Bald sind wir wieder zu Haues – Jessica Bab Bonde und Peter Bergting sammeln Erinnerungen

Die eindrucksvolle Graphic Novel, in der die Erinnerungen von Überlebenden des Holocausts gesammelt wurden, hat es dank Netgalley auf meinen kindle geschafft. Da das Team, das die Interviews aufbereitet und herausgegeben hat, aus einem Mann und einer Frau besteht, kann es für #WirlesenFrauen zählen, ich nehme es aus meiner eigenen Rechnung trotzdem raus, weil Graphic Novels dieses Jahr eine eigene Aufgabe darstellen und da dann eben nur von einer Autorin stammen sollten.

E-Reader mit Front von Bald sind wir wieder zu hause, die einen einsamen Koffer zeigt, liegt auf einem schwarzen Holztisch, umgeben von herbstlichen Blättern
Gleich sind wir wieder zu Hause ist ein Buch voller Sehnsucht, Leid und Wahrheit

Sehnsucht der Erinnerungen

Bald sind wir wieder zu Hause – dieser Titel ist Sehnsucht und Panik zugleich. Holocaustüberlebende erzählen ihre sehr persönlichen Geschichten von der Flucht vor den Nationalsozialisten und ihrem Überleben. Gemeinsam ist, dass sie zunächst das Leben vor dem Krieg zeigen. Eine glückliche Kindheit, Feste, Freundschaften, Familie. Der Kontrast zu dem, was auf die verschiedenen Kinder zukommt, ist dabei enorm und erschütternd. Die grausame Realität im Nacken wird die Graphic Novel zu einer zugänglichen Darstellung dessen, was das dritte Reich für viele bedeutet hat und ist darum gerade für Kinder und Jugendliche geeignet, aber nicht nur.

Mehrwert Historie/Erinnerungen

Auch ich habe durch die langsame Zerstückelung dessen, was sie gezeigten Kinder als normal verstanden haben, viel erfahren. Die Zurückdrängung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten wurde mitgetragen. Viel zu selten haben die Kinder Hilfe erfahren, viel zu leicht war es, sie auszugrenzen und ihnen ihre Möglichkeiten zu nehmen. Sie es der Ausschluss aus der Schule oder die Vertreibung aus ihren Häusern, die erzwungene Arbeitslosigkeit und dadurch entstehende Armut. Das Bild, das die Nationalsozialisten von denen erschaffen haben, die sie umbringen wollten, haben sie selbst geschaffen. Die Menschen wurden minderwertig behandelt, ihnen fehlte Essen, Kleidung, Raum. Und all das ist noch nichts gegen die Gräuel, welche die Überlebenden in den Konzentrationslagern erfahren musste.

Grafische Umsetzung

Die Graphic Novel hat ihre Stärke gerade in diesen Kontrasten. In der zunehmenden Farblosigkeit und den erschütternden Leerstellen. Wenn etwa die Momente gezeigt werden, an denen die Kinder das letzte Mal ihre Eltern oder Geschwister gesehen haben, ehe diese ermordet wurden. Die Sehnsucht nach dem zu Hause als Vorstellung des „Alles wird wieder gut“ ist allgegenwärtig. So bedrückend diese Darstellungen sind, so deutlich ist ihre Aussagekraft. Dass jede dieser Erinnerungen mit dem Überleben enden, mit der ungeheuren Gewissheit, nicht ermordet worden zu sein und angesichts der Hölle des Holocausts nicht aufgegeben zu haben, führt in die Gegenwart zurück. Denn zu jeder Erinnerung gehört, was aus den Menschen geworden ist.

Fazit

Bald sind wir wieder zu Hause sollte eine Pflichtlektüre sein. Durch die Kombination aus Bild und Wort entsteht ein historisches Dokument, das vielfältig und gleichzeitig gut zugänglich den Holocaust porträtiert. Dennoch ist jede Seite so eindrucksvoll, dass sie im Gedächtnis bleibt und dem Horror nichts nimmt, sondern gerade durch die farbliche Abstimmung, die Zeichnungen und die einfach belassenen Texte eine gewaltige Aussagekraft haben.

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