon angespannt ist, weil einfach nichts passiert. Über einen unerfüllten Kinderwunsch zu reden ist schwer, wenn Druck da ist, noch mehr.

Druck bei unerfülltem Kinderwunsch erzeugt nur noch mehr Schuld- und Schamkomplex

Nicht zwangläufig das schnellste Spermium kommt in die Eizelle. Es muss vorher auch den richtigen Weg (immerhin gibt es zwei Eileiter) gewählt haben und all den kleinen Fallen, die bereit stehen, um es nicht allzu einfach zu machen, entgangen sein. Von dem kleinen Prozentsatz an Schwangerschaften, die bei diesem Glücksspiel entstehen verschwinden die meisten, ohne, dass die Frau es je merkt. Grob 20% (es gibt dazu sehr schwankende Berechnungen) aller befruchteten Eizellen kommt soweit, dass ein Schwangerschaftstest gemacht werden kann. Und von diesen 20% enden je nach Rechnung nochmal 30 bis 70 % in einer Fehlgeburt. Ich vermute selbst, zwei bis drei dieser frühen Fehlgeburten erlebt zu haben – verzögerte Periode, stärkere Blutung mit mehr Beschwerden. Wer jetzt denkt „hey, dann ist bei ungeschütztem Verkehr ja gar nicht so sicher, dass eine Schwangerschaft herauskommt“. Schaut euch um. Unsere Welt ist voll von denen, die gegen die Wahrscheinlichkeit angekommen sind – immer noch eine ganze Menge. Und sexuell übertragbare Krankheiten sind dem Spaß ohne Kondom definitiv überlegen.

Die ersten Wochen

Die befruchtete Eizelle teilt sich munter durch verschiedene Mehrzellstadien, bis sie sich in der Gebärmutter einnisten kann. Dabei kann es zu kleinen Blutungen kommen, zu Krämpfen etc. Mit dem Einnisten kommt auch ein Hormonschwung, der die Eizelle halten soll und mit verantwortlich für die Übelkeit ist. Die Brüste spannen (das tut auch mal höllisch weh), Kreislauf, Verdauung, eigentlich alles spielt erst mal verrückt. Wenn keine Probleme auftreten, hören viele Verwandte und Bekannte erst nach drei Monaten, dass die Frau schwanger ist. In den ersten 12 Wochen ist das Fehlgeburtsrisiko am größten und viele entscheiden sich dazu, diese Zeit abzuwarten, bis sie die Neuigkeit publik machen. Wer allerdings wie ich von der Einnistung ab ständig zum Klo rennen muss, kommt mit der Ausrede „Magen-Darum“ maximal zwei Wochen klar. Selbst Keule kommentierte die Schwangerschaft mit Knopf nur mit „ach deswegen ist Mama so schlecht“, meine Mutter hat es damals „erraten“, da ich ohne Ingwerwurzel zum Riechen meine Küche nicht betreten konnte.

TIPP:

Verzichtet auf alles, was stark riecht. Auch bei Zahnpasta, Duschgel, Deo, Waschmittel, etc. Schenkt den armen Frauen keine Blumen – sie müssen vielleicht einen weiten Bogen um sie machen. Fragt vorher nach, was gegessen werden kann und kocht dann auch nichts extra. Wenn es in einer Wohnung nach Zwiebeln riecht, obwohl ich eine „zwiebelfreie“ Version bekomme, kann ich dennoch nichts davon essen, der Geruch hält mich in Schach. Fragt auch nach möglichen Getränken. Alkohol in Gegenwart einer Frau mit Schwangerschaftsübelkeit oder Hyperemesis zu sich zu nehmen ist fies. Dass die Frau dann nicht mehr mit euch reden liegt aber daran, dass sie euren Geruch dann nicht mehr ertragen kann, ohne zu würgen. (Sorry) Gleiches gilt, wenn ihr raucht. Nie neben einer Frau mit Hyperemesis, außer ihr braucht dringend neue Schuhe und müsst die Alten erst ruinieren. Und auch nach dem Rauchen noch Abstand waren – der Geruch ist einfach zu umfassend.

Manche Frauen sind die ganze Schwangerschaft über krank

Die ersten drei Monate wächst auch der Bauch nicht. Generell kann es sein, dass ihr den werdenden Müttern bis zur späten Schwangerschaft nicht anseht, dass sie ein Baby erwarten. Noch im sechsten Monat hatte ich bei Keule lediglich ein „Bäuchlein“. Je mehr Schwangerschaften allerdings bereits auf das Konto gehen, desto schneller wächst der Bauch, der sich einfach an die Dehnung erinnert. Auch die Lage des Babys kann Form und Größe des Bauches beeinflussen. Sprich: Der Bauch sag absolut NICHTS darüber aus, wie weit eine Schwangerschaft fortgeschritten ist oder welches Geschlecht erwartet wird.

