Theorie-Apotheke von Jochen Hörisch

Die Theorie-Apotheke war für mich auch deshalb interessant, da der Autor einer meiner Professoren ist. Prof. Dr. Jochen Hörisch unterrichtet an der Uni Mannheim und redet gerne viel, aber gerade auch gerne viel, was sich zu merken lohnt. In seiner Vorlesung lernten wir, dass Arachne das Totemtier der Dichter ist, welche Namensymbolik Goethe in seinen Werken versteckt hat, das Autoren oft weniger über ihre Bücher wissen, als jene, die sie analysieren, aber auch dass jede Analyse, egal wie gut sie ist, mit Pauken und Trompeten an der Botschaft des Autors selbst vorbeischlittern kann.

Die Theorie-Apotheke, auch wenn als Informationsbuch für den interessierten Laien ausgeschrieben, ist nicht für jeden etwas. Zum einen sollte der interessierte Laie Vorwissen mitbringen, zum anderen sollte jeder Leser bereit sein, mit jedem Satz etwas zu lernen. Die Theorie-Apotheke liest sich nicht so nebenbei. Jedes Kapitel widmet sich einer anderen humanwissenschaftlichen Theorie. Konstruktivismus, Gender-Studies, Gerechtigkeitstheorie, Hermeneutik, und so weiter. Alles Theorien, die niemand kennen muss, doch wer sie kennt, ist im Vorteil. In den Erklärungen zu den Theorien stecken Gedankenexperimente, die freilich nicht ganz neu sind, aber dennoch immer wieder gedacht werden können.

Doch Jochen Hörisch gibt die Theorien nicht nur wieder, er erklärt und zeigt auf, deutet auf mitlerweile bekannte Fehler, auf Kritikpunkte und Überarbeitungen, auf Verbesserungsmöglichkeiten und darauf, dass keine Theorie absolut ist, so gerne sie es auch wäre. Es gibt Modetheorien, wie Modefrisuren, und Ansichten sind nicht nur individuell, sondern stets im Wandel. Die Theorie-Apotheke liest keiner ein Mal und hat dann keine Fragen mehr. Doch durch die Aufteilung in Kapitel bieten sich die einzelnen Theorien als Mini-Lernstoff für Zugfahrten oder Wartezimmer an. Und mehrmaliges Lesen führt zu immer neuen Erkenntnissen und Gedankengängen, die schon mal weitab jeder Theorie führen können.

Die Theorie-Apotheke kann ich niemandem ins Bücher-Regal empfehlen, der leichte Lektüre sucht, und um die Humanwissenschaften lieber einen gr0ßen Bogen macht. Alle aber, die sich für Literaturwissenschaft, Medienwissenschaft, Kulturwissenschaft, et cetera interessieren, sollten einen Blick hinein werfen und am Ball bleiben. Auch wenn das, wie bei allen wissenschaftlichen Werken nicht immer leicht ist, lohnt es sich am Ende. Dafür steht auch der Name „Theorie-Apotheke“, denn Medizin schmeckt manchmal auch bitter und hilft dennoch.

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