Schluss mit dem Spagat – Felicitas Richter

Um mal wieder etwas zurück zur Mama-Literatur und meiner Dissertation zu kommen, habe ich mich etwas umgesehen und Schluss mit dem Spagat entdeckt. Auf 208 Seiten erzählt Felicitas Richter von der Methode des „simple present“ zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Erschienen ist das Buch 2015 im Südwest Verlag.

 

Felicitas Richter ist Mutter von vier Kindern und bringt Eltern bei, ihren Alltag so zu organisieren, dass sie nicht in die Stressfalle tappen und dabei noch Zeit für sich haben. In ihrem Buch hat sie nun einige Tipps aufgeschrieben. Dabei steigt sie immer mit einem guten Beispiel, oft auch aus ihrer eigenen Erfahrung, ein und verdeutlicht verschiedene Problematiken im Leben mit Kind, Beruf, Partnerschaft und Freizeit, die doch oft ähnlich klingen und im Grunde auch alle zum gleichen Ergebnis führen: Stress, Zeitnot, Hektik, schlechte Laune.

Schluss mit dem SpagatSchön ist, dass Felicitas Richter dabei nicht nur die Mütter anspricht, sondern gezielt von Eltern redet und auch hin und wieder die Väter in ihren Beispielen auftauchen. Elternschaft ist hier keine weibliche Angelegenheit, sondern eine menschliche. Gleiches gilt auch für die Probleme, die sie aufführt. Sie zeigt selbst an einer Stelle auf, dass nicht nur Eltern die Probleme von Stress, Überarbeitung, etc. kennen, sondern im Grunde die meisten Menschen im Alltag rotieren und ein bisschen Entschleunigung brauchen.

Ihre Tipps sind dabei eigentlich nur Kleinigkeiten, bei denen die größte Schwierigkeit ist, sie in den Alltag so zu integrieren, dass sie nicht einfach wieder geschluckt werden können. Und es sind wirklich gute Tipps. Ich kenne einige davon aus dem autogenen Training und vom Yoga, habe sie schon seit Jahren zu kleinen Ritualen gemacht und sehe sie als selbstverständlich an. Darum hat mir das Buch vor allem wieder einmal gezeigt, dass meine alltäglichen Methoden für andere eben nicht so selbstverständlich sind. Das hilft mir, den Blick zu schärfen und ein anderes Verständnis für meine Mitmenschen zu entwickeln.

Zum Anderen aber zeichnet das Buch so das Bild eines immer gelassenen Geschöpfs, das niemand aus der Bahn werfen kann. Dieses Weichzeichnen macht die Elternschaft, so wie Felicitas Richter sie „lehrt“ zu etwas Übermenschlichem. Der Raum fürs absolute Chaos, für Wut und Streit, für ein Aufbrausen, nach dem wir uns wieder beruhigen können, fehlt mir. Doch ich bin überzeugt, dass er nötig ist. Erstens, weil uns alles „simple present“ nichts hilft, wenn wir damit alleine dastehen und weder Partner, Kinder noch andere Mitmenschen am gleichen Strang ziehen. Dann gibt es zwangsläufig Streit, der aus Missverstehen entsteht.

Und zweitens, weil das Leben keine gerade Linie ist, keine planbare Sache. Wenn ich immer nur durchatme und versuche, gelassen eine Sichtweise zu finden, mit der ich mich arrangieren kann, fehlt mir das ICH, die ureigene direkte Reaktion. Nach einem „Urschrei“ kann ich mich fassen und habe nicht das Gefühl, alles runter geschluckt zu haben. Und genau der Aspekt fehlt in dem Buch. Dass es uns erlaubt, uns nicht hinter einer Ruhe von „Kann man eben nicht ändern“ zu verstecken, sondern auch einmal aus der Haut zu fahren, um uns selbst zu erkennen. Eine Mischung aus Ruhe und Lärm finde ich viel effektiver.

Trotzdem habe ich mit Schluss mit dem Spagat ein Buch gefunden, dass ich zum Reinlesen und Durchprüfen vielen gestressten Mitmenschen in die Hand geben würde.

 

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