Der Junge der Glück brachte von Nicholas Vega

Der Junge der Glück brachte von Nicholas Vega ist mein Nebenaufgabenbuch für einen frühlingshaften Einband bei Einmal durchs Regal. Mit 313 Seiten genau richtig um die Wartepausen bei der Eingewöhnung meiner Jüngsten in der KiTa zu überbrücken.

Lyn(ette) ist 14 und lebt mit ihrer Familie (die Eltern, eine 10-jährige Schwester und ein kleiner Bruder) in Thüringen, als ihre Mutter bei einem Unfall stirbt. Die gesamte Familie fällt ins Bodenlose. Der Vater ist mit seiner Arbeit, dem mangelnden Geld, dem Papierkram und der Kindererziehung hoffnungslos überfordert. Lyn wird immer wieder als „die Große“ mit Verantwortung beladen, die sie als 14-Jährige einfach noch nicht tragen kann (das kenne gut). Von einem Computerspielverkäufer bekommt sie das Buch „Der Junge der Glück brachte“. Darin geht es um den 9-Jährigen Jeronimus, der Glück in Form kleiner Steine verschenken kann und in einer sehr freundlichen Umgebung zu leben scheint, sich selbst aber als Gefangener definiert. Lyn glaubt, dass sie vollends den Verstand verloren hat, als sie sich plötzlich mitten in Jeronimus Geschichte wiederfindet. Nach einigem Für und Wieder entscheidet sie sich, ihm zu helfen. Am Ende ihrer gemeinsamen Reise steht aber für beide das Loslassen eines Traums. In der wirklichen Welt stellt Lyn den Computerspielverkäufer, der sich als Autor des Buches entpuppt, zur Rede und erfährt, was wirklich hinter Jeronimus‘ Geschichte steckt. Trotz ihres gescheiterten Abenteuers, kann sie nicht aufhören, dem Jungen helfen zu wollen. Doch erst, als die Verantwortung abgibt, erreicht sie ihr Ziel. Nicht nur in der Geschichte, auch ihr Vater findet eine neue Anstellung und die Familie findet wieder zusammen. (war ja klar)

Sehr schnell musste ich beim Lesen an Die unendliche Geschichte denken, eines dieser sagenhaften Bücher, in das jedes Kind gerne tauchen würde. Aber nicht etwa, weil ich beim Lesen von Der Junge der Glück brachte das gleiche Gefühl hatte, sondern wegen den Parallele. Tote Mutter, Überforderter Vater, Verkäufer mit Buch, Geschichte, in die das Kind tauchen kann, eine Geschichte, die es zu retten gilt. Markant sind auch Stellen, wie der Moment, als Lyn ihren Namen im Buch sieht und aufschreit, das passiert Bastian in Endes Meisterwerkt auch. Doch es gibt auch Unterschiede. Etwas, das Lyn Jeronimus nicht so einfach retten kann, wie Bastian die kindliche Kaiserin. Sie muss diese Aufgabe abgeben, den sein Buch ist bereits geschrieben, sie kann es nicht umschreiben. Vielmehr muss sie erkennen, dass sie eben nicht „die Große“ ist, sondern selbst ein Kind, das erst noch erwachsen werden muss. Dennoch ist auch Der Junge, der Glück brachte eine Adoleszenz-Geschichte, denn Lyn kann erst den Schritt in Richtung Erwachsenwerden tun, wenn sie die Geschichte hinter sich gebracht hat.

Der Stil ist sehr gefärbt, schon allein, um das vom Autor intendierte Gefühlsleben der Protagonistin darzustellen. Manchmal wirkt das beinahe übertrieben, schafft aber dennoch eine passende Atmosphäre. Lyns Versuch, Ordnung in das scheinbare Chaos des Buches zu bringen, erschließt sich aus der Tatsache, dass ihr eigenes Leben so derart aus den Fugen geraten ist. Die Verarbeitung des Todes der Mutter und die Trauerarbeit sind sehr gut dargestellt und fesseln. Lyn versucht ihrem Leben zu entfliehen, was durchaus verständlich ist. Ihr Gefühl, dass keiner sei versteht, ist gut nachzuvollziehen.

Eine unendliche Geschichte wird das Buch dennoch nicht. Wo Bastian erkennt, dass er derjenige ist, der über sich und die Geschichte bestimmt, muss Lyn erkennen, dass sie weder das eine, noch das andere kann. Erst am Ende ist sie bereit dazu. Gleichzeitig muss sie auch ihre Machtlosigkeit anerkennen. Dieser durchaus interessante Zwiespalt wirkt mitunter etwas verwirrend. Lyn ist Kriegerin und Versagerin zugleich. Der plötzliche Sinneswandel des Vaters ist dabei ziemlich unglaubwürdig, aber da Lyn relativ wenig von seinen Gedankengängen weiß, noch im Rahmen des Erzählbaren.

Mir hat das Buch gut, aber nicht sehr gut gefallen. Die zehnjährige, schminksüchtige Schwester fand ich etwas übertrieben (mit 12 hätte ich es ihr eher abgekauft), die Weisheit des neunjährigen Jeronimus, gepaart mit seiner Unwissenheit, ziemlich verwirrend. Selbst die Geschichte des Verkäufers wirkte nahezu kitschig. Allein Lyns Art strahlte eine Glaubwürdigkeit aus, die das Buch trug. Aber auch die Außenseiterin, die das Abenteuer besteht, auch das ist ja beinahe schon wieder Klischee. Schade eigentlich. Das Buch ist vor allem als Jugendbuch gut geeignet, doch auch Erwachsene, die die Welt von Büchern lieben, kommen auf ihre Kosten (so wie ich). Die Verbindungen aber zur unendlichen Geschichte stießen mir etwas sauer auf.

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