Der Garten der alten Dame – Nikola Hahn

Der Garten der alten Dame hat mich schon beim Namen an die alte Geschichte des geheimen Gartens erinnert – eine meiner Lieblingsgeschichten. So war die Entscheidung, das Buch auf meine Leseliste zu setzten, schnell gefallen. Erschienen ist Der Garten der alten Dame von Nikola Hahn mit 148 Seiten im Thoni Verlag bereits 2013.

Nach der Trennung ihrer Eltern zieht Eli, die von ihrem Vater Ronja genannt wird, mit der Mutter in eine kleine Wohnung in der Stadt. In der Nähe gibt es einen Garten, dessen Haus – so erzählt es Elis neue Mitschülerin Emma – unbewohnt ist. Eli schleicht sich hinein und findet eine freundliche Frau Meyer, die ihr den Garten zeigt und mit ihr Pfefferminztee trinkt. Dort entdeckt Eli einen Steintroll namens Nikodemus, der mit ihr philosophiert, und eine Kinderlok, die mit ihr in die Wolken fliegt. Während sie mit der abwesenden Mutter, dem fernen Vater und dessen neuer Freundin und der warnenden Emma fertig werden muss, steckt Eli Liebe, Arbeit und Zeit in den Garten der alten Dame und will am liebsten gar nicht mehr von ihm weg.

Nikola Hahn hat versucht ein modernes Märchen zu schaffen. Aus Elis Perspektive sieht vieles verschwommener aus und es existieren viele Möglichkeiten. Eli liebt Geschichten und glaubt an Wunder. Ihr Alter wird nicht genannt, aber ich schätze sie auf etwa 7-8. Mit kindlicher Naivität erkundet sie den „verbotenen“ Garten, schließ schnelle Freundschaften und überschätzt sich leicht. Dabei ist sie vielseitig. Es gehen auch mal die Nerven mit ihr durch, sie wird wütend, trotzig, traurig. Ein runder Charakter.

Auch der Plot passt dazu. Eli erfährt unterschiedliche Details zu ihrem Vater und dessen neuem Leben – ihr Vater symbolisiert dabei ihre wilde, kindliche, phantasievolle Seite, er nennt sie Ronja und erzählt ihr die Geschichten, während die Mutter die Stimme der nackten Vernunft ist. Sie wächst im Laufe der Geschichte und entwickelt sich, schließt schließlich Freundschaft mit der „doofen Emma“, und erkennt gleichzeitig Emmas Einsamkeit und ihre unglaublichen Stärken. Die Mutter allerdings ist sehr farblos, tritt in den Hintergrund und ist eigentlich eher unwichtig – was aber zur Geschichte und der Tragik einer Scheidung passt.

Gestört haben mich ein paar Sachen. Zum einen merke ich beim Lesen, dass eine Erwachsene versucht hat die Perspektive eines Kindes einzunehmen. Eli ist darin authentisch. Mal ist sie zu reif, mal zu übertrieben kindisch. Gleichzeitig passen dabei einige Dinge nicht zusammen. Durch die Kindlichkeit ist klar, dass Eli noch sehr jung ist. Trotzdem wird sie in manchen Szenen mit Dingen konfrontiert, die nicht zu ihrem Alter passen. Ja, das ist eine persönliche Meinung, hat mich aber beim Lesen einfach gestört. Achtung, denn der Epilog hat mich dann wieder etwas versöhnt und die Perspektive wieder etwas verschoben. Betrachte ich die ganze Geschichte wie einen Rückblick der erwachsenen Eli könnten diese Ungereimtheiten aufgehen. Dass ich dazu aber erst den Epilog lesen muss, ist schade.

So bleibt beim ersten Lesen eine gewisse Distanz zu Eli. Obwohl ich die Situation kenne, kann ich mich in sie nicht reinversetzen. Gerade der erste Impuls in den Garten zu gehen entsteht, da sie ein selbstbewusstes Mädchen auf der Suche nach Abenteuern ist, kein leidendes Scheidungskind. Dass sie dann gerade hier eine Realitätsflucht und zweite Welt „erschafft“ scheint mir nicht plausibel. Ein zufälliges Hereinkommen hätte da besser gepasst und Eli nicht so sehr zur lebensfrohen Akteurin, sondern zur Sinnsuchenden gemacht.

Zuletzt noch ein Wort zu dem Garten, denn er ist sehr zentral. Und wunderschön. Schon beim Lesen erfahre ich viel über die ein oder andere Pflanzen, Gartenarbeit, Geduld und Jahreszeiten. Daran entwickelt sich die Geschichte fast mehr, als an Elis Erlebnissen. Für Gartenliebhaber darum sehr zu empfehlen. Dem Topos der Scheidungskindgeschichte möchte ich dem Roman aber nicht verleihen. Dazu hat da einfach zu viel nicht gepasst. Der Epilog hat mich wirklich versöhnt und die Geschichte in einem etwas phantastischeren Licht erstrahlen lassen – wer das also mag, dem sei zu diesem Buch geraten. Ein Buch für Kinder ist es aber, meiner Meinung nach, nicht.

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