Der zweite Teil der Tirod-Reihe von M. Dabjuk, Verrat, setzt nahtlos an den ersten an und ist mit 288 Seiten elektronisch bei BookRix, gedruckt bei Amazon erschienen.
Evolet hat keine Erinnerungen mehr an Zad, er hat sie ihr genommen, um ihr die Trennung und seinen Verrat zu erleichtern. Doch ihre Liebe führ ihn lässt sie nicht los und so sucht ihr Geist nach etwas, das ihr Verstand nicht mehr kennt. Als sie ihn gefunden hat, fliegt sie mit Zad aus der Unterwelt. Wieder vereint machen sie sich auf, das Rätsel um das Tirod zu lösen und kommen einem unglaublichen Verwirrspiel auf die Schliche. Als Evolet erfährt, wer wirklich ihr Vater ist, bricht ihre Welt zusammen.
Ich finde es erstaunlich, wie leicht Zad zunächst einmal aus der Unterwelt heraus kommt. Dass er ausgerechnet so gehandelt hat, wie Evs Visionen es bereits angedeutet haben, wirft die Frage auf, ob es für beide überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft geben kann. Das sorgt für Spannung auf Seiten der romantischen Geschichte. Dafür tritt auch Evolets Aufgabe erst einmal in den Hintergrund. Sie muss sich erholen und kämpft mit ihren Erinnerungen. Erst als Zad sein Wirken rückgängig macht, ist sie wieder voll da.
Die Elemente der ungewissen bzw. ungeliebten Vaterschaft sind altbekannte aus dem Fantasy-Genre. Viel Neuartiges kommt hier also nicht ins Spiel. Gut umgesetzt ist es dennoch. Evolets Charakter ist stark genug, nicht sofort in Selbstzweifel zu verfallen, statt dessen bleibt sie weiterhin offen und sucht Lösungen. Dass Gut und Böse auf der Enge-Ebene hier immer mehr verschwimmen fand ich ganz gelungen. Durch die Zurückweisung, die Ev von ihrem Bruder und ihrer besten Freundin erfährt, überträgt sich diese Mischung auch auf ihre Umwelt. Verschiedene Regungen und Ebenen werden dadurch angesprochen und Vielfalt ermöglicht.
Leider bleiben die meisten anderen Nebenfiguren nur unscharf. Dabei könnte der Roman, dessen Sichtweise springt, durchaus mehr leisten. Gerade da einige der Figuren durchaus Einfluss auf Ev haben, selbst aber sehr stereotypisch bleiben, geht auch Evolets Charakter einiges verloren. Und auch Zad rutscht mehr und mehr in die Rolle des unglücklich Gefallenen. Dass Vieles zwischen den beiden unausgesprochen bleiben sorgt beim Leser für Spannung den Wunsch nach Auflösung, die in diesem Band nicht gegeben ist. Stattdessen endet der Roman mit sehr viel Raum für Neues und einem in der Luft hängenden Leser.
Stilistisch passt der Roman zum ersten Teil. Noch immer sind die Eigenschaften der einer göttlichen Sphäre zugeschriebenen Engel sehr menschlich. Leidenschaft und Missgunst gehören zu ihnen und auch ein (versehentlicher) Mord rüttelt nicht an ihrer Engelhaftigkeit. Auf der anderen Seite aber weckt der Roman auch die Möglichkeit der guten Seite des gefallenen Engels. Indem die Grenzen verschwimmen stellt sich auch die Frage nach Evolets Rolle neu.
Kleine Stolpersteine hat somit auch dieser Roman, macht aber Lust auf mehr und schafft es, die große Spannung des ersten Teils aufzufangen und weiter zu tragen.