Liebe ich Dark Romance?

Heute hat Annabelle Schiller alias Bella Lamour zu einer Bloggeraktion aufgerufen. Sie möchte wissen, warum wir Dark Romance lieben, was daran so toll ist und wieso niemand es vorschnell verurteilen sollte. Passend dazu ist gerade ihren Sammelband zur Master is dark – Reihe erschienen, doch darum geht es jetzt erst mal nicht.

Dunkle Romantik
Romantik hat ursprünglich wenig mit Liebe zu tun, sondern mit Mystik (Foto: Mysticartdesign / pixabay.de)

Ich persönlich finde den Begriff Dark Romance ja leicht irreführend. Das könnte genauso gut ein mystischer Liebesroman sein. Oder einer mit Horror-Elementen. Die Romantik, aus der wir heute den Begriff des Romantischen kennen, war jedenfalls nicht wirklich für große Liebesgeschichten bekannt. Selbst in den Märchen geht es weniger um Liebe, als um Adoleszenz und den Status der Ehefrau als nächste Ebene nach der Kindheit. Dunkel war da vor allem die Schauerromantik, die Psychologisierung der Figuren, Abhängigkeit, Verfall.

Ein Ansatz!
Tief angelegte Psychen machen Dark Romance interessant (Foto: geralt / pixabay.de)

Ah, in Ordnung. Nehmen wir tatsächlich diesen letzten Punkt der Schauerromantik: Psychologisierung, Abhängigkeit, Verfall. Jackpot würde ich sagen. Denn diese Elemente finden wir in den Dark Romance Büchern wie 50 Shades of Grey oder Crossfire – und eben auch in Master is dark. Tatsächlich lese ich ab und an gerne so einen Roman. Die Liebesgeschichte – wenn man sie denn so nennen will – ist dabei zweitrangig. Aber selten sind Figuren mit so grundlegend zerstörerischen Psychen ausgestattet. Zyklisch wiederholen sich dabei manche Grundlagen, aber Tatsache bleibt, dass der psychologische Hintergrund Tiefe vermittelt. Wer ein passendes Gegenbeispiel vorgezeigt bekommen will, kann gerne auf Twitter nach #bffliest suchen. Die Bloggerinnen haben gemeinsam einen Roman gelesen, der so ziemlich alles sprengt. Ich habe mich köstlich amüsiert, denn hier zeigt sich, was Dark Romance nicht sein sollte. Unglaubwürdig, das Psychogramm seiner Figuren verletzend, flach.

Mehr als nur Sex
Ganz wichtig bei Dark Romance: Keine Geldsorgen (Foto: IncisedClown / pixabay.de)

Wer sich auf das Spiel zwischen den Psychen einlässt, wird schnell merken, dass es nur vordergründig oft um Sex geht. Tatsächlich geht es um Beziehung, um Macht, um Abhängigkeit. Es gibt eine dunkle Angst vor genau diesen Themen und ein guter Roman geht damit um. Er stagniert nicht, sondern lässt seine Figuren sich entwickeln. Gerade bei Dark Romance ist das immens wichtig, da die Psychologisierung das nötig macht. Aufbereitung, Näherkommen, Vertrauen. Mit extremen Beispielen zeigen diese Bücher, was eine gute Beziehung ausmacht und woran sie immer wieder scheitert. Verrat, Misstrauen, Angst. Dass die Figuren selbst in unverschämt reichen Kreisen wandeln ist Teil des Konzepts. Denn nur, wer sich nicht um Geld Sorgen machen muss, kann seine ganze Energie in das Machtspiel zwischen den Protagonisten stecken.

Die Frauenrolle
Leidenschaft, Liebe, Macht – auf beiden Seiten. So funktioniert nicht nur Dark Romance (Foto: Tumisu / pixabay.de)

Und wenn wir schon bei den Machtspielchen sind, muss ich einfach mal etwas zu den Frauenrollen sagen. Denn ich verstehe absolut, wenn jede auf Gleichberechtigung gerichtete Person erst einmal das Gesicht verzieht. Den im ersten Moment richtet sich das ganze Leben der meist weiblichen Protagonisten auf den Mann aus, der sie geradezu als Besitz deklariert. Ich bitte um den zweiten Blick. Denn auch die Frauen sehen in „ihrem“ Mann etwas, das sie mit aller Macht wollen, sind eifersüchtig und besitzergreifend. Und auch die Männer zeigen in guten Dark Romance Romanen Entwicklung, geben Freiräume, unterwerfen sich geradezu der Frau, die sie lieben. Das zeigt sich natürlich auch, aber nicht nur, in den Sexszenen, wenn keineswegs nur die Frau „beherrscht“ wird. Bei einer genauen Analyse ist es eigentlich erschreckend, dass ausgerechnet Liebesromane mit SM-Bezug auf einer sehr verdrehte Weise schafft, woran andere immer wieder scheitern. Mann und Frau auf eine gleiche Ebene zu bringen.

Liebe ich Dark Romance?

