Reaper Man – Terry Pratchett

Zwischen Prüfungen und Thriller-wahn habe ich mir bei Terry Pratchetts Reaper Man (354 Seiten) etwas Zerstreuung gesucht, mit der ich mein Einmal durchs Regal Konto nicht ganz so verweist zurücklasse. Tatsächlich ist aber die Thematik gar nicht so weit vom Thriller-Thema weg. Pratchetts gewohnter Witz, die genialen Ideen und die faszinierende Geschichte haben auch diesen Scheibenweltroman für mich zum Leseerlebnis gemacht.
TOD wird in Rente geschickt, er bekommt eine Lebenszeituhr, die langsam ihrem und seinem Ende entgegen rieselt. Doch nicht nur TOD muss sich mit den neuen Umständen vertraut machen und plötzlich als Bill Door ‚leben‘, auch die Scheibenwelt gerät ganz schön aus den Fugen. Es ist nicht so, dass niemand mehr stirbt, doch es kommt keiner, um die losgelösten Seelen auf den nächsten Weg zu schicken. So geht es auch Windle Poons, Zauberer und nach 130 Lebensjahren ganz froh, dem Gevatter gegenüber zu treten. Als der aber nicht auftaucht, beschließt Windle Poons Geist einfach, in seinen Körper zurückzukehren, was die übrigen Mitglieder der unsichtbaren Universität ziemlich aus der Fassung bringt. Als Untoter macht nun auch der Ex-Zauberer ganz neue, lebensnahe Erfahrungen. Doch als wäre das nicht genug, sammelt sich die übrig gebliebene Energie der Verstorbenen an und wird für Ankh-Morpork zum echten Problem auf Rädern.
Die Genialität mit der Personifikation des Tods als Sensenmann zu spielen, ihn als Figur, die mit eben dieser Personifikation umgeht, zu entwerfen, kann einen Literaturwissenschaftler lange beschäftigen. Hier wird nun diese Überlegung auf die nächste Ebene gehoben, der Glaube als Ausgangskraft zur Entstehung von Mythen und Realitäten wird auch in anderen Pratchett-Büchern angesprochen und behandelt, hier aber hadert der „Erglaubte“ selbst damit und muss einem neuen TOD gegenübertreten.
Die Lehre daneben, zu leben, zu erleben, solange es geht, die sowohl TOD als auch Poons eigentlich zu spät, aber dank der Umstände genau richtig, erfahren, wird ironisch und mit der Portion Selbstreflexion dargestellt, die den Leser schmunzeln lassen, ohne dass die Botschaft verloren ginge. Spätestens, wenn die Zauberer „Yo“ schreien und sich freuen, endlich mal ein richtiges Abenteuer zu erleben, ist die Sache klar. Jeder überschreitet hier Grenzen des scheinbar Möglichen getreu dem Motto: Das Unmögliche ist nur unmöglich, weil es noch keiner getan hat.
Es wird aber nicht nur philosophisch. Stattdessen geht es ganz schön rund, wenn TOD gegen eine neue, dramatische Version seiner selbst antreten muss, weil er seine Lebenszeit mit einem kleinen Mädchen geteilt hat und Poons mitten im Zentrum der bösen Energie gegen ameisenhafte Wägen antritt. Helden wider Willen, könnte man sie nennen, aber viel mehr passen sie sich beide der Situation an. Was ist TOD, wenn er nicht mehr der Tod sein kann? Und wie geht er damit um, wenn die Frage im Raum steht, zu töten, um zu überleben. Er, der immer betont, kein Henker zu sein, sondern vielmehr ein Abholer, ein Sammler.
Eine Freude, für alle, die die Scheibenwelt kennen und lieben, aber tatsächlich kann das Buch noch mehr begeistern, des Themas, des philosophischen Einflusses wegen. Vielmehr als der Tod, wird das Leben hier unter die Lupe genommen und definiert. Leben ist, was wir daraus machen. Selbst für TOD.

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