Auf der Frankfurter Buchmesse hatte ich das große Glück noch vor der Preisverleihung des deutschen Jugendliteraturpreises mit Mario Fesler über sein Buch Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer zu reden. Mein Interview mit ihm könnt ihr demnächst hier lesen. Heute gibt es meine Rezension zum Buch, 2016 bei Magellan mit 237 Seiten erschienen.
Lizzy ist eine Außenseiterin und weiß es. Das ist ihr ziemlich egal, denn sie will mit denen, die sie mobben und denken, sie wären besser, relativ wenig zu tun haben. Als ihr Lehrer für das Schulfest ein Klischeemotto vorgibt, weil ja an ihrer Schule niemand ausgegrenzt würde, platzt Lizzy der Kragen. Schöner Mist. Denn nun soll sie mit anderen Außenseitern eine eigene Projektgruppe anführen, bei der so ziemlich alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann.
Perspektiven im Wandel
Es ist immer wieder angenehm, wenn Protagonistinnen so herrlich vom typischen Gelschechterschema abweichen, ohne wie Karikaturen zu wirken. Lizzy steht nicht etwa über allem, sondern ihr setzt Mobbing und Alleinsein wirklich zu. Ihre Kraft zieht sie einerseits aus ihren wenigen Freundschaften. So wenig die Eltern am Anfang in Lizzys Leben involviert scheinen, so wunderschön wird aufgedröselt, wie sehr sie hinter ihrer Tochter stehen. Dabei machen sie genauso Fehler, wie jeder normale Mensch.
Überhaupt färbt sich die Geschichte immer wieder neu. Vertrauen wird missbraucht, Steine in den Weg gelegt, unvorhergesehene Ereignisse belasten die Figuren und zeigen, dass es nicht immer nur um eine geht. Lizzy ist zwar Protagonistin, aber nicht zwangsläufig immer der Mittelpunkt. Und ihre wichtigste Lektion ist, zu sehen, wie leicht es ist, mitzumachen und abzurutschen. Rigoros überschreitet Lizzy und der ganze Roman hier Schmerzgrenzen.
Dass es keine schwarz-weiß-Zeichnung gibt und sowohl bei den Jugendlichen, als auch bei den Erwachsenen Fehler zu erkennen sind, gibt dem Roman viel Tiefe. Faszinierend ist dabei, dass mehrere Erzählerinnenstimmen zum Tragen kommen. Zum einen erzählt Lizzy aus der Ich-Perspektive in der Vergangenheit. Reflektierter, aber dennoch direkt erfährt der Leser ihre Geschichte. Daneben führt sie ein Tagebuch. Wie sehr hier eine zweite Erzählerin auftritt, wird kurz vor dem Höhepunkt der Handlung deutlich. Klar ist aber, dass Lizzy auch für sich selbst nicht alles festhält und anders reflektiert, als in der direkten Erzählweise.
Entwicklung ohne Kommunikation
Dabei wirkt Lizzy sehr reif für eine Dreizehnjährige, fast zu reif. Als erwachsene Leserin hat mich dieser Punkt wenig gestört, aber gerade Frischpubertierende könnte das irritieren. Ein leichtes Klischee schimmert durch, als alle Außenseiter sich gruppieren. Aber auch innerhalb dieser Gruppe läuft vieles nicht einfach und Vorurteile sind auch hier ein Problem. Das aber geht der Roman authentisch an. Am Ende fand ich es leicht bedenklich, dass Lizzy Carbon und der Club der Verlierer eines nicht einbezieht.
Kommunikation wird im Buch im Grunde auf das Nötigste der Handlung beschränkt. Dadurch füttert Lizzy das Tagebuch, aber sie redet weder mit ihren Eltern wirklich, noch mit ihren Freunden. Da werden Informationen ausgetauscht, über Zustände gemeckert, Pläne geschmiedet. Über ihre Gefühle spricht Lizzy kaum, noch nicht einmal mit sich selbst. Ja, der Roman geht Mobbing mit einer schlagfertigen Protagonistin an, die aber eher unabsichtlich zur Handelnden wird. Eigentlich ist ihr Schlagwort die Passivität. So amüsant und mitreißend der Roman ist, hier hätte ich mir etwas mehr Entwicklung hin zur Offenheit gewünscht.