Rosenfest – Leander Scholz

Mit Rosenfest hat Leander Scholz ein Buch geschaffen, das verstörend und mitreißend zugleich ist. Er fokussiert auf 256 Seiten (da freut sich auch mein Einmal durchs Regal Konto) die Liebegeschichte von Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die Mitbegründer der RAF. Auf einem schmalen Grad zwischen Fiktion und historischem Hintergrund stellt er ihre Menschlichkeit heraus, ein ungewöhnlicher Blickwinkel auf die Terroristen. Er erörtert dabei aber keine Schuldfrage, genauso wenig sucht er nach Entschuldigungen. Die Überzeugungen von Andreas und Gudrun sind nicht immer ausgesprochen, bleiben aber stets präsent.

Gleichzeitig aber gibt es für alles Anzeichen. Der Tod von Benno Ohnesorg, der von der Polizei den Demonstranten zugeschrieben wurde und die Schuld, die Gudrun dabei fühlt ist genauso Intention wie Andreas‘ verzweifelter Versuch, einen Sinn in der Welt zu finden. Zusammen aber halten sie sich und treiben sich an, keine steckt weniger tief drinnen, als der andere. Andreas und Gudrun werden eine Einheit, weil sie sich alleine nicht mehr identifizieren können. Der Abschnitt, in dem Gudrun in der italienischen Boutique sich selbst zerkratzt, diese Selbstzerstörung ist es, die erst in der Gemeinsamkeit enden kann.

Die Kritik, wie das Verständnis für beide, paaren sich hier, werden eine Strudel aus für und wieder. Es kann keine Schuldfrage gestellt werden, und doch bleibt sie im Hinterkopf. Die Bombenwarnung der Beiden wurde nicht ernst genommen, doch sie haben die Bombe gelegt. Die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verschwimmen und die unaussprechliche Frage, ob aus Tätern nicht immer Opfer werden und aus Opfern nicht immer Täter schiebt sich heraus.

Scholz hat ein großartiges Buch geschaffen, das zum Nachdenken anregt, kein schwarz-weiß Bild malt, schon eher ein blutrotes. Anklage und Verteidigung in einem, obwohl der Fokus auf der Menschlichkeit auch dahin deutet, dass vielleicht jeder von uns das Potential in sich trägt, Grausames zu tun. Dennoch ist Rosenfest keineswegs eine Entschuldigung, viel mehr ein dahinerzähltes Stück, schnell wie ein rasender Filmstreifen, bei dem das Verstehen von der Seite der Betrachtung abhängt. Scholz hat Kunst geschaffen.

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