TIPP:

Fasst NIE ungefragt den Bauch einer Schwangeren an. Auch nicht als Ehemann oder baldiges Großelternteil. Ich tatsche ja auch nicht ungefragt an eurem Körper herum. Und lasst jegliche Kommentare zum Bauch am besten ganz sein. Bodyshaming in der Schwangerschaft ist es unterste Schublade. Kommentiert auch seltsames Essverhalten nicht. Vielleicht ist es das einzige, das sie gerade essen kann, vielleicht ist es der Frau selbst peinlich, Kommentare sind nicht nötig!

Übel

Wenn eine Frau unter Übelkeit leidet, vergeht diese meist nach den ersten zwölf Wochen. Auch Hyperemesis nimmt in vielen Fällen spätestens zum fünften Monat ab. Aber nicht in allen. Während ich in den drei vorherigen Schwangerschaften zwischen dem fünften und siebten Monat zumindest eine Ruhephase hatte, wurde es diesmal überhaupt nicht besser und aktuell wird es wieder schlimmer. Andere Frauen haben mit Schwangerschaftsdiabetes, Wassereinlagerungen, erhöhtem Blutdruck oder Pigmentverfärbungen zu kämpfen. In meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich mehrere Brustentzündungen. Frauen, bei denen die Plazenta tief liegt, müssen eventuell die komplette Zeit liegend verbringen. Die Plazenta, der Mutterkuchen, die das Baby versorgt, kann „verkalken“, sprich sie schafft ihre Aufgabe nicht mehr. Auch dann ist besondere Vorsicht nötig, damit das Baby noch genug Nährstoffe bekommt.

TIPP:

Auch wenn es schwerfällt, lasst „du muss das und das machen“ einfach sein. Ihr wisst nicht, woran die Probleme der Frau liegen und Dinge, die bei Nichtschwangeren funktionieren, helfen hier nicht. Die Frau hat in den meisten Fällen NICHTS falsch gemacht. Sie ist unsicher und unglücklich und braucht einfach Unterstützung, keine Bevormundung. Fragt, ob ihr helfen könnt, nehmt nicht an, ihr habt die Lösung auf dem Silbertablett.

Schwangere und Eltern bekommen mehr „gute Ratschläge“ als sie verkraften können – macht da nicht auch noch mit

Und noch ein paar Infos auf den Weg: Bei unproblematischen Schwangerschaften werden drei Ultraschalluntersuchungen angesetzt. Wer mehr will, muss die zusätzlichen meist selbst zahlen. Auch verschiedene Untersuchungen, die gemacht werden können (wie sinnig, ist immer die Frage) kosten zusätzlich Geld und werden nicht übernommen. Das Geschlecht kann per Ultraschall etwa um die 20te Schwangerschaftswoche erkannt werden. Pränataldiagnostik ist zuverlässiger, aber auch gefährlich. Zum einen kann es dabei immer zu Problemen bis hin zur Fehlgeburt kommen, zum anderen entsteht teilweise auch unnötige Panik bei den werdenden Eltern. Die Nackenfaltenmessung zur Erkennung der Trisomie 21 – mit der sehr viele Menschen sehr gut leben und heute auch studieren und selbstständig sind – kann zu Folgeuntersuchungen führen (immer belastend) oder zur Abtreibung.

TIPP:

Ein sehr heikles Thema. Eines meiner Kinder kam mit einem „Anhängsel“, einem sechsten Finger, der nicht komplett ausgebildet war und aus Sicherheitsgründen entfernt werden musste (er hing an einem Stück Haut und hätte jederzeit abreißen können). Für meine Großmutter damals einfach nur furchtbar, da nicht „normal“, ich hatte nur Angst, dass mein Kind den Finger irgendwann vermissen würde. Wenn Fehlbildungen oder Krankheiten vorab ersichtlich sind, belastet das die werdenden Eltern sehr. Die Angst, nicht genug zu sein, Schuld und Scham, vor allem die Angst, dass das Kind nicht glücklich werden kann. Auch hier: Unterstützen, nicht bevormunden, egal für welchen Weg sie sich entscheiden.

