Lily Frost – Nora Weetman

Bei Gulliver ist dieses Jahr Lily Frost erschienen, 235 Seiten von Nora Weetman, übersetzt von Friederike Levin. Ein wunderschöner Umschlag, der je nach Lichteinfall bläulich, violett oder weißlich schimmert und deswegen ein Hingucker ist.

Lily zieht mit ihrer Familie in ein winziges Dorf, in ein verfallenes, unheimliches Haus. Gefrustet von der Geldnot der Eltern, die den Umzug nötig machen, muss Lily ihr altes Leben hinter sich lassen. Doch richtig ankommen kann sie in ihrem neuen Zuhause auch nicht. In ihrem Zimmer entstehen aus dem Nichts Pfützen, im Dunkeln hört sie ein fremdes Atmen und eine rote Kapuzenjacke taucht auf, die Lily nicht gehört. Dann erfährt sie, dass in ihrem Haus vorher ein Mädchen gelebt hat, das eines Tages plötzlich verschwunden ist – Tilly. Und Lily ist besessen davon, ihr Geheimnis zu lüften.

Der Stil ist gut. Lilys Verzweiflung, ihre innere Wut und der Frust sind gut zu erkennen. Trotzig wie ein kleines Kind, aber ironisch wie eine Erwachsene versucht sie, gegen ihre Eltern anzukämpfen. Auch die Faszination der Gefahr ist gut verdeutlicht. Lily hat Angst vor dem Dachboden – und beschließt dann ausgerechnet in dieses Zimmer zu ziehen. Trotz ihrer Ängste und Überlegungen ist sie sehr stark und mutig. Die Selbstsicherheit entsteht genau in den Momenten, in denen sie sie nötig hat.

Ziemlich flach ist dagegen der Verlauf. Im Grunde wird das Ende der Geschichte bereits in Lilys erstem Rückblick an das Schwimmbecken der Nachbarn vorweggenommen und schnell deuten alle Geschehnisse darauf hin, was passiert ist und wo Tilly ist. Diese Eindeutigkeit nimmt dem Buch relativ schnell viel Spannung und es geht dann nur noch darum, wie lange Lily dafür braucht, es heraus zu finden. Die Bedrohung durch Tilly wird auch immer wieder allein dadurch relativiert, dass Lily zu ihr will und keinen Moment zögert.

Auch die Nebenfiguren sind zwar gut gezeichnet, bleiben dann aber oberflächlich. Der Nachbarsjunge, für den Lily Gefühle hat, der selbst zerrissen ist und dem am Ende ohne große Worte die Schuld für Tillys Tod zugeschoben wird – bitte schön, jetzt lebe damit. Oder seiner Schwester, die bellt, aber nicht beißt und am Ende einfach untergegangen zu sein scheint. Der kleine Bruder, der scheinbar nur deswegen da ist, damit es in der Familie einen Gegenpart zu Lily geben kann – oder deren beste Freundin, die mal dies, mal das sagt.

Wirklich ins Gruseln bin ich bei Lily Frost nicht gekommen – dafür war das Buch zu vorhersehbar. Gerade das hat dann auch dem eigentlich guten Stil viel genommen. Figuren wie Handlung bleiben oberflächlich und bietet zwar kurzfristige Unterhaltung, versinken dann aber auch passenderweise schnell wieder. Vielleicht ein guter Einstieg für junge Leser, die sich an das Genre herantasten, aber auch dann nur ein kurzes Vergnügen.

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