Es hat etwas gedauert, bis ich mit Jonathan Safran Foers neuem Roman Here I Am durch war. Lesen konnte ich die 571 Seiten, die frisch bei Penguin erschienen sind dank Netgally.
Jacob und Julia sind verheiratet, haben drei Kinder, einen Hund, ein Haus und stehen vor dem Ende. Jacobs Großvater Isaac hat den Holocaust überlebt, seine Frau überlebt, die Geburt seine Urenkel überlebt und steht vor dem Ende. Jacobs und Julias Sohn Sam soll ein Mann werden und wird wie ein Kind behandelt. Und gerade als Jacobs israelischer Cousin zu Besuch ist, bebt in Israel die Erde und nichts ist mehr, wie es vorher war. Aber wie wird es danach sein?
Da steckt viel drin
Ich habe für Here I Am nicht lange gebraucht, weil es ein schlechtes Buch wäre – im Gegenteil. Es ist ein sehr gutes Buch. Die unterschiedlichen Stränge sind dicht miteinander verwoben. Sie ziehen voneinander weg, um aufeinander zuzugehen. Here I Am ist nicht etwa das Buch einer gescheiterten Ehe, das Buch eines Heranwachsens, das Buch einer Katastrophe. Es ist alles auf einmal und noch mehr.
Here I Am ist ein Buch über Apokalypsen und dem, was nach ihnen folgt. Dabei meine ich kein globales Weltende, sondern teilweise sehr persönliche Apokalypsen. Julias Welt ist leer und sie spürt die Risse. Jacob verzweifelt vor lauter Wollen und Nichtstun. Und Sam steht vor der Bar Mitzwa und will diesen Schritt nicht gehen. Er will die umfassende Veränderung der Zustände nicht zulassen. Er widerspricht ihnen. Aber kann er seinem Erwachsenwerden einfach so widersprechen wie Peter Pan? An der Stelle, an der er es tut zeigt er sich im höchsten Maße erwachsen. Ein Buch voller Paradoxe also.
Von der persönlichen Apokalypse zur Naturkatastrophe
Alles wird aufgefangen im Erdbeben, das Israel verwüstet. Es reißt die Kluft zwischen israelischen Juden und amerikanischen Juden auf, wie es die Erde aufreißt. Und es verschärft den Konflikt mit den arabischen Ländern. Aus der Naturkatastrophe entwickelt sich ein Krieg der Menschen, bei dem Landesgrenzen mit Religionen verwechselt werden – wie es in Wirklichkeit oft der Fall ist. Und als Israel seine Söhne zum Kampf auffordert, will auch Jacob hin. Und kann es doch nicht.
Markant fand ich die Passage, in dem Jacob zum Ich-Erzähler wird, weil seine Angaben zum Schauspielen wiedergegeben werden. Wie Glück gespielt werden soll, erklärt er da, wie Liebe, wie das Dasein. Dabei zählt er Episoden auf, hält Momente fest. Sehr persönlich ist dieser Teil und er wirkt als Abgrenzung. Vorher sieht der Leser das Ende. Die unterschiedlichen Entscheidungen und Handlungen, die zu den jeweiligen Apokalypsen geführt haben und auch das Erdbeben. Danach ist eine kuriose Jetztzeit, in der sich alle außer Jacob einfinden können. Er, mit dem alles gestartet hat, ist der, der nicht loslassen kann.
Argus – der Hund
Das stärkste Symbol hat für mich im Buch Argus, der Hund. Jacob holt ihn für die Kinder, obwohl Julia dagegen ist. Er wird alt und krank. Max, der mittlere Sohn, bittet seinen Vater, ihn einzuschläfern. Und Jacob kann die Anzeichen für Argus Leid nicht anerkennen. Er weigert sich. Argus wird zum Symbol des Aufopferns und des Endes. Julia opfert sich für ihre Familie auf – sie zerfällt. Isaac (in im biblischen Kontext hier sehr gut gewählter Name!) soll in ein Altenheim kommen, sein Leben (Inhalt) soll seinem Leben (Existenz) geopfert werden. Auch das funktioniert nicht. Sam soll ein jüdisches Fest erfahren, obwohl im (und der ganzen Familie) der Glaube irgendwie fremd ist. Er soll den Konventionen und der Tradition geopfert werden. Und er weigert sich. Und alles zeigt sich in dem armen Tier, das am Ende ist, aber nicht sterben darf, weil Jacob sich nicht eingestehen kann, dass es Zeit ist.
Der Roman ist ein sehr nachdenklicher und sehr guter Roman. Nicht immer ist er leicht zu lesen und noch weniger leicht zu verdauen. Doch er hat eine immense Tiefe und so viele Punkte, die ich liebend gerne analysieren würde. Es ist ein dichtes Buch, das viel Reflektion zeigt und komplex aufgebaut ist. Aber es ist es wert! Versprochen.
Das Buch hört sich interessant an, ich hatte es mir nach Durchsicht der Verlagsvorschauen schon auf den Wunschzettel gelegt, dank deiner Rezi scheint das richtig zu sein 😉 Allerdings steht bei mir auch noch „Extrem laut und unglaublich nah“, das werde ich wohl zuerst lesen.
Liebe Grüße
Thomas
Hey Thomas, ich muss gestehen, dass extrem laut leichter zu lesen ist, auch weil der Erzähler nicht so springt und die Handlung konstanter ist. Das macht aber auch den besonderen Reiz von here i am aus.
Lg
Eva
Hey!
Danke für deine wirklich eindrucksvolle Rezension. Ich kenne das Buch zwar nicht, aber es wirkt auf mich, als hättest du das Wesen des Buches direkt eingefangen und uns hier zugänglich gemacht. Hört sich wirklich interessant, und sehr tiefgründig an.
LG
Yvonne
Das Buch stand schon vorher auf meiner Wunschliste. Ich liebe die Bücher des Autors. Vor allem Extrem laut… das habe ich auch auf englisch gelesen. Nach deinen Beschreibungen ist mir das neue Buch zu komplex dafür. Da werde ich lieber zur Übersetzung greifen. Sicher eines der Herbst-Highlights dieses Jahr!
Mach deiner Besprechung freue ich mich noch mehr darauf. Ich bin schon gespannt, ob ich es ebenso empfinde.
Viele Grüße
Silvia
Liebe Sylvia, ja, here i am ist durchaus komplex, aber ich bin mit der englischen Version gut klar gekommen. Die Sprache ist jedenfalls nicht zu kompliziert.
Lg
Eva
Dieses Buch klingt, als wäre es genau richtig für mich! Danke für die Vorstellung, da ich noch nichts davon gehört hatte. Hast du es auf englisch gelesen? Gibt´s das auch auf deutsch?
GlG vom monerl
Schön, dass du dich für das Buch interessierst. Ich habe es auf Englisch gelesen, aber es erscheint Anfang November auf auf Deutsch unter dem Titel „Hier bin ich“
Lg
Eva