Schritt für Schritt – die Schildkröte bei Michael Ende

Was wären Michael Endes Werke ohne die Schildkröten? Die alte Morla in Die unendliche Geschichte[1], Kassiopeia, die Momo zu Meister Hora führt[2] und schließlich Tranquilla Trampeltreu[3], der Ende ein eigenes Buch widmete. Ich mache mich heute auf Spurensuche nach der Symbolik hinter Ende Schildkröten. Ein allgemeiner Blick auf die Schildkröte als Motiv in der Literatur ist dabei ebenso wichtig, wie die Berücksichtigung des Unterschieds, den Tranquilla als Protagonistin gegenüber Morla und Kassiopeia hat. Gibt es einen gemeinsamen Nenner oder gar eine Entwicklung in Endes Schildkröten-Motiv? Ich will es genau wissen.

Die Schildkröte in der Literatur

Von frühesten Zeiten an spielt die Schildkröte in Geschichten und in der Literatur eine wichtige Rolle. Nicht ohne Grund ist es eine Schildkröte, die Terry Pratchetts Elefanten[4] trägt, Walt Disney übertrug Fabeln von Schildkröten auf Zeichentrickkurzfilme[5] und immer wieder tauchen Schildkröten in Michael Endes Geschichten auf. Er selbst gab zu: „fast in jedem [s]einer Bücher“[6] kommen sie vor.

Mythos und Symbolik

Dabei konnte Michael Ende auf eine Vielzahl von Schildkröten in der Geschichte zurückgreifen, um Morla, Kassiopeia und Tranquilla zu erschaffen. Auf seiner Autorenseite beim Thienemann Verlag schrieb er:

In der Weltmythologie wimmelt es ja geradezu von Schildkröten. Der Noah der nordamerikanischen Indianer z.B. rettet sich […] auf dem Rücken einer riesigen Wasserschildkröte […] Im indischen Mythos steht die Welt auf dem Panzer einer kosmischen Schildkröte. Wenn man das I-Ging, das chinesische ‚Buch der Wandlungen‘, aufschlägt, so wird man finden, dass die 64 Ur-Hexagramme, […] aus den Mustern […] eines Schildkrötenpanzers abgelesen worden sind.[7]

Damit zählt er nur einige Beispiele auf. „Zu alten Zeiten galt die Schildkröte als ein rätselhaftes, hochsymbolisches Tier“[8]. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass in vielen Sagen und Mythen die Schildkröte in unterschiedlichen Funktionen auftritt. In der chinesischen Mythologie gilt die Schildkröte als Orakel, „wegen der Zeichen auf ihrem Rücken“[9]. Daneben trägt sowohl in der chinesischen Mythologie als auch im Hinduismus eine riesige Schildkröte die Welt[10]. Ein griechischer Mythos berichtet vom Dichter Aischylos, der von einer Schildkröte erschlagen wird, die ein Adler fallen ließ, um ihren Panzer zu öffnen und so an ihr Fleisch zu kommen[11]. Gleichzeitig aber verehrten „Griechen und Römer […] in der Schildkröte Aphrodite/Venus, die dem Wasser entstiegene Göttin der Liebe und Schönheit“[12]. In indianischen Mythen ist sie „Erdträger“[13] und bringt Erde vom Grund des Meeres an die Oberfläche, bei den Irokesen entstand auf ihrem Rücken „die Stütze der Welt“[14].

