Nachdem letztes Jahr ein Manuskript aus Ottfried Preußlers Nachlass den Weg in die Buchläden gefunden hat, war ich Feuer und Flamme, was es mit Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe auf sich hat. Zugegeben, Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete fand ich nicht so berauschend, doch bei Rodrigo und Knirps sah die Sache von vorneherein anders aus. Denn von Ende selbst sind nur die ersten drei Kapitel, die restliche Geschichte wurde von Wieland Freund geschrieben. Wie es sich für ein „Ende“ Buch gehört bei Thienemann-Esslinger erschienen mit 208 Seiten. Danke an den Verlag für mein Rezensionsexemplar.
Sprechende Namen
Knirps ist der Sohn von Papa und Mama Dick, ihres Zeichens Puppenspieler aus Tradition. Doch mit Tradition hat es Knirps weniger, und auch sonst ist er ziemlich eigensinniger Junge. In einer stürmischen Nacht entwischt er dem Puppenwagen und macht sich auf, den gefürchteten Raubritter Rodrigo Raubein zu finden, der auf der nahegelegenen Schauderburg lebt. Denn Knirps kennt keine Angst, wünscht sich aber etwas Spannung und vor allem Abenteuer. Der ideale junge Held also für große und kleine Kinder.
Ihm auf den Fersen sind bald schon seine Eltern, die umso mehr Angst haben, und der kluge Papagei Sokrates. Der versucht, Knirps Geschichte vorauszusehen, denn mit Geschichten kennt er sich aus. Doch in dieser Geschichte ist wenig so, wie es den Anschein hat, angefangen beim Raubritter Rodrigo Raubein selbst, und es gibt allerlei kuriose Wendungen, die eine entführte Prinzessin, einen melancholischen König, einen bösen Zauberer und einen gelangweilten Drachen miteinbeziehen. Kurz: Es wird turbulent und jedes Kapitel birgt nicht nur für die Leser*innen eine Überraschung.
Endes Kapitel prägen
Die ersten drei Kapitel geben dabei den Takt vor. Mit wunderbaren Wortspielereien und Formulierungen, die gleichzeitig Witz als auch Spannung beinhalten, wird der Stil für das ganze Buch bestimmt. Auch darum gibt es keinen Bruch zwischen den „original“ Ende-Kapiteln und dem, was folgt. Die Geschichte, der Stil, die Charaktere bleiben gleich und das Buch wirkt dadurch wie aus einem Guss. Beim Vorlesen kann es durch die immer gleiche Aufzählung der Beteiligten (Rodrigo wird zum Beispiel stets mit „Raubritter Rodrigo Raubein“ genannt, auch wenn er in mehreren Sätzen hintereinander auftritt) zu kleinen Versprechern kommen, die für uns aber zum Unterhaltungswert beigetragen haben. Zum (Vor-)Lesenüben finde ich das Buch gerade deswegen ideal geeignet.
Die vielen Überraschungen und Wendungen der Geschichte sorgen für jede Menge Unterhaltung, und haben ihre ganz eigene Spannung, ohne dass das Buch zu viel Gefahr oder aktionsreiche Handlungen erfordert. Das hat mir sehr gut gefallen, weil Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe dadurch eine angenehme Lektüre für junge Leser ist, die ohne zu viel Drama auskommt und dennoch jedes Kapitel ihren kleinen Höhepunkt feiert und neugierig auf das macht, was noch kommt.
Das Manko
Im Ganzen also ein wirklich schönes Kinderbuch mit viel Witz und natürlich einer positiven Botschaft. Fast gibt es nichts zu meckern. Fast. Es mag der Sensibilisierung für das Thema geschuldet sein, dass ich mittlerweile aufhorche, wenn die Bösen in Kinderbüchern mit schwarz und dunkel assoziiert werden (warum das ein Problem ist, erklärt Noah Sow in Deutschland Schwarz Weiß viel besser, als ich es je könnte). Dass also der Drache ein schwarzes Schuppenkleid hat und der Zauberer nur im schwarzen Mantel herumläuft, macht mir Probleme.
Ja, das Buch zieht Stereotype aus der Schublade, um es Kindern leicht zu machen, aber dass „schwarz“ nicht gleich „böse“ heißt und auch nicht heißen darf, hätte doch mal jemandem auffallen können. Und da gerade hier nicht die endsche Vorlage zugrunde liegt, sondern sowohl Drache als auch Zauberer erst wesentlich nach Kapitel drei auftauchen, zählt auch die Ausrede nicht. Das mag vielen weißen Lesern unwichtig vorkommen, ist es aber eben nicht. Ich habe dabei schlicht die Möglichkeit ergriffen, mit meinen Kindern darüber zu reden, dass schwarz (egal ob bei Kleidung, Haaren, Schuppen oder Haut) keine Aussage über den Charakter machen kann und das doch eigentlich doof ist, wenn ein Buch uns das suggeriert. Schöner wäre gewesen, wenn das Buch das zum Beispiel schon selbstreflexiv gemacht hätte (ja, das geht).