Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr – Walter Moers

Natürlich konnte ich nicht widerstehen, als Walter Moers, einer meiner Lieblingsautoren, mit Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr bei einem meiner Lieblingsverlage Knaus ein neues Werk in die Welt entließ. Und dann lag es hier und ich hatte Angst. Weil es einer meiner liebsten Autoren ist, der mich dennoch nicht immer begeistert. Weil es einer meiner liebsten Verlage ist, bei dem dennoch nicht jedes Buch ich jubeln lässt. Weil ich wusste, dass ich mit diesem Hintergrund umso kritischer an das Buch herangehe. 344 Seiten hat der neue Zamoninen-Roman, die Illustrationen kommen diesmal nicht von Moers selbst, sondern von Lydia Rode. Dazu gleich mehr.

Prinzessin Insomnia leidet an einer kuriosen Krankheit – sie kann nicht schlafen. Oft bleibt sie tagelang wach und versucht sich von der Schlaflosigkeit abzulenken, denkt sich Regenbogenerfindungen aus und wandelt durch das Schloss. Eines Abends erscheint ein Nachtmahr, Havarius Opal, der ihr ankündigt, sie wahnsinnig machen zu wollen, und sie in ihren eigenen Kopf entführt.

In Zamonien, aber nicht wirklich da

Dieser Roman ist auf mehrere Arten ein besonderer. Zum ersten ist es kein klassischer Zamonienroman, in dem der Leser diese fantastische Welt kennenlernt und ein großes Abenteuer präsentiert bekommt. Die Handlung spielt sich anfangs im Schluss der Prinzessin und dann eben maßgeblich in ihrem Kopf ab – wobei das auch eine fantastische Welt ist. Moers schafft es, eine Mischung aus biologischen Gegebenheiten und wunderbaren Vorstellungen hier zu vereinen. Die bildliche Darstellung im Text ist durchweg großartig. Wenn sich der Leser auf diese Reise einlassen kann, hat er schon gewonnen.

Besonders ist aber auch, dass gerade das Abenteuer sehr spät einsetzt. Das erste drittel ist durchweg der Blick auf die Prinzessin, die durch ihre Gänge wandelt, Türme hochsteig und müde werden will. Sie erfindet Worte, Regenbogenerfindungen, sieht fast unsichtbare Zwerge im Zwielicht des Tages. Wer „Action“ erwartet, wird hier zwangsläufig enttäuscht. Wer aber genau hinsieht, erkennt dass dieser Teil eine Geschichte über das Erzählen selbst ist. Über das Erschaffen von Figuren, dem kreativen Prozess des Erfindens und eine Liebeserklärung an die Fantasie. Dieser Teil sollte meiner Meinung nach nicht in einem Rutsch gelesen werden, sondern bewusst, mit voller Aufmerksamkeit, nach und nach.

Ein besonderes Buch: Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr
Geschichte und Geschehen

Es passiert vom Geschehen her nichts in diesem ersten Drittel. Aber gerade das zeigt nicht nur, wie langatmig Kreativität und Denkprozesse von außen sind, sondern auch wir verzweifelt die Prinzessin in ihrer Situation. Manche Leser könnten diesen Teil mit Sicherheit langweilig bezeichnen, weil wir schnelle Handlungen und eine Exposition von wenigen Seiten gewohnt sind, doch er führt Schritt für Schritt in genau die Situation ein, in der die Prinzessin sich befindet. Er ist voller Wunder im Kleinen und gleichzeitig wie eine einzige, scheinbar endlose Abschweifung. Und das obwohl Mythenmetz gar nicht auftritt.

Die Handlung setzt im Grund erst mit Erscheinen des Nachtmahrs ein und bleibt auch dann eher verhalten. Nach dem Motto, der Weg ist das Ziel, gibt es viele kleine Abenteuer und das große treibt dem Leser jetzt auch nicht den Schweiß auf die Stirn. Es ist ein sachtes Buch, voller großartiger Bilder, feiner Psychologie und Anregungen. Ein besonders Buch eben. Und wie so oft, muss man sich auf ein besonders Buch einlassen können. Es ist keine Berieslung, keine schnelle Unterhaltung und gerade das macht es für mich sehr lesenswert.

Drum herum

Und zuletzt muss ich auf den Hintergrund verweisen, der dieses Buch nochmal in einem anderen Licht erstrahlen lässt. Denn dass die Illustrationen hier nicht von Moers selbst, sondern von Lydia Rhode kommen, hat eine besondere Bewandtnis. Diese junge Frau hat den zurückhaltenden Autor angeschrieben und ihm für seine Bücher gedankt, die ihr geholfen haben. Geholfen bei ihrer eigenen Erkrankung, die Gedanken zu ordnen und sich abzulenken. Vielleicht ist Prinzessin Insomnia ein Buch vor allem für sie. Aber umso mehr für uns, um zu erkennen, wie Blickwinkel die Welt verändern und Situationen uns färben.

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4 Kommentare

  1. Ich liebe dieses Buch! Da ich selbst unter sehr starken Schlafstörungen leide, konnte ich mit Prinzessin Insomnia so gut mitfühlen und ich habe während dem Lesen ganz oft gedacht, dass ich schon das selbe gedacht oder gefühlt habe. Für mich war das ganze Buch ein Hoch auf die Kreativität und die Fantasie und mir persönlich hat es oftmals in schweren Zeiten geholfen, weil ich das Gefühl hatte, nicht allein zu sein.

    1. Oh wie toll. Das Buch wurde ja auch mit einer Betroffenen gestaltet und da hat es einen einmaligen Einblick gewinnen können.

      1. Das war auch einer der Gründe, warum ich es mir damals sofort gekauft habe: weil ich wissen wollte, wie eine Betroffene mit CFS die Welt sieht, da die Erkrankung damals auch bei mir vermutet wurde (ob ich sie habe, weiß ich bis heute nicht, da sie schwer festzustellen ist -.-
        Immerhin hat das Buch mich auch auf Walter Moers aufmerksam gemacht, der bis dahin irgendwie völlig an mir vorbei gegangen ist 😮

        1. Oh, dann viel Spaß bei seinen anderen Büchern 😍

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