In vielen Religionen und Mythen hat die Schildkröte ihre Rolle (Foto: stux / pixabay.de)
Positiv wie negativ

Oft ist die Schildkröte mit gegensätzlichen Attributen versehen. So steht sie bei indianischen Stämmen nicht nur als Teil der Schöpfungsgeschichte, sondern symbolisiert auch Dummheit, Eitelkeit und Lust[15]. Sie ist in der chinesischen Mythologie „unwandelbare Festigkeit“[16] und „ihre reale Langlebigkeit prädestinierte sie zum Symbol des langen Lebens“[17]. Daneben gilt sie allerdings als „unsittlich“[18]. In ihrer Langsamkeit sahen Christen eine „Trägheit im Glauben“[19], gleichzeitig symbolisierten Langsamkeit und das Aussehen der Schildkröte „hohe[s] Alter, große[s] Wissen, Vorsicht und Besonnenheit“[20]. Ausdauer und Klugheit wurden ihr gleichermaßen zugeschrieben wie Sturheit und Unerbittlichkeit. Im Gedankenexperiment Zenons kann sie schließlich auch gegen die Geschwindigkeit ankommen[21].

Nebenrollen

Bei der Betrachtung dieser unterschiedlichen Attribute wird bereits hier deutlich, wie weit sich die Charaktere von Morla, Kassiopeia und Tranquilla unterscheiden können, ohne dass ein Bruch mit der Mythologie und der generellen Symbolik der Schildkröte entsteht.

Gleichzeitig tragen Morla und Kassiopeia als Nebenfiguren zusätzliche Bedeutungen hinsichtlich der Entwicklung der jeweiligen Protagonisten und Handlungen. Hierbei tritt nun die Funktion der Figuren in den Vordergrund, denn „characters in certain types of narratives perform functional roles“[22]. Nebenfiguren dienen oft dazu, dass der Protagonist vom „unvollkommene[n] ‚Selbst‘ […] zu sich selber“[23] findet, also im Laufe der Geschichte zum vollkommenen ‚Selbst‘ wird. Die Aufgabe einer Nebenfigur ist es dabei „dem Helden dazu [zu] dienen, an seiner Seele zu reifen, um zum Schluss vollständig zu werden“[24]. Hierbei soll sie einer der drei Typen zugeordnet werden können: Schatten, Anima oder Weise. Schlechte Eigenschaften werden vom Schatten verkörpert, Anima steht für „das Bild vom anderen Geschlecht, das wir in uns tragen“[25] und der Weise symbolisiert das Gewissen und die Motivation des Protagonisten. „Characters can be conceived of as […] personal qualities that emerge during the course of the story or that may disappear”[26].

Morla

In DuG zeigen sich deutliche Merkmale phantastischer Erzählungen. Die Geschichte spielt gleichermaßen in Phantásien und einer ‚realistischen‘ Gegenwelt, somit liegt eine „Zwei-Welten-Struktur“[27] vor mit zwei Handlungskreisen, die sich schließlich durch Bastian überschneiden. Dabei ist „die Grundposition realistisch“[28] und die phantastische Welt ist „in der Regel freundlich“[29].

„[D]ie Uralte Morla“[30] trägt widersprüchliche Attribute. Zwar gibt sie Atréju wichtige Antworten und hilft ihm dadurch, sein Ziel zu erreichen, allerdings gibt sie diese Informationen nur weiter, weil es ihr „wirklich ganz gleich ist“[31]. Die Sturheit, auf diese Aussage zu bestehen, übersteigt dabei Morlas Unwillen, zu antworten. Trotz ihres hohen Alters ist sie dabei nicht allwissend. Sie weiß viel, doch die letzte Antwort auf die Frage, wer der kindlichen Kaiserin einen neuen Namen geben kann, kann sie nicht geben. Daneben weiß Morla auch nicht, dass es Atréju gelingen wird, schnell genug das Südliche Orakel zu erreichen.

Passive Morla

Somit zeigt sich, dass sie zwar aufgrund ihres Alters das Wissen über alles „in der Zeit“[32] Gewesen besitzt, aber nicht darüber hinaus. Sie ist selbst kein Orakel und kann nicht in die Zukunft blicken, doch wird ihr großes Wissen und damit „Klugheit“[33] zugeschrieben. Sie ist bereit, den Tod anzunehmen, zeigt keine Furcht und symbolisiert dadurch ein „angstfreies Selbstschutztier“[34]. In ihren Worten und ihrer Erscheinung[35] dagegen wird deutlich, dass sie auch „Sinnbild des Uralten, des Zeitlosen, des sich Wiederholenden“[36] ist. Gleichzeitig verkörpert sie hier Langsamkeit, denn Atréju muss auf ihre Antworten warten[37].

Parallel dazu steht Morla für Passivität, denn im ersten Moment erscheint sie Atréju als Berg. Sie bewegt sich nicht und ihr ist „nichts mehr wichtig“[38]. Schließlich zieht sie sich in ihren Panzer zurück. Demnach ist sie, obgleich sie Atréju schließlich doch antwortet, ein Schatten. Sie verdeutlicht Bastians eigene Passivität, seine Flucht „in eine Traumwelt“[39]. Diese muss er „[d]urch seine aktive Rolle bei der Namensgebung der kindlichen Kaiserin“[40] überwinden. Es ist somit bezeichnenderweise Morla, die den ersten Hinweis auf diese Aufgabe gibt: „kein Wesen in Phantásien kann ihr [der kindlichen Kaiserin] einen neuen Namen geben“[41].

Kassiopeia

Auch Momo ist eindeutig der phantastischen Literatur zuzuordnen. Das Merkmal der zwei Handlungskreise tritt allerdings in geringerem Maße auf, denn die realistische Gegenwelt wird von den grauen Herren unterwandert und Momo kann Meister Horas Haus ohne Komplikationen erreichen. Demnach liegen Charakteristika einer abgeschlossenen, phantastischen Welt vor. Dies stimmt mit der Gattung ‚Märchenroman‘ überein, mit der Momo ausgezeichnet ist. Die Schildkröte Kassiopeia hilft Momo zu Meister Hora zu gelangen und begleitet sie im Anschluss, als Momo ihre Freunde sucht[42]. Auch kann Kassiopeia selbst nicht reden. Stattdessen erscheinen die Wörter auf ihrem Panzer[43]. Dies deutet bereits auf ihre Funktion als Orakel hin. Die Zeichen auf ihrem Rücken ermöglichen ihr zu kommunizieren. Tatsächlich kann Kassiopeia „eine halbe Stunde“[44] in die Zukunft sehen.

Entschleunigende Kassipeia

Dadurch erscheint Kassiopeia in ihrem Handeln treu der Symbolik der Schildkröte „beharrlich und ausdauernd“[45]. Auch hier kann auf die Funktion hinsichtlich der in Kapitel 2.2. gegebenen Möglichkeiten verwiesen werden. Kassiopeia verweist damit auf eine Eigenschaft Momos, „die sich dem [dem Zeitsparen] beharrlich entzieht“[46]. Da die Beharrlichkeit Momos innerhalb der Geschichte aber positiv bewertet wird, ist es eindeutig, dass Kassiopeia, auch aufgrund ihres Wissens, als Weise anzusehen ist. Anders als Morla bewegt sich Kassiopeia, wenn auch „langsam, sehr langsam“[47]. Hierbei trägt sie weitere Eigenschaften, die typisch für Schildkröten in der Literatur sind: „Langsamkeit, Gemächlichkeit, Geruhsamkeit“[48]. Auch dies wird auf Momo übertragen, die Kassiopeia folgt und daher genauso langsam läuft.

Eine Besonderheit stellt die Schildkröte hierbei in Bezug auf die Zeit dar, die es in Momo vor „der Rationalisierung“[49] zu schützen gilt. „Langsamkeit verweist auf einen Zustand, dem die Schnelligkeit nicht beikommen kann“[50]. Kassiopeia gehört zu Meister Hora, „dem [ph]antastischen Gegenspieler der Zeit-Diebe“[51], was durch ihre Gemächlichkeit zusätzlich verdeutlicht wird. So wie Morla sich nicht von Atréjus Hektik anstecken lässt, bleibt Kassiopeia unbeeindruckt ob der durch die grauen Herren entstehenden Zeitnot. Sie symbolisiert schließlich auch Momos Überlegenheit, denn durch ihre Langsamkeit und Beharrlichkeit ist sie schließlich „so unüberwindlich“[52].

Tranquilla

Da Tranquilla ein Bilderbuch ist, gelten hier besondere Regelungen. Zum einen kann das Buch nicht als phantastische Literatur betrachtet werden, zum anderen erfährt sie als Protagonistin der Geschichte eine ganz andere Stellung als Morla und Kassiopeia in ihrer Funktion als Nebenrollen.

Tranquilla Trampeltreu deutet schon mit ihrem Namen auf ihre herausragende Eigenschaft der Beharrlichkeit hin, die sie mit Kassiopeia und Morla teilt. Tatsächlich schafft sie es, da sie sich von nichts von ihrem Beschluss, der Hochzeit des Sultans beizuwohnen, abringen lässt, schließlich auch, an ihr teilzunehmen. Ihr Erfolg wird dabei nicht dadurch geschmälert, dass der alte Sultan bereits gestorben ist und sein Nachfolger heiratet. Sie hat ihr Ziel erreicht und allein das zählt für sie: „Ich hab‘s doch immer gesagt, dass ich rechtzeitig da sein werde“[53]. Sich selbst und ihrem Entschluss treu bleibend trampelt sie sich an ihr Ziel. Somit kommen ihr die schildkrötentypischen Eigenschaften „Ausdauer, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit“[54] zu.

Sture Tranquilla

Gleichzeitig zeigt sich hier aber das negative Merkmal „sturer Beharrung“[55], denn obgleich ihr nach und nach gesagt wird, dass die Hochzeit zu weit weg ist, bereits in der Vergangenheit liegt und der Sultan gestorben ist, setzt sie ihren Weg fort. Daneben wird Tranquilla[56] von einer zweiten Eigenschaft bestimmt: der Langsamkeit. „Du Langsamste der Langsamen“[57] wird sie genannt. Gerade diese Langsamkeit ist es aber, die sie schließlich an ihr Ziel führt. Denn die ursprüngliche Hochzeit musste abgesagt werden, die neue aber erreicht Tranquilla rechtzeitig. Parallel hierzu wird demonstriert, dass diese Langsamkeit im Auge des Betrachters liegt, denn eine Schnecke, der Tranquilla begegnet, sagt: „Du kannst aber schnell laufen“[58].

Entwicklung?

Zwischen der Veröffentlichung von Momo und DuG liegen sechs Jahre, Tranquilla erschien noch ein Jahr vor Momo[59]. Daher ist zu klären, ob eine zeitliche Entwicklung besteht, von der Rolle als Protagonistin zur Nebenfigur, oder ob stattdessen die Entwicklung gemäß der Bedeutung in der Geschichte, also von der Nebenfigur zur Protagonistin betrachtet werden soll. Tatsächlich ist beides möglich. An dieser Stelle soll zunächst die Verteilung der Eigenschaften und anschließend die Wandlung der Schildkröte bei Ende von der Haupt- zur Nebenrolle fokussiert werden.

Zeit und Entschleunigung sich eng mit der Schildkröte bei Ende verbunden (Foto: Yummymoon / pixabay.de)
Eigenschaften

Schon allein durch ihre unterschiedlichen Positionen innerhalb der Geschichten divergieren Morla, Kassiopeia und Tranquilla. Zwei Merkmale aber fallen allen drei Schildkröten zu. Es sind eben die zwei Merkmale, die bei der frühesten hier betrachteten Schildkröte Endes, Tranquilla, am deutlichsten vorliegen: Langsamkeit und Beharrlichkeit. Wohl erscheint die Beharrlichkeit bei Morla eher als Sturheit, doch auch dieser Aspekt zeigt sich bereits bei Tranquilla. Einen Schritt weitergehend kann behauptet werden, dass Kassiopeia in erster Linie die Langsamkeit verkörpert, Morla stattdessen Sturheit. Beide symbolisieren folglich gerade die Eigenschaften, die ihrer Vorgängerin Tranquilla eigen sind. Die negative Form der Beharrlichkeit bei Morla lässt sich vor allem auf ihre Funktion als Schatten zurückführen.

Zeigt Kassiopeia noch deutliche Merkmale der Beharrlichkeit, wird bei Morla kaum noch die Langsamkeit deutlich. Stattdessen wird die zeitliche Komponente in DuG durch Morlas hohes Alter verdeutlicht. Dagegen spielt das Alter bei Tranquilla keine Rolle und auch bei Kassiopeia steht es im Hintergrund. Kassiopeia gehört zu Meister Hora und ist damit zeitlos. Dafür spricht auch ihre Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Diese Eigenschaft findet sich bei Tranquilla nicht und auch Morla ist kein Orakel. Allerdings sorgt bei diesen beiden ihre Überzeugung in Hinblick auf die Zukunft dafür, dass sie gleich Kassiopeia unbeirrt ihren Weg gehen.

Insofern zeigt sich durchaus eine zeitliche Veränderung hinsichtlich der Eigenschaften bei Ende und gleichzeitig eine gemeinsame Symbolik. Von Tranquilla ausgehend entstehen die sture, alte Morla und die gelassene, langsame Kassiopeia. Alle nehmen besondere Stellungen hinsichtlich der Zeit ein. Die Erweiterung bei Kassiopeia, die in die Zukunft blicken kann, wird bei Morla durch ihr umfangreiches Wissen abgelöst. Allen drei Schildkröten ist auch die Treue zu sich selbst eigen. Sie ist es, die Morla dazu treibt, Atréju zu antworten, denn dadurch beweist sie, dass ihr wirklich alles egal ist.

Schritt für Schritt, Besenstrich für Besentstrich wird jeder lange Weg zu bewältigen (Unsplash / pixabay.de)
Von der Haupt- zur Nebenrolle

Durch die vorangegangene Betrachtung der Eigenschaften ist bereits eine Entwicklung von der Hauptrolle Tranquillas zu den Nebenrollen Kassiopeias und Morlas gegeben. Tatsächlich nimmt die Bedeutung der Schildkröte innerhalb der Geschichten im zeitlichen Vergleich ab. Kassiopeia ist für Momo wesentlich wichtiger als Morla für DuG und nimmt daher eine größere Rolle ein. Außerdem wandelt sich die Bedeutung der Schildkröte bei Morla ins Negative. Sie will Atréju nicht helfen, ist aber keine direkte Gegnerin. Stattdessen nimmt sie eine neutrale Stellung ein: ihr ist nichts wichtig[60].

Tranquilla verkörpert als Protagonistin das Selbst. Sie ist ausgeglichen, wodurch ihr Charakter im Lauf der Geschichte keine Wandlung durchmacht. Daher verinnerlicht sie bereits Anima, Schatten und Weise. In Momo und insbesondere in DuG machen die Protagonisten Momo und Bastian, respektive sein „[ph]antastischer Alter Ego Atreju“[61], einen „Reifeprozess“[62] durch. Eben auf diesem Weg treffen sie auf Kassiopeia und Morla. Dadurch sind die Schildkröten hier mehr oder minder aktiv an der Entwicklung des Selbst beteiligt.

Wie bereits aufgezeigt steht Morla als Schatten für Bastians Passivität, die ihn in der „Alltagswelt“[63] auszeichnet. Kassiopeia dagegen symbolisiert als Weise Momos Beharrlichkeit hinsichtlich der Bedrohung durch die grauen Herren. Hierbei ist auch zu bemerken, dass Bastian die Passivität überwindet, Momo ihre Beharrlichkeit und Geduld verfestigt. Insofern steht Morlas kurzes Erscheinen dafür, dass die Eigenschaft, die sie verkörpert, verschwindet. Kassiopeias Auftreten verdeutlicht den für die Geschichte positiven Charakterzug Momos und seinen Ausbau, denn zunächst findet auch Momo die Schildkröte langsam[64]. Die Schildkröte steht damit für die Entschleunigung des Alltags, der bei Momo positiv bewertet wird, für Bastian aber bereits zu Stagnation geworden ist, aus der er ausbrechen muss. Es bleibt Tranquillas Methode, um beides zu vereinen. Schritt für Schritt dem Ziel zu folgen.

 

Quellen:

[1] Ende, Michael: Die unendliche Geschichte. Ungekürzte Taschenbuchausgabe. 5., Auflage. München: Piper 2011. Im Folgenden abgekürzt als DuG.
[2] Ende, Michael: Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Ungekürzte Ausgabe. 7. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1992. Im Folgenden abgekürzt als Momo.
[3] Ende, Michael: Tranquilla Trampeltreu, die beharrliche Schildkröte, Stuttgart: Thienemann 2009. Im Folgenden abgekürzt als Tranquilla.
[4] In Terry Prattchets Fantasy-Romanen über eine Scheibenwelt, wird diese auf den Rücken von vier Elefanten getragen, die auf einer gigantischen Schildkröte stehend durch den Weltraum fliegen. So auch in: Pratchett, Terry: Rincewind, der Zauberer. Vier Scheibenwelt Romane. 4. Auflage. München: Wilhelm Heyne 2008.
[5] Beispielsweise in: Disney, Walt: Die Schildkröte und der Hase. Animation Collection Volume 4.
[6] Ende, Michael: Michael Ende und die Schildkröten. http://www.thienemann-esslinger.de/thienemann/extras-events/geschichten-detail/michael-ende-und-die-schildkroeten/. Abfragedatum: 21.08.2017.
[7] Ebd.
[8] Eberhard, Wolfram: Lexikon chinesischer Symbole: geheime Sinnbilder in Kunst u. Literatur, Leben u. Denken d. Chinesen. Köln: Diedrichs 1983. S. 252 – 253.
[9] Eberhard, Wolfram: Lexikon chinesischer Symbole. S. 252.
[10] Vgl.: Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. Mythologie Religion Psychologie. München: Kösel 2003. Im Hinduismus trägt die Schildkröte nicht die Welt selbst, sondern einen Elefanten, der die Welt trägt. S. 256-262. Hier S. 260.

[11] Vgl.: Fähnders, Walter: der Flaneur, der Dandy, der Bohemien und die Schildkröte. In: Die Zoologie der Träume: Studien zum Tiermotiv in der Literatur der Moderne. Hrsg. von Dorothee Römhild. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999. S.134-151. Hier S. 136.
[12] Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. S. 260.
[13] Ebd.
[14] Ebd. S. 259.
[15] Vgl. Ebd. S. 260.
[16] Eberhard, Wolfram: Lexikon chinesischer Symbole. S. 252.
[17] Ebd.
[18] Ebd. S. 253.
[19] Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. S. 261.
[20] Ebd.

[21] Vgl. Fähnders, Walter: der Flaneur, der Dandy, der Bohemien und die Schildkröte. S. 135.
[22] Ebd. S. 34.
[23] Maurer, Cornelia: Von Narren, Helden, Weisen… Archetypen als Schlüssel zu einer erfolgreichen Geschichte. In: Oliver Buslau und Carsten Dürer: TextArt. Magazin für Kreatives Schreiben. Ausgabe 1/2011. S. 22-26. Hier S. 25.
[24] Ebd.
[25] Ebd. S. 26.
[26] Golden, Joanne Marie: The narrative symbol in childhood literature. S. 35.
[27] Gerstner, Ulrike: Einfach phantastisch! S. 13.
[28] Maier, Karl Ernst: Phantasie und Kinderliteratur. In: Klinkhardt, Julius: Phantasie und Realität in der Jugendliteratur. Bad Heilbrunn: Arbeitskreis für Jugendliteratur 1976. S. 31-44. Hier S. 34.
[29] Ebd.
[30] DuG S. 58.