Generelles

Eine Frau nimmt in der Regel 10 bis 15 Kilo während der Schwangerschaft zu – erhöhtes Blutvolumen, Plazenta, Baby, Fruchtwasser, Brustgewebe. Sie isst dabei nicht für zwei! Viele Frauen nehmen während der Schwangerschaft Nahrungsergänzungsmittel, die Folsäure, Eisen, Magnesium, … enthalten und den erhöhten Bedarf decken sollen. Gezählt wird die Schwangerschaft in Wochen (40 Wochen) bzw. Monaten. Hier aufpassen: meist werden jedem Monat dann genau vier Wochen zugeordnet, was insgesamt auf 10 Monate kommen lässt. Ganz genau wird die Zeit mit Yte Woche plus X Tage angegeben. Verlasst euch aber nicht zu sehr darauf. Nur 5% aller Babys kommen zum errechneten Termin, die meisten kommen im Zeitraum von plus minus zwei Wochen um diesen Tag herum. Heute werden auch einige zum Wunschtermin per Kaiserschnitt geholt. Eine Entscheidung, die ich kritisieren kann, aber dennoch jeder Frau selbst überlassen werden muss. Es gibt immer Gründe. Darum sage ich auch niemandem den genauen errechneten Termin, sondern nur das grobe Feld. Mitte August. Und auch dann können zwei Wochen aus Mitte schnell Anfang oder Ende machen. Wenn der Termin verstrichen ist, leiten viele Frauenärzte und Kliniken übrigens gerne schnell ein, weil jeder Millimeter, den das Baby noch wächst die Geburt schwieriger macht.

TIPP:

Die letzten Wochen sind extrem anstrengend. Der Bauch drückt immer, Schlafen ist schon jetzt Luxus, irgendwas tut immer weg. Die Frau will, dass es endlich losgeht und sie das Baby auch mal im Arm halten darf. Fragt nicht ständig nach, ob es denn schon soweit ist, wann genau oder ob sich schon was tut. Lasst auch Kommentare wie „Ich glaube, es kommt früher“. Baut keinen unnötigen Druck auf. Das Baby wird kommen, so viel ist klar.

Die letzten Wochen sind für alle ein endloses Warten

Als Frühgeburt gilt das Kind, wenn es mehr als zwei Wochen vor dem errechneten Termin kommt. Ob es dann noch in den Brutkasten muss, liegt an der persönlichen Reife des Kindes. Überlebensfähig sind Ungeborene übrigens um die 24te Schwangerschaftswoche – wichtig dafür ist die Größe und das Gewicht, genauso wie der Reifeprozess der Organe. Und wer glaubt, eine Geburt würde Hollywoodmäßig ablaufen, wird sich wundern. Im Liegen zu gebären ist extrem anstrengend und unnatürlich. In Deutschland sind Gebärbetten so eingestellt, dass sie immer leicht schräg sind und die Schwerkraft helfen kann. Noch besser ist ein Gebärhocker, viel Bewegung während den Wehen und verschiedene Stellungen beim Pressen. Das Köpfchen kommt zuerst, dann dreht sich das Kind, so dass die Schultern geboren werden können und zuletzt kommt der Unterkörper. Danach muss auch die Plazenta „auf die Welt kommen“ – die Wehen sind also nicht etwa vorbei, sondern es muss noch etwas gepresst werden. Das gilt wohlgemerkt für Geburten nach Lehrbuch. Manche Kinder haben aber schon da ihren eigenen Kopf.

TIPP:

Wenn die Eltern das Geschlecht nicht kennen oder wissen wollen, wenn sie den möglichen Namen nicht vorab verraten oder andere Dinge für sich behalten, denkt immer daran: IHR BEKOMMT DIESES BABY NICHT! Es ist ihr gutes Recht, nicht alles gleich in die Rosa-Hellblaufalle laufen zu lassen oder Dinge im Unklaren zu lassen. Es ist ein Schutz des Kindes von Vorabzuschreibungen und ihr könnt weder an dem Namen, noch an dem Geschlecht oder sonst welchen Entscheidungen irgendwas ändern. Wartet einfach ab und lasst etwas Raum.

Und mit der Geburt ist vieles noch nicht vorbei. Was vierzig Wochen lang gedehnt wurde, schnappt nicht sofort wieder zu alter „Fläche“. Der Bauch hängt erst einmal, die Wunde in der Gebärmutter, wo Plazenta und Baby waren, blutet – teilweise mit Krämpfen, Stillen schmerzt gerade die ersten Tage, bis Brust und Baby ein eingespieltes Team sind. Die Blutung dauert bis zu zwölf Wochen. Ein Kaiserschnitt ist was die Zeit nach der Geburt angeht um einiges schmerzhafter, weil mehr Wunde da ist und zusammenwachsen muss. Und wer stillt wird mehr als ein Oberteil in Sekundenschnelle durchnässen, nur weil irgendwo gerade ein Baby schreit. Aber hey, ich kann dann wenigstens wieder essen^^.

Empfohlene Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner