Über die Testeleseplattform von Random House bin ich auf den neuen Roman von Tanja Kokoska aufmerksam geworden. Juli verteilt das Glück und findet die Liebe klang ganz nach einem ungewöhnlichen Liebesroman mit tieferem Hintergrund. Erschienen ist der Roman bei Heyne.
Juli lebt allein in der Wohnung, die sie nach dem Tod der Großmutter und Mutter geerbt hat. Geerbt hat sie auch den Blumenladen darunter, der verpachtet wurde. Als der Blumenhändler erkrankt, springt Juli ein und verteilt Weihnachtssterne. Dabei trifft sie auf verlorene Gestalten, die alle eines gemeinsam haben: Ein Ereignis in der Vergangenheit hat ihr Leben nachhaltig bestimmt. Julis naive und enthusiastische Art lüftet Geheimnis um Geheimnis, bis sie auf ihr eigenes trifft.
Schatten und Schweigen
Sich in die Protagonistin einzufinden ist gleichermaßen leicht wie schwer. Juli ist weltfremd. Sie lebte jahrelang im Schatten von Großmutter und Mutter und scheint noch jetzt ihren Gesetzen zu folgen. Eigene Entscheidungen trifft sie kaum, sie hat keine Freunde und ihr einziger Trost ist der alte Duft von Weihnachtsgebäck. Doch diese Umstände entspringen allein der Gewohnheit. Als sie die Chance bekommt, beim Ausliefern der Blumen zu helfen, ist sie sofort dabei. Blumen machen Leute glücklich, so einfach ist Julis Welt.
Dass Blumen aber keine Probleme lösen, lernt sie schnell. Sie findet zielsicher die Leerstellen in den Leben derer, die sie beliefert. Eine fast schon kindliche Naivität ist es, die Juli dazu bringt, sich einzumischen. Während ihr einsames Leben durch die neue Freundschaft zu den Pächtern des Blumenlebens endet, zieht sie Fäden, immer auf der Suche, das Leben anderer besser zu machen. Dabei trifft sie auch auf einen Mann, der ihr eigenes Leben besser macht.
eigene Geheimnisse
Der Stein, der ihnen dabei im Weg liegt, ist ein alter. Er entwickelt sich aus der Leerstelle des fehlenden Vaters in Julis eigenem Leben und droht, alles zu verschlucken. Die Schatten der Vergangenheit, die jedes der Schicksale, denen Juli begegnet gefangen halten, greift auch nach ihr. Aus meiner Perspektive wird gerade hier überspitzt. Allerdingst zeigt diese Umstand auch, wie sehr das Schweigen Schuld – und Schamkomplex aufbauschen.
Alle Figuren, denen Juli begegnet, haben ihr Leben vom Schweigen bestimmen lassen und es wurde immer größer. Juli kommt hinter dieses Schweigen und löst den Komplex auf. Dass gerade in ihrem eigenen Fall das nicht genügt passt nicht zur Systematik des Romans. Dass realistisch gesehen, das einmalige Reden nicht genug ist, mag dazu kommen. Gerade am Ende strauchelt der Roman in meinen Augen.
Wirbelndes Ende
Das ist schade, denn bis dahin ist er gelungen, folgt einem einfachen Weg, der aber zum Ziel führt. Julis eigene Beziehung kommt ohne großes Drama zum Laufen und im Ganzen bleibt Juli ein in sich stimmige Figur. Am Ende bricht sie aus, was durch ihre langsame Entwicklung vorab durchaus logisch ist. Dass sich dadurch ihre anderen Probleme lösen und auch das Geheimnis aus ihrer Vergangenheit plötzlich kein Ding mehr ist, war mir dann aber ein zu schnelles und einfaches Ende.
Ein unterhaltsames, kurzweiliges Buch, das durch eine angenehm positiv gestimmte Protagonistin auffällt. Die Geheimisse der einzelnen Figuren sind tief und dramatisch, bekommen aber eine gute Prise Hoffnung durch Julis Eingreifen. Ein Buch für Regentage und wenn ein kleiner Lichtblick nötig ist.