[31] Ebd. S. 60.
[32] Ebd.
[33] Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. S. 261.
[34] Schenda, Rudolf: Das ABC der Tiere. Märchen, Mythen und Geschichten. München: Beck 1995. S.°305.
[35] Vgl. Ende, Michael: Die unendliche Geschichte. S. 58 – S. 61.
[36] Schenda, Rudolf: Das ABC der Tiere. S. 305.
[37] Vgl. DuG S. 58.
[38] Ebd. S. 59.
[39] Kümmerling-Meibauer, Bettina: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur: ein internationales Lexikon. Weimar: Metzler 1999. S. 321-327. Hier S. 324.
[40] Ebd. S. 325.

[41] DuG S. 61.
[42] Vgl. Momo S. 117 und S. 164.
[43] Vgl. Ebd. S. 117.
[44] Momo S. 144.
[45] Fähnders, Walter: der Flaneur, der Dandy, der Bohemien und die Schildkröte. S.137.
[46] Nickel-Bacon, Irmgard: Fantastische Literatur. Von der Neuen Innerlichkeit zum postmodernen Erzählen: Fantastische Kinderliteratur seit den 70er Jahren. In: Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Hrsg. von Reiner Wild. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2008. S. 393-403. Hier S. 397.
[47] Momo S. 117.
[48] Schenda, Rudolf: Das ABC der Tiere. S. 305.
[49] Nickel-Bacon, Irmgard: Fantastische Literatur. S. 397.

[50] Fähnders, Walter: der Flaneur, der Dandy, der Bohemien und die Schildkröte. S. 136.
[51] Nickel-Bacon, Irmgard: Fantastische Literatur. S. 398.
[52] Fähnders, Walter: der Flaneur, der Dandy, der Bohemien und die Schildkröte. S. 136.
[53] Tranquilla S. 23.
[54] Zerling, Clemens: Lexikon der Tiersymbolik. S. 261.
[55] Ebd.
[56] ‚Tranquilla‘ ist italienisch für ‚gemächlich‘.
[58] Tranquilla S. 8.
[59] Ebd. S. 9.
[60] Tranquilla erschien zum ersten Mal 1972, Momo 1973, DuG 1979.

[61] DuG S. 59.
[62] Nickel-Bacon, Irmgard: Fantastische Literatur. S. 399.
[63] Ebd.
[64] Ebd.
[65] Momo S. 117.

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4 Kommentare

  1. Hallo liebe Eva-Maria,
    hm…..für mich persönlich steht die Schildkröte erst ein Mal als Symbol der Zeit….und der möglichen Unendlichkeit…..
    Wir als Menschen nehmen uns immer als sehr wichtig, aber Schildkröten leben viel länger als wir Menschen …
    LG..Karin..

  2. Liebe Eva-Maria, was für ein wunderbar ausgewogener, vielschichtiger Artikel – es ist alles drin: Mythos, weltumspannende Bedeutung, das Prinzip der Langsamkeit versus Sturheit, Weisheit, Wissen, Zeit … alles da und das auf hohem (literaturwissenschaftlichen) Niveau … und ich habe Tranquilla kennengelernt, die den schmalen Pfad zwischen Sturheit und Beharrlichkeit erfolgreich zu Ende geht …

    Dankeschön – habe ich sehr gerne gelesen :-)))

  3. Hat mir übrigens gut gefallen – wenn ich ihn schon urgiert habe – und mich daran erinnert, dass ich MOMO schon lange wieder lesen wollte. Als Beispiel ergänzt er sehr gut deinen Artikel über die Literaturwissenschaft …

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