Verstecken gilt nicht! – Melina Royer

Ein Titel, der mich sofort angesprochen hat, war Verstecken gilt nicht – Wie mal als Schüchterner die Welt erobert von Melina Royer. Der Ratgeber ist bei kailash frisch mit 222 Seiten erschienen. Obwohl ich generell ein introvertierter Mensch bin, kenne ich auch Schüchternheit und war gespannt, was das Buch hierzu sagt. Danke an den Verlag für mein Rezensionsexemplar.

Melina Royer ist Bloggerin von Vanilla Mind, „dem business Blog für Schüchterne“, wie es dort heißt. Sie bezeichnet sich selbst als schüchternste Person auf dem Planeten und berichtet, wie sie es geschafft hat, ihre Schüchternheit zu besiegen und sich nicht von ihrer Angst beherrschen zu lassen. Dabei gibt sie Tipps und Strategien, zeigt aber auch viel aus eigener Erfahrung und Erlebnissen.

Das Einführen ins Thema war mir etwas zu lang. Als versuchte die Autorin mit allen mitteln Anekdoten aufzutreiben, um zu erklären, dass sie schüchtern ist. Total schüchtern. Super total schüchtern. Trotz Blog und Buch und allem, absolut super total schüchtern. Während ich es durchaus verstehe, wenn jemand nicht gerne telefoniert – ich schreibe auch lieber Mails – waren andere Beispiele schon übermäßig extrem und hatten aus meiner Sicht wenig von normaler „Schüchternheit.“

Was ist schüchtern?

Vielleicht liegt da ein großes generelles Problem begraben. Was ist eigentlich schüchtern? Janine geht in ihrer Besprechung bereits darauf ein und ich muss ihr in vielen Punkten zustimmen. Schüchtern zu sein ist etwas anderes als introvertiert, aber eben auch etwas anderes als soziale Phobien. Jeder, der echte, psychische und auch physisch spürbare Panik hat, aus dem Haus zu gehen oder jemanden anzurufen, von Menschengruppen Albträume bekommt oder Berührungen unter Bekannten nicht erträgt, ist eben nicht einfach nur schüchtern und das so abzutun ist schlicht Ignoranz. Manche der Beispiel, die das Buch hier gibt, sind mehr als eine einfache Schüchternheit, sondern an der Grenze zur Sozialphobie. Das hat mich sehr irritiert, denn ein Gesundheitsratgeber oder psychologisches Sachbuch ist Verstecken gilt nicht auf keinen Fall.

Schüchtern oder nicht? Im Grunde geht es nur um Anpassung
Gute Punkte

Der Einstieg also brachte mir nur sehr wenig. Interessant wurde es, als es um Hochsensibilität ging und die daraus erfolgenden Konsequenzen. Hier habe ich einiges aus meinem Alltag wiederentdeckt und vieles reflektiert. Einerseits, weil ich den Begriff Hochsensibilität bisher nur marginal im Blick hatte, andererseits, weil hier auch die Anekdoten weniger wurden. Endlich ging es zu Sache, zu ersten Systemen und Ansätzen, das eigene Leben betreffend. Auch was danach folgte, fand ich relativ universell einsetzbar. Den Alltag verbessern, Gewohnheiten zu verändern und dadurch zufriedener zu sein, ist ein Punk, der immer wieder Aufmerksamkeit verdient. Achtsamkeit schwingt da mit, aber auch Selbstorganisation.

Wer muss sich anpassen?

Während also dieser Teil mir tatsächlich viel gebracht hat, gibt es noch einen Kritikpunkt, den ich ansprechen muss. Zwar erklärt Verstecken gilt nicht! oft, dass auch „Schüchterne“ ihr Leben ihrer Persönlichkeit anpassen müssten, in den Beispielen und Erfahrungen der Autorin lese ich allerdings eher, dass sie sich dem Leben anpassen müssen. Schüchternheit wird generell zu etwas, das ein „normales“ Leben unmöglich macht. Das oberste Prinzip ist, sein Leben so umzukrämpeln, dass es zu den Anforderungen der Gesellschaft passt, dass man erfolgreich ist, sich bewegt, gesund ernährt, etc. Auch wenn das Buch oft von „finde deinen Weg“ spricht, zeigt es doch, dass es nicht um Individualität, sondern viel mehr um Anpassung geht. Für mich, die falsche Richtung.

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6 Kommentare

  1. Es ist ja tatsächlich so, dass vom „Abweichler“ die Anpassung ans System erwartet wird, vor allem wenn er/sie tatsächlich um „Erfolg“ kämpft, statt einfach seine/ihre Ruhe haben zu wollen …

    Dass man nicht immer und überall dem „Selbsoptimierungswahn“ erliegen muss/sollte, auch als Schüchterne nicht, hat mir gefallen. Es ist nicht leicht diesem Ansatz mit freundlich-kritischem Blick gegenüberzustehen und es freut mich sehr, genau diesen Blick hier gefunden zu haben 🙂

    Schöner Beitrag Eva – informativ und dennoch kurzweilig – für ein Stückchen Literatur zum Kaffee, statt Keks 😉

    1. Liebe Tiph, wie schön, dass du mich verstehst. Denn das Buch kann wirklich vielen eine Hilfe sein, aber eben vor allem, um sich in den gesellschaftlichen Ist-Zuständen zu bewegen. Ich glaube nur nicht, dass das immer der „richtige“ Weg ist.

  2. Eine schöne Vorstellung mit einer guten Kritik! Generell ist es ja leider so, dass man sich so oft im Leben anpassen muss! Ich bin allerdings richtig neugierig auf dieses Buch geworden.
    Von Kailash hatte ich auf einer Messe mal ein paar schöne Bücher in der Hand, das ist eigentlich ein echt interessanter Verlag!
    VG Jennifer

    1. Liebe Jennifer, das auf jeden Fall! Freut mich, wenn du neugierig geworden bist. LG Eva

  3. Ich besuche den Blog von Melina ab und an mal und grundsätzlich hat sie tolle Ansätze, aber oft geht es mir bei ihr, wie dir mit der Einleitung des Buches. Es wirkt manchmal wirklich zu aufgesetzt, abzielend, was ich persönlich nicht mag. Wenn man das aber ausblenden kann, kann man sich aber durchaus etwas aus Melinas Anekdoten ziehen. Für einen Buchkauf reicht es bei mir da aber leider nicht. Und wenn ich deine Rezension lese, fühle ich mich mit meiner Vermutung bestätigt.

    1. Ich glaube auch, dass ganz viel gute Ideen drin stecken, wichtige Punkte, die einfach zu schnell wieder fallengelassen und im Hinblick auf „normal“ in Bezug gesetzt werden.

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