Ich weiß nicht, ob ich behaupten kann, Dark Romance zu lieben. Dafür kommt mir zu viel Schema rein. Ich kann nicht direkt behaupten, die Frauenfiguren sind schwach – die eigentliche Macht hat der, der das Codewort nutzt oder nutzen kann. Doch der Fokus, das eigene Leben allein an einer anderen Person auszurichten, geht mir auf lange Sicht gegen den Strich. Darum lese ich Dark Romance Bücher auch nur mit langem Abstand dazwischen. Doch ich lese sie und durchforste dabei Psychen, Nebenstränge, Hinweise. Ich lerne dabei tatsächlich viel. Und noch einen Punkt möchte ich ansprechen. In einer Welt, in der Frauen alles auf einmal sein müssen: stark, mütterlich, erfolgreich, schlank, selbstständig, liebevoll, … kann es erholsam sein, den Ausblick auf eine Beziehung zu erhaschen, in der die Frau einfach nur sein darf.

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10 Kommentare

  1. Aus fachlicher Sicht ist es ein interessantes Unterfangen, Shades of Grey mit Schauerliteratur aus der Romantik zu vergleichen. Klassiker wie Das Marmorbild oder Der Sandmann bieten doch etwas mehr als die neuere Gattung, die Du beschreibst.

    1. Auf jeden Fall, darum vergleiche ich es ganz und gar nicht, ich arbeite mich nur durch den Begriff Romanveröffentlichungen/Romantik an die Thematik heran. Andererseits liegt in Shades of Grey eine interessante Psychologisierung zu Grunde, das ist nicht zu übersehen.

  2. Huhu!

    Ich muss gestehen, bisher stehe ich dem Genre etwas ratlos gegenüber. Allerdings weiß ich nicht, ob es daran liegt, dass mich das Genre einfach wirklich nicht anspricht, oder ob ich bisher einfach nur schlechte Vertreter des Genres gelesen habe. „Fifty Shades“, „Crossfire“, „Devoted“ und Ähnliche haben mich komplett kaltgelassen oder sogar gelangweilt.

    LG,
    Mikka

    1. Das ist immer Geschmackssache, ich mag auch keine Krimis – das heißt ja nicht, dass alle Krimis mies sind. Was liest du denn gerne?

  3. Hallo,
    Ich lese auch ab und zu Bücher aus diesem Genre, allerdings geht es mir wie dir, ich brauche genügend Abstand dazwischen. Dein Artikel gefällt mir sehr gut, weil du es nicht verurteilst und einfach nimmst wie es ist.
    LG Sonja

  4. Ich oute mich mal als eine der #bbfliest Teilnehmerinnen (sehr cool, dass Du diese Aktion erwähnt hast) und gebe auch zu, dass Du mit Deinem Blogartikel mir doch ab und zu ein zustimmendes Nicken entlockt hast.
    Ich lese viel Gay Romance und da stolpert man immer mal wieder über das Thema BDSM, bei dem Vertrauen, Hingabe und Macht eine große Rolle spielen und ganz besonders auch Verantwortung. Und am Ende werden die Bedürfnisse beider Partner gleichwertig behandelt. Wenn also darauf bei Dark Romance Wert gelegt wird, dann bin ich dabei und kann auch mal einen Ausflug in dieses Genre machen, ohne dass mir gleich die Hutschnur hochgeht.

    LG Gabi

    1. Liebe Gabi, ich fand eure Leserunde – soweit ich sie auf Twitter mitverfolgen konnte – einfach nur genial. Oft wird leider das Potential solch eines Genres nicht ausgeschöpft, im schlimmsten Fall, wie ihr lesen musstet, schlicht ignoriert. Schon, dass du trotzdem verstehst, wo der Reiz liegen kann, wenn es richtig gemacht wird. Lg

  5. Hallo Eva,

    ein schwieriges Thema die Dark Romance, bei der sich die Geister scheiden. Wie du so schön schreibst, die wahre Macht hat der, der das Safewort nutzen kann … aber nur wenn der gegenüber auch darauf eingeht und ich erinnere mich gut an eine Stelle in einem der Bücher, bei der das eben nicht passiert. Schlussendlich haben sich die Charaktere in Dark Romance Büchern gesucht und gefunden, darum klappt es bei ihnen auch so wundervoll. Darum kann eine Frau auch noch als stark wirken, nachdem sie zum Besitz gemacht wurde. Es ist jedoch keine Realität in die ich mich gut hineinversetzten kann, vielleicht mag ich sie darum einfach nicht so gerne.
    Ich persönlich mag kitschige Liebesromane viel lieber. Szenen in denen die Protas sich anstellen, weil sie nicht wissen, ob der gegenüber jetzt weis was sie fühlen oder nicht, hormongesteuerte Entscheidungen, die eine Katastrophe nach der anderen mit sich ziehen. Aber zum Glück sind die Geschmäcker da verschieden, stell dir mal vor, wir würden alle nur Helge Schneider mögen. 🙂
    Auf jeden Fall ein sehr gelungener Artikel.

    1. Hallo Kani,
      Ich will ja auch niemandem zum Lesen zwingen, sondern nur zeigen, dass manchmal mehr dahinter steckt, als wir sofort sehen. Schön, dass du das erkennst.
      Das ist auch bei kitschigen Liebesromanen so. Bei denen geht es mir übrigens so, wie bei den Dark Romance Romanen auch: in kleinen Dosen zu genießen. Dir noch viel Spaß beim Lesen😉
      LG
      Eva

  6. Danke, dass Du Deine Sicht auf das Genre mit uns teilst. Ich glaube, es geht sehr vielen Leserinnen so, dass sie hin- und hergerissen sind zwischen dem Bedürfnis, sich einfach mal fallen zu lassen – wie eine Dark Romance Protagonistin – und, auf der anderen Seite, nicht ihren Anspruch auf Gleichberechtigung aufzugeben.

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